Gastbeitrag Katrin Göring-Eckardt: Flüchtlingspolitik

30.000 Menschen sind im vergangenen Jahrzehnt im Mittelmeer ertrunken. Eine Zahl so groß und jedes verlorene Leben ein tragischer Verlust. Mütter mit ihren Babys, Brüder, Freunde – Menschen mit unterschiedlichen Geschichten und Herkünften. Menschen, die abgewogen und entschieden haben: Fliehen ist der einzige Ausweg. Menschen, die am Ende alles verloren haben.

Für dieses unermessliche Leid gibt es nur noch wenig Aufmerksamkeit. Knappe Meldungen über gesunkene Flüchtlingsschiffe verhallen ohne Aufschrei. Die öffentliche und politische Debatte um die Aufnahme von geflüchteten Menschen dreht sich vor allem um Abschottung. Zwar gab es eine große Welle der Solidarität als nach dem russischen Angriffskrieg mehr als eine Million ukrainische Geflüchtete nach Deutschland kamen. Doch Kommunen schlagen Alarm: Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, Kita- und Schulplätzen und Lehrerinnen für Sprachkurse.

Herausforderungen und Sorgen, die man nicht kleinreden sollte. Sie dürfen aber auch nicht dazu benutzt werden, Menschen gegeneinander auszuspielen. Es ist seit langem klar, dass wir beides brauchen: Humanität und Ordnung. Denn die Folgen von Regellosigkeit sind Leid und Chaos.

Ich habe die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems kritisch begleitet. Doch nun sind die neuen Regeln beschlossen. Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Umsetzung rechtsstaatlich und menschenwürdig abläuft. Entscheidend ist, dass alle ankommenden Menschen ausnahmslos registriert werden. Nur so können wir sicherstellen, dass ihre Aufnahme regelbasiert abläuft und es nicht zu willkürlichen Pushbacks kommt. Im Gegenzug sollte Deutschland zusagen, schutzsuchende Menschen aufzunehmen. Nur mit einer gerechten und solidarischen Verteilung werden wir den Kreislauf aus Überlastung und immer restriktiveren und in der Realität unbrauchbaren Antworten endlich durchbrechen können.

Ich bin den vielen Seenotretterinnen auf dem Mittelmeer unendlich dankbar, dass sie trotz schwieriger Bedingungen weiter Leben retten. Das Recht auf Asyl ist eine historische Errungenschaft und unbedingt zu bewahren. Es ist mein Antrieb, mich weiter für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik stark zu machen.

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