7. Stockholm – Nachhaltiges Bauen
Der Bann ist gebrochen. Nachdem wir zuvor dreimal in Folge beim Versuch, das jeweilige Etappenziel zu erreichen glücklos blieben, schafften wir es in Stockholm direkt im Herzen der Stadt zu landen. Doch dazu später.
Zunächst lag die Wunderwelt der finnischen und schwedischen Schären vor uns. Unser Liegeplatznachbar in Hanko gab uns den Tipp nach Kökar zu segeln und dieser Tipp war Gold wert. Rückblickend betrachtet war dies der schönste Platz der gesamten Tour. Inmitten hunderter winziger Inselchen, nur durch enge und flache Passagen zu erreichen, umgeben von felsigen Hügeln und kleinen Wäldchen. Die Fahrt dorthin war atemberaubend. Ein Freund der unsere Position auf www.marinetraffic.com verfolgte schrieb, dass die Seekarte dort aussieht wie das MRT von Einsteins Gehirn.
Der Hafenmeister begrüßte uns mit den Worten „How the hell did you find your way here?“ Wir verrieten ihm nicht, dass wir unterwegs sogar einen vorbeifahrenden Motorbootfahrer nach der richtigen Passage fragen mussten, so verwirrend war die Ansteuerung – trotz GPS und Navigationssoftware. Dementsprechend war der kleine Hafen auch nicht sonderlich voll. Gerade so belebt um nicht ausgestorben zu wirken und genügend Kundschaft für vernünftige Sanitäranlagen und etwas Gastronomie anzulocken. Die Umgebung war so reizvoll, dass wir beschlossen einen zusätzlichen Hafentag einzuschieben – das musste eben später mit einem Nachtschlag wieder rausgeholt werden.
In Schweden verbrachten wir die erste Nacht erneut vor Anker. Ich wollte den relativ ruhigen Liegeplatz nutzen um das Starten und Landen der Drohne vom Schiff aus zu probieren. Eine blöde Idee. Die Aufnahmen waren zwar sehr schön, allerdings flog ich ein wenig zu lange durch die Gegend, so dass die Drohne ihre Rückkehrautomatik startete, welche das teure Spielzeug im Normalfall zentimetergenau an ihren letzten Startpunkt zurückbringt. Dummerweise hatte sich unser Boot inzwischen mit dem Wind einige Meter von diesem Punkt weggedreht. Und so stand die Drohne nun in Augenhöhe 3 Meter neben uns und begann wild piepend zur Landung anzusetzen. Es war mehr ein Reflex als eine Reaktion, mit voller Bekleidung kopfüber Richtung Drohne ins Wasser zu springen. Aber so erreichte ich sie gerade noch rechtzeitig um ihr eine trockene Landung in meiner, aus dem Wasser gestreckten Hand zu ermöglichen.
Am nächsten Tag ging es weiter Richtung Stockholm. Dort war ich mit dem Architekten und Stadtplaner Jonas Törnblom verabredet, der mir einiges über das ökologische Vorzeige-Stadtviertel Hammarby Sjöstad erzählen wollte – inklusive Stadtrundgang.
Das Gebiet liegt nahe der Stockholmer City und ist das Ergebnis eines umfassenden Stadtumbaus. Vor Beginn der Sanierung war es ein leicht heruntergekommenes Industrie- und Gewerbegebiet. Ein Teil diente auch als Hafen. Anfang der 90er Jahre begann die Planung für eine Neugestaltung des gesamten Gebietes.
Obwohl sich der südliche und östliche Teil von Hammarby Sjöstad außerhalb des Innenstadt-Randgebietes befindet, wurde der Entwurf eher halb- als suburban angelegt, mit Boulevards, architektonisch unterschiedlichen Stadtblöcken und Geschäftsräumen im Erdgeschoss einiger Gebäude. Die Lage neben dem Hammarby Sjö-See und dem Sickla-Kanal hat zudem viele Kais und Spazierwege am Wasser ermöglicht.
Hammerby Sjöstad ist ein „urbanes Entwicklungsprojekt“, das sich besonders durch seine umweltfreundlichen Wohnmöglichkeiten auszeichnet. Die Tram ist die Hauptverkehrsmöglichkeit, der Wasserverbrauch wird reguliert und anfallender Abfall wird lokal recycelt. Dabei ist das geklärte Abwasser so sauber, dass die Stockholmer sogar auf die Idee kamen als Beweis für die Reinheit daraus ein Bier zu brauen. Glücklicherweise hatten wir unseren Stadtrundgang vormittags, so dass ich mit Verweis auf die Tageszeit eine Kostprobe dankend ablehnen konnte.
Die konsequent ökologische Ausrichtung brachte Hammerby Sjöstad den Titel : 1. „Eco-City“-Stadtteil Stockholms ein. Insgesamt gibt es dort ungefähr 11.000 Wohnungen, welche mehr als 26.000 Bewohner beherbergen. Ungefähr ein Drittel wird vermietet, die restlichen sind Eigentum. In den letzten Jahren wurden weitere Geschäfte, Schulen und Kindertagesstätten hinzugefügt, da entgegen der Erwartungen nicht vorwiegend Rentner, sondern viele junge Familien mit Kindern in den neuen, grünen Stadtteil gezogen sind. Im Allgemeinen gilt Hammerby Sjöstad weltweit als Vorbild für nachhaltiges, urbanes Bauen.
Der hohe Standard hat allerdings seinen Preis. Die Kaltmiete von ca. 14,– € ist für Stockholmer Verhältnisse zwar günstig aber dennoch eher etwas für Besserverdienende. Jonas Törnblom entgegnete meinen Bedenken damit, dass diejenigen die nach Hammarby ziehen in der Regel ja woanders kostengünstigen Wohnraum freimachen würden – unser Termin war zu kurz um dies zu vertiefen.
Insgesamt war die Führung jedenfalls sehr beeindruckend. Vom Energiekonzept über die unterirdische Müllabsaugung bis hin zur 80%-igen Straßenbahn-Nutzung – das eine oder andere von dem hier gesehenen kann ich mir auch gut für Brandenburger Städte vorstellen.