Gastbeitrag Toni Hofreiter: Leben im Korallenriff

Korallenriffe sind insgesamt die artenreichsten Bereiche des Meeres (Bild 1). Korallen sind keine Pflanzen sondern Tiere, genauer genommen sind sie sessile (festsitzende) Nesseltiere. Das bedeutet, dass sie mit Quallen verwandt sind. Die riffbildenden Korallen leben in Symbiose mit Algen. Die Algenversorgen die Nesseltiere mit Zucker und die Nesseltiere wiederum bieten den Algen Schutz und Zugang zu Sonnenlicht. Riesenmuscheln leben auf sehr ähnliche Weise, auch sie beherbergen Algen (Bild 2).

Steinkorallen sind die wichtigsten Riffbildner in tropischen Meeren. Weitere Gruppen sind die Feuerkorallen und die Blaue Koralle. Sie gehört zu einer Gruppe, die bis auf wenige Arten vor Jahrmillionen bereits weitgehend ausgestorben ist. Eine weitere wichtige Gruppe sind die Kalkrotalgen.

Neben Muscheln lebt in den Korallenriffen eine große Vielzahl an Fischarten (Bild 3). Eine ziemlich neugierige Art ist der gefleckte Kaninchenfisch, wissenschaftlich Siganus punctatus (Bild 4). Er frisst vorwiegend Algen und wird so genannt, weil er seine Oberlippe beim Fressen ähnlich einsetzt wie Kaninchen.

Die kleinen Riffbarsche der Gattung Chromis verstecken sich sehr gerne zwischen Geweihkorallen (Bild 5). Weitere bekannte Arten sind die Kaiserfische, wie der Sechs-Binden-Kaiserfisch (Bild 6) und die Drückerfische, wie der Picasso-Drückerfisch (Bild 7).

Besonders auffallende Arten sind allerdings die Anemonenfische (Bild 8 und 9). Anemonenfische leben, wie der Name bereits vermuten lässt, in enger Symbiose mit Anemonen. Sie sind durch ihre Haut gegen das Gift der Anemonen geschützt. Die Anemone schützt die Fische gegen Raubfische und die Fische vertreiben wiederum die Fressfeinde der Anemonen. Verlieren Anemonen ihre Fischpartner, werden sie ziemlich rasch von Falterfischen gefressen.

Anemonenfische sind nicht die schnellsten Schwimmer. Doch sie haben eine andere interessante Fähigkeit: Zwei Anemonenfische, die gemeinsam an einer Anemone leben, sind in der Lage ihr Geschlecht zu ändern. So wird sichergestellt, dass ein Weibchen und ein Männchen da ist – ohne dass der verhältnismäßig sichere Ort der Anemone verlassen werden muss. Dies sind nur einige der vielen Beispiele für spannende Lebensgemeinschaften in den Korallenriffen.

Korallenriffe sind stark gefährdet – durch Überfischung, Plastikmüll, petrochemische Gifte und Überdüngung aus der Landwirtschaft. Aber eines bedroht selbst gut geschützte und abgelegene Korallenriffe: der Anstieg der globalen CO2-Konzentration.

Dr. Anton Hofreiter ist promovierter Biologe und Vorsitzender der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Paul Bohnert)

Der Anstieg der CO2-Konzentration gefährdet Korallenriffe auf zwei Arten. Einerseits wird das Meer wärmer. Wie bereits erwähnt, sind Korallen eine Gemeinschaft aus Nesseltieren und Algen. Die Korallen bieten den Algen Schutz und bauen die Kalkskelette. Die Algen wiederum produzieren mit Hilfe des Sonnenlichtes Zucker und stellen einen Teil den Nesseltieren zur Verfügung. Wird das Wasser zu warm, funktioniert die Gemeinschaft nicht mehr, die Nesseltiere verlieren die Algen und bleichen dadurch aus. Das ist die Korallenbleiche, die dem Absterben der Riffe meist vorausgeht.

Andererseits gefährdet der steigende CO2-Gehalt der Luft die Korallen, weil das Wasser versauert. Ein Teil des CO2 bleibt nicht in der Luft, sondern löst sich im Wasser und bildet Kohlensäure. Diese Säure macht das Meerwasser saurer. Die Skelette von Korallen bestehen aus Kalk und Kalkskelette lassen sich in saurerem Wasser nur mit größerem Energieaufwand bauen.

Wenn wir die Korallenriffe retten wollen, müssen wir die Klimakrise bekämpfen und die Überdüngung und Überfischung beenden. Es braucht eine Anpassung der Fangquoten an die wissenschaftlichen Empfehlungen, konsequenten Meeresschutz mit Zonen ohne menschliche Nutzung und ein Verbot von Mikro- und Einwegplastik. Es ist essenziell, dass sich die Staaten auf der UN-Biodiversitäts-Konferenz auf ein weltweit verbindliches Regelwerk einigen – vergleichbar zu den Pariser Klimaschutzverträgen.

Lieber Michael, ich wünsche Dir weiterhin gute Fahrt! Toni Hofreiter, Oktober 2021 (Fotos 1-9: Anton Hofreiter)

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