Frauenpower in Vanuatu – Ein Interview

Kannst Du Dich bitte zunächst kurz vorstellen, damit wir Dich etwas kennenlernen?

Mein Name ist Jocelyn Namaka Usua, ich lebe in Vanuatu auf der Insel Tanna und ich liebe es, neue Freunde kennenzulernen. Ich habe nicht wirklich eine gute Ausbildung, aber ich habe trotzdem versucht, in einer politischen Partei zu kandidieren. Vor allem, um den Frauen hier zu zeigen, wie wichtig es ist, dass sie ihre Rechte in der Politik verstehen. Leider hat es mit der Kandidatur nicht geklappt.

Du engagierst Dich seit Langem für die Rechte der Frauen in Deinem Land. Wie kam es zu diesem Engagement?

Den meisten Frauen hier ist es nicht möglich, eigene Entscheidungen zu treffen, sie folgen ausschließlich denen ihres Mannes. Das ist der schwächste Punkt und hier müssen wir ansetzen. Wir müssen mit vielen Aktivitäten aufwarten, um die Probleme der Frauen anzusprechen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Daran arbeite ich hart. Vor allem an dem Aufbau eines starken Netzwerks. Ich bin davon überzeugt, das ist der beste Weg.

Wie siehst Du die Rolle der Frauen in Vanuatu und was sollte sich ändern?

Die Frauen hier sind sehr gut darin, die traditionellen Zeremonien zu gestalten, sie zu leiten und an allen möglichen sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Sie sind auch bei manchen Entscheidungen eingebunden, doch insgesamt ist das noch zu wenig. Ich denke, dass auch Männer dies inzwischen akzeptieren. Ich schätze so circa 30 %, aber das müssen natürlich mehr werden. Viele Nichtregierungsorganisationen helfen mit Geldern, um Programme zur Gleichstellung der Geschlechter und zur sozialen Eingliederung durchzuführen oder zu erleichtern, um das Verständnis hierfür zu fördern. Eine der wichtigsten Veränderungen, die sich langsam abzeichnen, ist die Teilnahme von Frauen an nationalen Wahlen. Teilweise auch an Provinzwahlen, und bei vielen weiteren Institutionen, die Frauen in den Gemeinden stärken. Wo wir auf jeden Fall mehr Veränderung brauchen: Die Regierung sollte Frauen dabei helfen, Ämter und Mandate zu besetzen und stärker die Rechte der Frauen berücksichtigen.

Hat Corona diese Situation noch verschärft?

Eigentlich nicht, im Gegenteil. Die Pandemie und ihre Folgen haben uns aufgeweckt. Wir haben gelernt, aufzustehen. Es stieg die Notwendigkeit, unsere Provinz weiterzuentwickeln. Also habe ich meine Frauen hier motiviert, Kokosnüsse zu Öl zu verarbeiten und andere wirtschaftliche Aktivitäten durchzuführen. Damit wuchs ihre Unabhängigkeit.

Wie kann man die Dinge ändern? Was sind dabei die wichtigsten Punkte?

Frauen sind sehr in der Haushaltsführung eingebunden und müssen hart für den Lebensunterhalt der Familie arbeiten. Manche verkaufen Obst und Gemüse auf dem Markt. Da bleibt nicht viel Zeit für den Kampf um ihre Rechte. Deshalb müssen wir sie zuerst bei der Bewältigung ihrer Aufgaben unterstützen. Zum Beispiel, ihnen in Kursen für Hauswirtschaft und Kochen zeigen, wie sie die nötigen Aufgaben effizienter erledigen können. So bleibt ihnen mehr Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse. Wir stärken dadurch die Frauen beim Ausbau ihrer Kapazitäten. Sie lernen, ihre Rechte zu verstehen und können gleichzeitig ihren Platz in der Gesellschaft behaupten. Wir haben schon viele Kurse organisiert, aber wir wollen dies auf noch mehr Frauen ausdehnen. Leider fehlt uns hierfür oft das nötige Geld.

Was motiviert Dich und warum machst Du das alles?

Mein Engagement hilft mir, andere Frauen zu motivieren, um eine starke, solidarische Schwesternschaft aufzubauen. Durch meinen Kampf wurde ich schließlich als „Leader of the Women“ gewählt, und ich vertrete nun die Frauen unserer Region im Bezirksrat, dem „South East Area Council“.

Welche Rolle spielt Feminismus für Dich persönlich?

Mein Kampf für Frauenrechte hilft mir, mich zu beweisen. Ich lerne, wer ich bin. Vor allem in den Bereichen Vertrauen, Ehrlichkeit und Charakter. Feminismus betrifft nicht nur die Politik, sondern ist auch im Alltag wichtig. Ein sehr schöner Erfolg war für mich beispielsweise die Etablierung unseres „Cricket-Saturday“. Bislang gab es auf unserem Dorfplatz als große sportliche Aktivität immer nur den Männer-Fußball am Sonntag. Ich habe nun organisiert, dass die Dorffrauen sich regelmäßig am Samstag zum Cricket-Spielen treffen. Es ist wichtig, dass wir Frauen auch bei solchen Dingen sichtbarer werden.

Wie reagieren die Männer auf die Frauenbewegung?

Die Männer tun sich schwer damit, ihre Macht abzugeben. Vor allem in der Politik versuchen sie zu verhindern, dass Frauen ihre Rechte bekommen. Sie sagen den Frauen, dass ihre Zeit noch nicht gekommen ist. Oft ist es so, dass die Chefs sich beraten und die Frauen dürfen erst antreten, wenn die Männer denken, dass es soweit ist. Doch dann sind die Entscheidungen schon getroffen. Das ist ärgerlich, aber manchmal muss man sie auch einfach nur lassen. Der Vorsitzende des Bezirksrats zum Beispiel denkt immer, er ist der Chef. Aber meistens bin ich diejenige, die sagt, wo es lang geht. Letztendlich ist bei allen Punkten doch nur wichtig, was am Ende dabei rauskommt.

Liebe Jocelyn, vielen Dank für Deine ausführlichen Antworten und Einblicke. Weiterhin viel Erfolg bei Deinem Engagement!

Das Interview führte ich mit Jocelyn auf englisch im Oktober 2022 in Port Resolution auf Tanaa (Vanuatu). Einige Fragen wurden später per WhatsApp vertieft und ergänzt.

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