Besuch der ENERGY OBSERVER

An unserem letzten Liegeplatz vor dem Panamakanal hatten wir eine ganz besondere Nachbarin: Die ENERGY OBSERVER ist das weltweit erste Schiff, das neben Solar- und Windkraft auch mit selbsterzeugtem Wasserstoff angetrieben werden kann.

Seit die Crew im Winter 2017 aus Frankreich gestartet ist, habe ich das Projekt immer wieder interessiert verfolgt und nun liefen sie zu meiner Überraschung kurz nach uns in der Shelter Bay Marina ein. Meine Begeisterung war entsprechend groß und freute mich riesig, dass sich für mich so die Möglichkeit einer Besichtigung ergab. Das erinnerte ein wenig an unsere zufällige Begegnung mit dem historischen Frachtensegler TRES HOMBRES auf Grenada Anfang 2020.

Vincent, der für einige Wochen auf der ENERGY OBSERVER angeheuert hatte, erläuterte mir das Konzept des futuristischen Katamarans und beantwortete geduldig alle Fragen. Das insgesamt circa 30-köpfige Team wird geleitet von Victorien Erussard, Offshore-Regattasegler und Offizier der Handelsmarine sowie Jérôme Delafosse, professioneller Taucher und Produzent von Tier-Dokumentarfilmen.

Hauptziel des Projektes ist es, einerseits konkrete, innovative und erfolgreiche Lösungen für die Energiewende zu finden, darüber hinaus aber auch öffentlichkeitswirksam für Ökologie, nachhaltige Entwicklung und die Energiewende zu werben. Mit so einem Hingucker ist letzteres vermutlich ein Selbstläufer und für ersteres wurde die ENERGY OBSERVER zu einem schwimmenden Labor ausgebaut. Dieses soll während der gesamten Reise die ausgeklügelte Energiearchitektur unter extremen Bedingungen testen aber durchaus auch Rückschlüsse für die Umsetzung an Land ermöglichen.

Den unzähligen Sponsoren-Aufklebern am Rumpf kann man entnehmen, dass es seitens verschiedenster Branchen ein großes Interesse an den Ergebnissen gibt. Aber über Geld spricht man ja bekanntlich nicht. Die ENERGY OBSERVER ist ein ehemaliges Rennboot, das 1983 in Kanada vom Stapel lief. Als FORMULE TAG war sie das erste Segelboot, das 1984 die 500-Meilen-Strecke in 24 Stunden schaffte. Seitdem wurde sie viermal vergrößert und misst heute 30,5 Meter Länge bei 12,8 Meter Breite. Mit ihren 28 Tonnen kann sie eine Höchstgeschwindigkeit von 10 Knoten erreichen.

Das Energiesystem des Katamarans umfasst drei erneuerbare Energiequellen (Solar-, Wind- und Wasserkraft) sowie zwei Arten von Speichern (Lithium-Ionen-Batterien für den kurzfristigen und Wasserstoff für den langfristigen Einsatz). Vincent nannte als Hauptziel des Projektes, die einzelnen Bausteine so zu testen und optimieren, dass sie harmonisch zusammenarbeiten und eine hundertprozentige Energieautonomie ermöglichen.

Auf dem Deck sind drei Arten von Solarpaneelen mit insgesamt über 130 Quadratmetern und einer Gesamtleistung von 21 kW peak verbaut, die beiden vertikalen Windturbinen liefern maximal je 1 kW. Das System zur Wasserstofferzeugung wiegt knapp 2.100 Kg und umfasst zwei reversible Elektromotoren je 41 kW sowie eine Lithium-Ionenbatterie mit einer Kapazität von 106 kWh. Dazu kommen eine Seewasser-Entsalzungsanlage und der Elektrolyseur. Insgesamt können bis zu 62 kg Wasserstoff gespeichert werden. Die Brennstoffzelle liefert 22 kW.

Natürlich hat der Katamaran auch Segel angeschlagen, welche sich angesichts der übrigen Technik allerdings etwas bescheiden gestalten.

Die Reise der ENERGY OBSERVER soll zu über 100 Orten in circa 50 Ländern führen. Darunter historische Häfen ebenso wie Tierschutzgebiete, Naturreservate und gefährdete Ökosysteme. Als nächste Station nannte Vincent zu meiner Überraschung Galapagos – und noch ein Zufall. Vielleicht gibt es also bald ein Wiedersehen.

Weitere Infos auf der Webseite des Projekts

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