In einer komplett fremden Welt

Der Sudan ist das fünftärmste Land der Welt. Zumindest gemessen am BIP pro Kopf (nur Madagaskar, Südsudan, Sierra Leone und Schlusslicht Burundi liegen darunter). An der Küste sind wir fernab von bewaffneten Auseinandersetzungen, die Folgen der ständigen Bürgerkriege sind aber auch hier unübersehbar. Seit Jahrzehnten kommt es immer wieder zu Konflikten, das Land ist am Boden.

 

Die Ursachen sind neben ethnischen und religiösen Motiven, wie so oft in den Spätfolgen von Kolonialismus und der Gier nach Rohstoffen zu suchen. Fast niemand spricht hier Englisch; wir sind bei Unterhaltungen auf Gestik und Mimik sowie Smartphone-Übersetzungen angewiesen. Bei einer Bevölkerung von 47 leiden 18 Millionen laut der UN an Hunger. Hier an der Küste scheint die Situation besser zu sein. Wir haben gerade Ramadan und mit Sonnenuntergang sitzen die Männer (in fünf Tagen haben wir insgesamt erst vier Frauen gesehen) in Gruppen beim gemeinsamen Essen. Sobald wir vorbeikommen, werden wir herangewunken und sollen uns hinzusetzen. Wir haben dafür immer genügend Brot und andere Sachen zum Teilen dabei, trotzdem empfinden wir die extreme Gastfreundschaft schon fast beschämend. Selten haben wir so eine große Diskrepanz zwischen den Lebensverhältnissen und der (zumindest scheinbaren) Lebensfreude wahrgenommen. Wir sind in einer völlig anderen Welt – weit entfernt unserer Werte und Maßstäbe.

In der Nähe zu unserem Ankerplatz habe ich zufällig eine kleine Tischlerei entdeckt. Der Besitzer sprach ein wenig Englisch und ich erzählte ihm, dass wir quasi Kollegen sind. Für Gesprächsstoff war damit gesorgt. Haytham hatte das Handwerk bei seinem Onkel gelernt und dann noch einige Jahre dort gearbeitet. Anschließend war er sieben Jahre Polizist. Als er genügend Geld für eine eigene Werkstatt zusammen hatte, ging er wieder zurück in seinen alten Beruf. Stolz zeigte er mir seine aktuellen Arbeiten und ich fand es erstaunlich, was er mit den eingeschränkten technischen Möglichkeiten so alles anfertigen konnte. Ausgeliefert wird dann alles per Lastenesel. Als Dankeschön für das interessante Gespräch gab es von mir einen Zollstock inklusive einiger Kniffe und Tricks. Keine Ahnung, ob sie tatsächlich für ihn neu waren oder er nur aus Höflichkeit überrascht tat – wir hatten jedenfalls beide unseren Spaß.

 

 

 

 

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