Ausgangssperre im Paradies

Als Uta und ich im Juli letzten Jahres von Stralsund aufbrachen um drei Jahre lang die Welt zu umsegeln, kannten wir Corona nur als mexikanische Biermarke. In der Süddeutschen Zeitung erschien am 3. Januar eine kurze Nachricht; 10 knappe Zeilen auf Seite X über den Ausbruch einer „nicht identifizierten Lungenkrankheit“ in China. Am 23. Januar erhielt Uta von einer Freundin ein aus Wuhan weitergeleitetes Video, das in dramatischer Aufmachung davon berichtete wie die Menschen dort “reihenweise auf der Straße umfallen und sterben”. Schlimm natürlich, aber kein Grund zur Panik bei uns – wir waren schließlich zu der Zeit auf Martinique, also ziemlich genau auf der anderen Seite der Erdkugel. Für uns waren Meldungen zu Moskitos und Dengue-Fieber weitaus interessanter. Besonders da Martinique zu der Zeit angeblich ein Hotspot für Dengue war. Später erfuhren wir, dass die Zahlen auf anderen Karibikinseln ähnlich waren, allerdings hat das französische Überseedépartement als Teil der EU im Gegensatz zu den anderen Inseln eine Meldepflicht. Die Schwierigkeit, Zahlen aus medizinischen Statistiken richtig zu interpretieren sollte uns später bei COVID-19 ja dann noch öfter begegnen.

Mitte Februar war Corona hier immer noch kein großes Thema. Ich segelte alleine von Grenada nach Trinidad. Uta war für eine Woche in Deutschland. Ihr Vater feierte am 14. Februar seinen 80. Geburtstag. In Frankreich gab es an diesem Tag den ersten europäischen Todesfall. Für Uta war an den Flughäfen aber weniger der Virus eine Gefahr, sondern eher die komplizierten Ein- und Ausreise- sowie Transitformalitäten. Erst hätte sie wegen eines fehlenden USA-Visums fast den Anschlussflug verpasst, dann wurde für ihren Rückflug ein recht aufwendig zu beschaffender Nachweis darüber verlangt, dass sie auch wirklich per Segelboot das Land wieder verlassen wird. Bei Ihrer Rückkehr in Tobago am 18. Februar wurde bei allen Passagieren Fieber gemessen.

Beim legendären Karneval in Trinidad Ende Februar ließen sich die Menschen noch nicht den Spaß verderben. Wir taten es Ihnen gleich und tauchten mitten hinein in die feiernden Menschenmassen – Mundschutz und Desinfektionsspray waren da noch kein Thema.

Als wir am 26. Februar über Venezuela in Richtung ABC-Inseln aufbrachen, gab es in Deutschland bereits Hunderte Erkrankter. Vom 2.-7. März lagen wir dann vor Bonaire. Uli, ein pensionierter Arzt auf einer Nachbaryacht lehnte da schon das Händeschütteln ab und berichtete von seiner Sorge, dass seine Frau ihn wegen Corona vermutlich nicht mehr wie geplant in den nächsten Tagen besuchen könne. Ihr Flug wurde kurz darauf tatsächlich gestrichen und er wird seine Frau nun wohl für eine ganze Weile nicht sehen.


Beim Start unserer dreitägigen Überfahrt von Curaçao nach Kolumbien am 10. März waren in Deutschland inzwischen alle Bundesländer betroffen und es gab dort die ersten beiden Todesfälle. Aufgrund der weltweiten Entwicklung zeichnete sich zum ersten Mal ab, dass das Thema eventuell auch uns betreffen könnte. Allerdings tummelten sich zu der Zeit noch Hunderte Kreuzfahrttouristen munter in den Straßen der Hauptstadt Willemstad und in den Sammelbussen sah man keinen einizigen Mundschutz – auch nicht bei denen die während der gesamten Fahrt husteten.

Das gesamte Ausmaß der Entwicklung konnten wir uns weiterhin überhaupt nicht vorstellen. In Santa Marta mussten wir am 12. März noch darüber schmunzeln, dass wir erst nach einer Nacht vor Anker und dem anschließenden Gesundheitscheck (Fieber messen und Nennung der letzten 10 besuchten Häfen) in die Marina durften.

Dann aber ging alles recht schnell. 36 Stunden später durfte Yachten überhaupt nicht mehr einlaufen. Die wenigen, die vor Anker noch auf entsprechende Erlaubnis warteten, mussten ein paar Tage später frustriert wieder abfahren. Es folgte am 17. März die abendliche Ausgangssperre. Uns war es allerdings noch möglich, für drei Tage in ein nahegelegenes Naturreservat zu fahren.

Am 25. März, drei Tage nachdem wir zurückkamen gab es dann den kompletten Lockdown. Büro und Kiosk im Hafen wurden geschlossen. Wir dürfen nur noch (einzeln) an bestimmten Tagen zum Einkaufen das Hafengelände verlassen. Gut, dass wir wegen der anstehenden Pazifiküberquerung kurz zuvor reichlich gehamstert – äh gebunkert hatten.

Dann verkündete Präsident Duque, dass er sich mit den Ländern in der Region darauf verständigt hat, alle Grenzen bis mindestens 30. Mai zu schließen. Und selbst wenn es hier weitergehen würde: Die Passage durch den Panamakanal ist inzwischen ebenfalls extrem kompliziert und in Französisch-Polynesien erwartet Segelyachten in absehbarer Zeit vermutlich auch nur Abweisung, Zurückweisung, Ausweisung. Wir hörten von Crews die gezwungen wurden, ihre Boote zu sichern und per Flieger den Heimweg anzutreten. Obwohl sie mit der vierwöchigen Überfahrt von Panama alle Quarantänezeiten eigentlich weit übererfüllt haben.

Das war es also erstmal mit unserer Weiterfahrt und auch für unser „Sailing for the Planet“-Projekt wird es nun wesentlich komplizierter. Der erste Termin war für Panama geplant wo unser Partner, das ZMT sich um Kontakte bemüht hatte. Auch dies vorerst aufgeschoben. Wie sich die aktuelle Entwicklung auf die zukünftige Suche nach Interviewpartner auswirken wird, vermögen wir nicht abzusehen. Derzeit sind alle Planungen vergebene Mühe.

Bei allem Frust über diese Entwicklung ist uns aber auch klar, dass die meisten Menschen derzeit vor wesentlich größere Probleme gestellt werden. Und wir hatten mit unserer zeitigen Ankunft in Kolumbien noch Glück im Unglück. Viele unserer Segelfreunde sitzen derzeit nördlicher in der Karibik fest. Dort wo im Juni die Hurrikan-Saison beginnt. Besonders schlimm hat es diejenigen erwischt, denen das Einlaufen in Häfen verweigert wird. Sie hängen nun irgendwo vor Anker und dürfen nur einmal wöchentlich zum Einkaufen mit dem Dinghi an Land. Lediglich 36 Stunden trennten uns von solch einem Szenario.

Jetzt müssen wir die nächsten Wochen abwarten, ob wir es doch noch so durch den Panamakanal schaffen, dass für die Südsee ausreichend Zeit bleibt. Derzeit gehen wir aber davon aus, dass die Grenzen nicht vor Juni öffnen. Dann werden wir unsere Weiterfahrt auf Januar 2021 verschieben müssen. Sobald die Ausgangsbeschränkungen gelockert werden, können wir dann ausgiebig Kolumbien erkunden. Auch wenn dies eine Verlängerung unserer Segeltour von drei auf vier Jahre bedeutet – inklusive der damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Herausforderungen.

Wie es weitergeht, könnt Ihr bei Facebook, Instagram und YouTube verfolgen. Weiterhin findet Ihr (Dank Uta) alles was wir unterwegs erlebt haben im (fast) völlig unzensierten Blog der Mannschaft. Oder aber Ihr freut Euch einfach auf den nächsten Newsletter.

Bis dahin bleibt gesund und munter!

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