Eine sehr spezielle Insel

Seit langem sind wir mit Daphne mal wieder ganz allein in einer Ankerbucht. Die „Catherine Bay“ an der Südküste von Rabi ist in alle Windrichtungen gut geschützt, und der Anker liegt sicher auf 8 Meter Tiefe in sandigem Boden. Bei der Einfahrt in die tief eingeschnittene Bucht fiel uns besonders das große Kirchengebäude auf, und da sich dieses nahe dem Dinghy-Dock befindet, führte uns der erste Landgang auch direkt dorthin.

Zufällig war es Sonntag und zufällig kamen wir pünktlich zum Gottesdienst. Eigentlich wollten wir ja nur einen kurzen Blick in das Innere der Kirche werfen, aber bei der hiesigen Gastfreundschaft war daran natürlich nicht zu denken. Wir wurden herzlich begrüßt und hereingebeten. Der nächste Zufall: Es war Vatertag und damit ein wesentlich umfangreicherer Gottesdienst als an den anderen Sonntagen. Auch wenn wir kein Wort verstanden, lauschten wir den sich abwechselnden Reden und Gesängen. Wir waren in einer Methodisten-Gemeinde gelandet, am Rednerpult wechselten sich zehn verschiedene Männer mit unterschiedlich langen Beiträgen ab, die Gesangseinlagen begannen mit einer lautstarken Kindergruppe, es folgten diverse gemischte Chöre, und bald hatten wir den Eindruck, dass jedes Gemeindemitglied zumindest einmal mit Singen an der Reihe war.

Nach circa einer Stunde war der eigentliche Gottesdienst vorbei, doch Eritara, der Vorsitzende des Ältestenrates, lud uns ein, auch den weiteren Feierlichkeiten beizuwohnen. Als er uns dann ausgiebig die Regeln der folgenden Zeremonie erläuterte, wurde uns langsam klar, dass unsere kurze Besichtigung sich doch ein wenig umfangreicher gestalten würde. Gut, dass Uta auf Verdacht ein paar Gastgeschenke eingepackt hatte.

Während wir einigen wichtigen Persönlichkeiten der Gemeinde vorgestellt wurden, bauten die Frauen auf dem Fußboden des langen Saales zahlreiche Schüsseln und Schalen mit den verschiedensten Speisen auf. Als Unterlage diente ein buntes Tischtuch, die Sitzplätze bildeten geflochtene Matten. Man speiste im Schneidersitz. Die lange „Tafel“ war den obersten Gemeindevertretern – vorwiegend Männern – sowie Uta und mir vorbehalten. Die Frauen saßen zusammen mit den Kindern am Rande des Saals.

Der „Senior Pastor“ Kabong Reo eröffnete mit einigen Worten das Mahl, und wir probierten uns quer durch die verschiedensten Gerichte. Das meiste schmeckte sehr ungewohnt, aber durchweg sehr lecker. Nach dem Essen ging es weiter im Schneidersitz zu den nächsten Reden. Für Uta mit ihren Yoga-Erfahrungen kein Problem, mir schmerzte die Hüfte inzwischen so, dass ich nicht mehr wusste, wie ich mich drehen sollte, um noch einigermaßen ordentlich zu sitzen. Nun wurden wir auch dem Rest der Gemeinde offiziell als Gäste vorgestellt und durften zu unserer Überraschung auch selber einige Worte an die Mitglieder richten. Glücklicherweise sind wir beide solche Situationen von unseren Jobs gewöhnt. In den anschließenden Gesprächen erfuhren wir viel Interessantes über die Insel und ihre Menschen sowie deren Geschichte, die leider sehr durch Ausbeutung und Kolonialismus geprägt war. Das Besondere an Rabi ist, dass die meisten der hier Lebenden aus dem 2.000 Kilometer entfernten Kiribati stammen, genauer von Banaban. Ihre Heimatinsel wurde 1901 von den Briten besetzt. Hier befand sich eines der weltweit größten Phosphor-Vorkommen, und 1906 begann die „Pacific Phosphate Company“ mit dem Abbau, bis alle Lagerstätte vollständig ausgebeutet waren. Die Insel war anschließend in einem so desolaten Zustand, dass die meisten Bewohner:innen von den Briten nach Rabi zwangsumgesiedelt wurden. Dort bauten sie ihre vier Heimatdörfer (sogar mit gleichem Namen) wieder auf und haben bis heute ihre Sprache und Kultur weitgehend bewahrt. Und scheinbar wiederholt sich die Geschichte: Kiribati ist eines der Länder, das als erstes wegen des  Klimawandels im Meer versinken wird. Die Regierung hat nun vorsorglich für ca. 7 Mio. € Land in Fiji gekauft, um seinen Einwohner:innen im Ernstfall eine neue Heimat zu bieten.

Nachdem wir nun so viel über die Insel und die Gemeinde erfahren hatten, mussten wir ein wenig den Kopf freibekommen und wollten uns zu einem kleinen Spaziergang aufmachen. Doch hatten wir nicht mit den vielen Kindern gerechnet, die nur darauf warteten, bis wir ein wenig von den Erwachsenen entfernt waren, um sich um uns zu scharen. Uns wurden Löcher in den Bauch gefragt, wir mussten Fotos machen, ein 9-Jähriger gestand Uta, dass er sich in sie verliebt hat. Wir retteten uns zum „Pfarrhaus“, um uns noch ein wenig mit dem Pastor und seiner supernetten Frau zu unterhalten. Er erzählte uns, dass die Kirche 1957 erbaut wurde und inzwischen dringend einer Renovierung bedarf. Bereits während des Gottesdienstes wunderten wir uns darüber, dass im Inneren des Gebäudes – für solche Kirchenbauten ungewöhnlich – über die gesamte Fläche eine Zwischendecke eingezogen wurde. Der Grund hierfür lag in der schlechten Statik des Gebäudes, was bereits kurz nach der Fertigstellung diesen Umbau erforderte. Nun hat man zwar im Vergleich zu vorher sehr niedrige Decken, aber dafür die doppelte Fläche. Der Gottesdienst erfolgt im Obergeschoss, das Erdgeschoss dient als Gemeindesaal.

Nach einer längeren Verabschiedung wurden wir noch herzlich für die nächsten Tage zu weiteren Besuchen eingeladen, aber Uta ist ja leider nur 5 Wochen hier, und es gibt halt noch so viele, tolle andere Orten in der Umgebung. In Fiji kann man vermutlich Jahre verbringen und entdeckt immer wieder Neues. So ist es also vermutlich ein endgültiger Abschied.

Rabi werden wir aber auf jeden Fall in besonderer Erinnerung behalten, da es schon sehr speziell ist. Es gibt nur wenig befestigte Straßen und kaum Autos. Nur vereinzelt liefern Dieselgeneratoren Strom. Alkohol ist verboten. Es gibt keine Geldautomaten, und die wenigen kleinen Minimärkte nehmen ungern Geldscheine über 10FJ$. Alle, denen wir unterwegs begegneten, grüßten freundlich, alle scheinen glücklich zu sein. Einer Arbeit, wie wir es kennen, gehen die wenigsten nach. Grundschule und Vorschule sind aber auch hier bestens organisiert.

Viele der Männer sind in einer Art Fischer-Genossenschaft organisiert, in die man etwas Geld einzahlt, um das gemeinsame Fischerboot zu nutzen. An vielen Häusern sahen wir Hühner und Schweine. Obst und Gemüse wächst hier quasi überall, und gelegentlich trifft man auf Familien, die mit Gummistiefel und Schaufel aus dem Dickicht kommend, prall gefüllte Säcke nach Hause tragen. Es gibt keine Hotels oder Pensionen, nur im „Rabi Council Guesthouse“ am anderen Ende der Insel gibt es vier Zimmer für Touristen. Während unseres Aufenthaltes hier haben wir auch keine anderen Segelboote gesehen. Wir haben das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein.

 

2 Kommentare

  • Lutz Scholz, Bad Freienwalde

    Eine wunderbare Reise, an der Ihr uns teilnehmen lasst! Ich konnte vor Jahren wenigstens bis zu den Torajas in Sulawesi kommen und ein wenig Tropenluft schnuppern. Auf die “alten Tage” geniesse ich nur noch Reiseberichte aus 2. Hand ,wie sie von Euch kommen. Viel Glück und weiter “Mast& Schotbruch” !

  • Ute Tenkhof

    Das ist ja eine sehr berührende Geschichte. Danke, dass wir daran teilnehmen dürfen. Ihr registriert alles sehr offen und aufmerksam. Es macht uns sprachlos, dass nach der Zwangsumsiedelung für die Menschen auf Rabi bald die nächste Umsiedlung anstehen wird.
    Winnie und ich wünschen Euch weiter eine gute Reise.

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