2. Danzig – Jugendaustausch

„Ich bin Pole aber ich fühle mich mehr als Franziskaner – und die sind international“ mit diesem Satz brachte Pater Robert seine Haltung zu Heimat und Identität gut auf den Punkt. Wir waren eigentlich verabredet um über den deutsch-polnischen Jugendaustausch zu reden. Aber es wurde wie dann so oft viel grundsätzlicher.

Jugendpädagoge Andrzej Kizel über den die Terminvorbereitung lief, hatte mir zu Beginn des Treffens schon einiges über die Arbeit beim Jugendaustausch berichtet. Verabredet waren wir in der, von 1481 bis 1514 errichteten Sankt-Trinitatiskirche. Bereits 1419 erteilte Papst Martin V. den Franziskanern das Privileg ein Kloster in der Danziger Vorstadt zu errichten. Heute unterhält der Orden im einem Nebengebäude der Kirche Übernachtungsmöglichkeiten sowie Seminarräume für maximal 40-köpfige Gruppen. Diese bestehen in der Regel aus je 15 Jugendlichen aus Polen und Deutschland sowie jeweils zwei Betreuerinnen und Betreuer. Sie bleiben meist fünf bis sieben Tage und haben die unterschiedlichsten Interessengebiete als Überschrift ihrer Treffen.

Kochen, Vielfalt, Theater, Geschichte, Solidarität  – die Themenauswahl ist unendlich und dient ohnehin ja nur als Aufhänger für den Austausch, das Kennenlernen und gegenseitige Verstehen. Finanziert wird dies zu 30% durch Teilnehmergebühren, die restlichen 70 % kommen vom 1991 gegründeten Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW). Gut angelegtes Geld, bedenkt man zu welchen Katastrophen, Nichtverstehen zwischen Völkern in der der Vergangenheit bereits geführt hat.

Dazu passt dann auch, dass Pater Robert als sein oberstes Ziel ohne lange zu überlegen „ Frieden stiften“ nennt. Und so ist es denn auch nicht verwunderlich, dass er in seiner Tätigkeit nicht nur zu Deutschen intensive Kontakte pflegt. Russen, Tartaren, Weißrussen zählen ebenso zu den regelmäßigen Besuchern – auch wenn dies seit dem „Change“ – wie er sich ausdrückt – alles etwas schwieriger sei. Auch innerhalb der Franziskaner ist dieses Frieden stiften und der dazu nötige „Dialog der Sichtpunkte“ gelegentlich kompliziert, da diese genauso wenig homogen wie andere Glaubensgemeinschaften sind. Der europäische Franziskaner hat eben gelegentlich andere Vorstellungen als der südamerikanische oder afrikanische Glaubensbruder.

Wie auf´s Stichwort erscheint da George aus der Küche. George stammt aus Kenia und macht hier gerade sein Praktikum. Er studiert seit einiger Zeit im Priesterseminar in Lodz und ist nun für einige Wochen in Gdansk. George berichtet mir darüber wie es ihm fern der Heimat so ergeht und welche Pläne er für die Zukunft hat. Auch für ihn sind die Erfahrungen in der für ihn fremden Kultur die Basis von Respekt und Toleranz. Ich erinnerte mich an Paris wo ich nach meiner Tischlerlehre einige Zeit lebte. Wieder zurück in Berlin hatte ich auch deutlich mehr Verständnis dafür, mit welchen kleinen Problemchen man als Fremder im Alltag so konfrontiert wird und wie sich Menschen fern der Heimat fühlen. Und bei mir war es nicht so lange und nicht so weit. Vielleicht wäre das Zusammenleben mit Fremden generell einfacher, wenn noch viel mehr Menschen solche Erfahrungen machen würden.

Oder um mit Pater Roberts Worten zu sprechen: „Nach dem Kennenlernen sind Menschen aus anderen Ländern nicht mehr „Die da“ sondern Personen“. Natürlich haben wir auch konkret über Bildungspolitik diskutiert. Der Franziskaner lobte dabei die Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring in Brandenburg und wünscht sich von uns, dass wir auch weiterhin „non-formelles Lernen“ unterstützen. Auch für Polen würde er sich dies stärker wünschen  – „weil Bildung dadurch unabhängiger von jeweiliger Politik wird.“

Und auch wenn er die mitunter komplizierte Bürokratie unseres föderalen Systems kritisierte, lobte er dieses dann unterm Strich – in Polen sei vieles durch die zentralen Strukturen nicht möglich: Sein Motto: Je kleiner umso einfacher

Und was man noch mehr für die gegenseitige Verständigung tun könne? „Sprache ist Basis der Verständigung“. Also zum Beispiel mehr polnische Sprachangebote an deutschen Schulen. Er war hocherfreut als ich ihm davon berichtete, dass wir in meinem Wohnort Neuenhagen seit zwei Jahren eine deutsch-polnische Kindertagesstätte haben. Leider fehlt die Möglichkeit der Weiterführung dann bei Grundschülern.

Und natürlich sei er auch für eine bessere Ausstattung des DPJW. Schließlich ist das von beiden Regierungen finanzierte Jugendwerk die einzige deutsch-polnische Einrichtung mit dem Status einer internationalen Organisation – vergleichbar also mit beispielsweise der EU oder den Vereinten Nationen. Am nächsten Tag las ich im Pressespiegel, dass der Bundestag die entsprechenden Mittel von 6 auf 7 Millionen aufgestockt hat – sein Gebet wurde also erhört.

Das Wichtigste von allem sei aber „Einfach sprechen, so wie jetzt“. Ein schönes Fazit unseres zweistündigen Treffens. Und als kleinen Muntermacher für unsere Weiterfahrt überreichte er mir noch einen Beutel seines Hauskaffees, natürlich „Bio“ und „fairtrade“ aber ungemahlen. Mangels Kaffeevollautomaten an Bord der Daphne werden wir ihn erst zu Hause genießen können.

Dann wurde es höchste Zeit für den 1,5 Kilometer langen Fußweg zum Hafen um die nächste Brückenöffnung Richtung See nicht zu verpassen. Ein sehr nachdenklicher Termin nahm sein Ende und ich  sollte noch lange nachdem das Land außer Sicht war über Pater Roberts Sätze sinnieren.

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