Wie “Coral Gardeners” Riffe retten – Ein Interview

Salut Titouan und vielen Dank, dass Du Dir Zeit für dieses Gespräch nimmst.

Wie bist Du dazu gekommen, Dich um Korallenriffe zu kümmern?

Ich lebte die ersten vier Jahre meiner Kindheit auf Ahe, einem kleinem Atoll im Nordwesten der Toamotus. Meine Eltern betrieben dort eine Perlenfarm. Später zogen wir dann nach Moorea.

Ich bin genau wie all meine Freunde sehr mit dem Ozean verbunden. Wir sind Surfer, Fischer, Freediver. Das Riff gibt uns alles zum Leben. Freude und Abenteuer, unser tägliches Essen und den Sauerstoff den wir atmen. Der Ozean war unser Spielplatz und unsere Schule. Er lehrt uns Demut, Liebe und Respekt für alle Arten von Leben.

Wir sind im Riff aufgewachsen und für uns war es immer selbstverständlich. Als wir 16 Jahre alt waren, haben mein Kumpel und ich dann eines Tages festgestellt, dass es dem Riff nicht gut geht. Wir waren schockiert zu sehen, wie empfindlich die Korallenriffe sind und wie schlecht es ihnen geht. Ich ging zu einer Wissenschaftlerin und fragte sie, was ich tun kann um den Zustand der Korallen zu verbessern. Sie sagte mir, ich solle weiter zur Schule gehen, dann 8 Jahre studieren und anschließend als Wissenschaftler Lösungen erforschen. Ich sagte ihr, ich will nicht irgendwann in irgendwelchen Laboren rumhängen sondern hier und jetzt etwas tun. Ich verließ die Schule und gründete gemeinsam mit einigen Freunden die „coral gardeners“.

Wie ging es dann weiter?

Zu Beginn unseres Projekts waren wir nur zu zweit und ich lebte vom Verkauf von Perlen. Wir sammelten und verpflanzten Korallenstücke die zum Beispiel von Stürmen oder ankernden Schiffen abgebrochen waren und pflanzten sie auf tote Bereiche des Riffs.  Leider war das Verhältnis von Aufwand und Ergebnis unserer Methode nicht besonders gut und wir kamen zu dem Schluss, dass es effizienter ist, die Widerstandsfähigkeit der Korallen zu verbessern.

Im Juli 2019 besuchte uns Dr. Austin Bowden-Kerby und zeigte uns eine Technik der „supercorals ̈. Wir suchen gezielt nach Korallen, die nachweislich extreme Wassertemperaturen und Bleiche in freier Wildbahn überlebt haben und vermehren diese in extra dafür angelegte „nurseries“. Dafür entnehmen wir ihnen kleine Bruchstücke und hängen diese in günstiger Umgebung an, im Wasser gespannte Leinen. Nach 12-18 Monaten sind sie groß genug um dann in geschädigte Bereiche eines Riffs verpflanzt zu werden. Diese Methode haben wir rund um Moorea an über 100 Kolonien durchgeführt und dabei über 20 verschieden Korallenarten eingesetzt. Unser Erfolgsquote liegt inzwischen bei 90 Prozent.

Was sind die größten Herausforderungen bei eurem Projekt?

Neben der eigentlichen Arbeit mit den Korallen ist die Organisation und das Management immer wichtiger geworden. Die „coral gardeners“ sind ja relativ schnell von einer kleinen Gruppe engagierter Jugendlicher zu einem ganzen Team von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Tauchern und Kommunikationsexperten gewachsen. Am Anfang hatte ich nur einige Kumpels, die gerade keinen Job hatten um Unterstützung gebeten. Aktuell arbeiten 24 Leute bei „coral gardener“.

Darunter auch etliche hochqualifizierte Mitarbeiter. Beispielsweise entwickeln und implementieren wir mit „ReefOS“ gerade ein digitales Monitoring für unsere Aufzuchtstationen mit Kameratechnik, künstlicher Intelligenz und autarker Stromversorgung. Verantwortlich dafür ist ein ehemaliger AI-Ingenieur von Tesla.

Um alle Aufgaben ordentlich zu bewältigen haben wir neben der ursprünglichen NGO inzwischen auch ein Start-up gegründet. Ich freue mich zwar über das Engagement von Freiwilligen, ich möchte aber auch, dass die Umwelt-Dienstleistung für die Riffe ordentlich vergütet werden kann.

Wie finanziert Ihr diese Professionalisierung?

Unser Projekt hat drei Einnahmequellen: Man kann uns mit dem Kauf von Merchandise-Artikel, wie T-Shirts, Basecaps, Armbänder usw. unterstützen. Dafür haben wir einen Online-Shop eingerichtet. Wir erhalten außerdem Spenden von Unternehmen und Privatpersonen. Den größten Anteil haben jedoch die Patenschaften für unsere Korallen-Zöglinge. Für 25€ bis 39€ kann man eine Koralle adoptieren und bekommt dafür eine Urkunde mit dem Bild dieser Korallenart. Über 13.000 Menschen aus 99 Ländern haben dies bereits getan. Seit unserer Gründung haben wir schon fast eine Million Euro eingeworben und damit über 15.000 Korallen gepflanzt.

Das klingt ja wie eine riesige Erfolgsgeschichte. Hattest Du auch manchmal Zweifel?

Ich freue mich darüber, dass wir dies alles in so kurzer Zeit erreichen konnten. Aber natürlich bedeutet dies auch eine Menge Stress. Ich hatte in der Vergangenheit schon dreimal einen Burnout. Und ich bin natürlich sehr darüber frustriert, das die Politik so wenig gegen den Klimawandel unternimmt. Wir können ja hier eigentlich nur die Symptome bekämpfen. Um die Zukunft der Riffe nachhaltig zu sichern, müssen aber auch die Ursachen für das Korallensterben beseitigt werden. Das setzt allerdings voraus, dass die Menschen über die Probleme der Riffe informiert werden.

Und was kann man dafür tun?

Zunächst ist es wichtig möglichst viele Menschen zu erreichen. Wir nutzen dafür unsere Webseite wie auch alle möglichen social-media-Kanäle. Letztes Jahr konnten wir einige prominente Gäste bei uns begrüßen deren Bekanntheit uns neue Interessenten verschaffte. Zum Beispiel Guillaume Néry, der Weltmeister im Freitauchen oder Mareva Galanter, die ehemalige Miss Frankreich und Miss Tahiti. Als der YouTuber Nash Grier auf seinem Kanal von seinem Besuch bei uns berichtete, wurden innerhalb von einem Monat 2.000 Korallen bei uns adoptiert.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Informationskampagne ist die Arbeit mit Schulklassen. Im Rahmen ihrer Lehrpläne für die dritte bis sechste Klasse setzen die Schüler von Moorea ihr eigenes Projekt zur Riff-Wiederherstellung um, natürlich mit der Unterstützung der „coral gardeners“. Wir sind davon überzeugt, dass die Sensibilisierung der Schüler der Schlüssel zum Wandel über alle Generationen hinweg ist. Seit Beginn unseres Projekts haben 2.800 Inselkinder von uns gelernt.

Die Wiederherstellung von Riffen kann sehr gut genutzt werden kann, um ein Bewusstsein für Umweltschutz zu bilden. Wir wollen eine Leidenschaft wecken, die zu Veränderung führt. Und natürlich muss man mit gutem Beispiel vorangehen. Wir versorgen unser Bürogebäude mit Solarmodulen und haben zwei Elektrofahrzeuge angeschafft. Ich selbst ernähre mich seit zwei Jahren vegetarisch.

Was habt Ihr für die Zukunft geplant?

Wir wollen die AI-Technik noch weiter ausbauen und damit mehr Verständnis über das Ökosystem Riff sowie die Auswirkungen unserer Methoden erlangen. Als nächsten Schritt wollen wir dann unser Wissen mit anderen Menschen teilen, die sich um bedrohte Riffe kümmern. Wir wünschen uns eine globale Bewegung zur Rettung der Riffe. Immerhin sind weltweit 500 Millionen Menschen direkt von den Korallenriffen abhängig.

Vielen Dank Titouan für dieses Gespräch. Gibt es noch etwas, dass Du unseren Leserinnen und Lesern in Deutschland sagen möchtest?

Danke für Euren Besuch hier. Ich würde mich freuen, wenn Euer Bericht dazu beiträgt, dass noch mehr Menschen von den Problemen erfahren, die den Korallenriffen weltweit zu schaffen machen. Und natürlich freuen wir uns über jede neue Korallenadoption aus Deutschland.  Hier könnt Ihr eine Koralle adoptieren!

Zum Bericht Riffe in Not

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