Gastbeitrag Annalena Baerbock: Import von Steinkohle

Annalena Baerbock, Mitglied des Deutschen Bundestages und Co-Vorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen

Annalena Baerbock, Mitglied des Deutschen Bundestages und Co-Vorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen – Foto: Urban Zintel

Ungeachtet des beschlossenen Kohleausstiegs bis 2038 und des voranschreitenden Ausbaus der erneuerbaren Energien wird Deutschland noch für viele Jahre weiterhin Steinkohle importieren.  Wichtigste Lieferländer sind dabei Kolumbien, Russland und Südafrika. Dort müssen die Menschen unter teils katastrophalen Bedingungen schuften, um letztlich für unseren Strom zu sorgen.

Leider weiß die Öffentlichkeit viel zu wenig darüber, unter welchen Bedingungen die Importkohle in den Förderländern abgebaut wird. Deshalb ist es wichtig, dass sich immer wieder auch Menschen vor Ort informieren und über die Situation der Menschen dort berichten, wie es Michael Jungclaus hier mit dem Projekt „Fast wär’s das Paradies“ macht.

Zum einen gehört die massive Verletzung von Arbeiterrechten zum Alltag in vielen Abbauregionen. Gerade in Kolumbien beklagen die Gewerkschaften gefährliche Arbeitsbedingungen, hohe Gesundheitsrisiken, Kinderarbeit sowie zu lange und anstrengende Schichten bei minimaler Entlohnung. Schwere Unfälle, bei denen auch Menschen sterben, sind die Konsequenz. Doch bessere Arbeitsbedingungen werden von den Bergbauunternehmen boykottiert.

Zum anderen werden die vom Bergbau betroffenen Menschen in den seltensten Fällen entschädigt. Es sind oft Kleinbauern und Angehörige indigener Völker. Die Konzerne vertreiben sie für immer größere Profite von ihrem Land und rauben ihnen so die Lebensgrundlagen. Doch mit dem Steinkohlebergbau gehen auch immense Umwelt- und Gesundheitsbelastungen einher: fruchtbares Ackerland wird für immer zerstört, lebensnotwendige Flüsse werden umgeleitet, Gewässer- und Luftverschmutzung steigen. Und das alles, damit wir billige klimaschädliche Kohle importieren können.

Aufgrund fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen zur Offenlegung der Handelswege ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher bis heute nicht nachvollziehbar, woher die in deutschen Kraftwerken verfeuerte Steinkohle stammt. Dabei ist beim Rohstoff Steinkohle die notwendige Transparenz über die Herkunft und die Handelswege vergleichsweise einfach herzustellen, denn Steinkohle muss anders als metallische Rohstoffe, Uran oder Erdöl nicht aufwendig weiterverarbeitet werden, sondern landet als Gesamtproduktion in deutschen Häfen an. Aktuell sind die importierenden Unternehmen jedoch nicht verpflichtet, über ihre Lieferanten und Handelswege Auskunft zu geben. Verbindliche öffentliche Informationspflichten seitens der Steinkohlebezieher über die menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Abbaus der Steinkohle vor Ort gibt es nicht.

Doch die deutschen Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher haben ein Recht darauf, zu erfahren, von wo und unter welchen Bedingungen deutsche Unternehmen Steinkohle für die Stromerzeugung beziehen. Ohne die notwendigen Transparenz- und Rechenschaftspflichten kann nicht nachvollzogen werden, ob die deutschen Unternehmen ihre menschenrechtliche, ökologische und soziale Verantwortung auch wahrnehmen.

Doch Deutschland importiert nicht nur Kohle, es unterstützt weltweit auch den Bau neuer Kohlekraftwerke. Die bundeseigene KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) und ihre Tochtergesellschaft KfW IPEX-Bank GmbH haben in den letzten Jahren Milliarden Euro in die Hand genommen, um in anderen Ländern den Neubau oder die Modernisierung von Kohlekraftwerken zu unterstützen. Durch Kreditzusagen beteiligen wir uns weltweit daran, das Klima aufzuheizen, die Umwelt zu zerstören und eine überkommene Energieversorgung zu zementieren. Es braucht ein Ende dieser Förderung. Stattdessen müssen die Gelder für Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz verwendet werden.

Annalena Baerbock, 22. Juli 2020

Zum Artikel „Kolumbianische Kohle für deutschen Strom“