Klimawandel konkret – Ein Interview

Vielen Dank Willie, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Bevor wir beginnen, kannst Du uns bitte etwas von Dir persönlich erzählen?
Mein Name ist Willie Naven, ich bin 37 Jahre alt und arbeite als Grundschullehrer in Port Resolution auf Tanna (Vanuatu). Ich bin der Erstgeborene in meiner Familie und habe eine Schwester und zwei Brüder. Unser Vater starb, als ich 8 Jahre alt war. Ich spiele gerne Fußball, was auch der Lieblingssport in unserem Dorf ist. Gerade vertritt mein Team unsere Gemeinde bei einem regionalen Wettbewerb. Wir führen hier ein einfaches, aber gutes Leben. Leider bekommen wir seit einigen Jahren aber mehr und mehr Probleme durch die Veränderungen des Klimas.

Welche Probleme hat der Klimawandel in Eurer Region zur Folge?
Da ist vor allem der Anstieg des Meeresspiegels zu nennen. Dies führt erstens zu einem Vordringen des Meeres ins Landesinnere und damit zu Verlust von Anbauflächen. Und zweitens drückt dadurch Salzwasser in unsere Brunnen.
Außerdem nimmt die Anzahl und Stärke der Wirbelstürme zu. Ein weiteres Problem ist, dass die vom Meer weggespülte Erde an einigen Stellen die Korallenriffe verlanden lässt.
Und ein Problem, mit dem wir hier speziell auf Tanna zu kämpfen haben: Die vorherrschende Winde drehen stärker als früher und bringen so die Immissionen vom Vulkan auf immer mehr Landesteile. Dies fehlen uns dann als Anbauflächen.

Was sind die konkreten Auswirkungen dieser Probleme für Euch?
Letztes Jahr wurden wir innerhalb einer Woche mit 2 Zyklonen der Kategorie 5 konfrontiert, die unsere Gärten und traditionellen Häuser zerstörten. Das gab es vorher noch nie. Wir hatten fast 3 Monate lang nicht genug zu essen.
Dazu kommt, dass unser Garten, in dem wir täglich unsere Lebensmittel sammeln, durch den sauren Regen des Vulkans immer weiter beschädigt wird. Es ist nicht mehr dasselbe wie früher, es ist sehr schwierig. Als wir nach den Zyklonen unseren neuen Garten vorbereitet hatten, pflanzten wir dort Wurzelpflanzen und Gemüse, aber der saure Regen des Vulkans verbrannte sie alle. Nun warten wir darauf, dass der Wind wieder zurückdreht, damit wir erneut pflanzen können. Während des Wartens fällt es den Menschen schwer, Lebensmittel zu finden, um ihre Familie zu ernähren, denn die meisten sind hier von ihren eigenen Gärten abhängig. Sie leben von ihren Gärten. Leider ist es abzusehen, dass unser Land bald nicht mehr ausreicht, um genug Gärten anzulegen und alle ausreichend zu ernähren.

Und auch die Versorgung mit Fischen wird schwieriger, weil die Korallenriffe, in denen wir normalerweise fischen gehen, an vielen Stellen versanden. Die Erde, die durch den Anstieg des Meeresspiegels ins Meer gespült wurde, hat bereits einige der Riffe trockengelegt, und dadurch gibt nicht mehr so viele Fische wie früher, die unser Protein liefern.

Bei der Wasserversorgung ist es genauso. Normalerweise haben wir viele Handpumpen im Dorf, um Wasser zu gewinnen. Aber wenn wir jetzt Wasser abpumpen, ist es kein Frischwasser mehr, sondern Salzwasser. Dies ist ebenfalls auf den Anstieg des Meeresspiegels zurückzuführen. Es gibt inzwischen nur noch eine einzige funktionierende Pumpe, mit der sich jetzt mehr als 300 Haushalte versorgen müssen. Niemand weiß, was passiert, wenn auch dort Salzwasser eindringt.

Unsere Lebensgewohnheiten haben sich sehr geändert. Immer mehr Menschen müssen Lebensmittel in Geschäften kaufen. Unsere Gärten werden ständig durch Vulkane, Zyklone und den Anstieg des Meeresspiegels zerstört. Dieses Jahr hatten wir 4 Todesfälle in einem Monat. Das ist nicht normal für uns.

Wer ist Deiner Meinung nach für diese Probleme verantwortlich?
Unsere Regierung wäre dafür verantwortlich, uns zu helfen, aber bis heute hat sie nichts getan. Wir wissen einfach nicht, wie wir mit den Auswirkungen des Anstiegs des Meeresspiegels, die uns täglich betreffen, umgehen sollen.

Was passiert, wenn sich die Situation verschlimmert und was sind die Konsequenzen?
Wenn es noch schlimmer wird, können wir nicht mehr auf unserem Land leben und Gärten anlegen. Für unsere Kinder bedeutet dies, dass es in der Zukunft keine Fläche mehr zur Selbstversorgung geben wird. Der Anstieg des Meeresspiegels wird mehr und mehr Land ins Meer spülen. Unser Vulkan, die Zyklone und der Anstieg des Meeresspiegels werden immer mehr von unserer Heimat zerstören.

Was sind Deine Forderungen an die Politik in den Industrieländern und was ist Deine Botschaft an die Menschen in Deutschland?
Unsere Botschaft an die Menschen in Deutschland ist, dass Ihr bei der Entwicklung Eures Landes, Eurer Fabriken usw. bitte daran denken solltet, dass das, was Ihr in Eurem Land tut, Konsequenzen für uns hat. Euer Land sollte uns bei dem, was wir täglich erleben, helfen. Es wäre gut, wenn einige Leute aus Deinem Land hierherkommen und versuchen herauszufinden, was die beste Option wäre, um unsere Heimat vor dem Anstieg des Meeresspiegels zu schützen.


Vielen Dank Winnie für dieses Interview.
Ich danke Dir und Deinen Freunden, dass Ihr uns Geld geschickt habt, um Reis zu kaufen und ihn unter den bedürftigsten Familien unseres Dorfes zu verteilen.

Ein Kommentar

  • Stefan Hirsch

    Sehr gutes Interview. Die Aussagen entsprechen dem, was wir auf anderen Inseln in Südostasien und im Südpazifik gesehen haben. Wenn man dazu noch die Berge von Plastikmüll zählt, die in Asien jeden Strand füllen (und entweder aus Europa importiert werden, oder von westlichen Konsumgüter-Konzernen produziert werden), und die von industriellen Fischereiflotten leer gefischten Meere sieht, kann man viel Verständnis für die Klimakleber entwickeln. Ich glaube trotz Flut im Ahrtal und Hitzewellen haben die Menschen in Europa immer noch nicht verinnerlicht, dass wir nicht einfach so weitermachen können, sondern unseren Konsum (das Leben über die für den Planeten vertretbaren Verhältnisse) reduzieren, unser eigenes Verhalten ändern müssen. Hoffentlich hilft dieser Artikel ein wenig, auch wenn er von der anderen Seite der Welt ist.

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