Abschied

Seit anderthalb Jahren wussten wir, dass dieser Tag kommen würde. Uta muss wegen ihrer Arbeit zurück nach Deutschland. Dazu kam natürlich auch etwas Heimweh und der Wunsch, Kindern und Eltern wieder näher zu sein. Irgendwie hatte ich immer versucht, das zu verdrängen und zwischendurch ein wenig gehofft, dass sie es sich noch anders überlegen würde. Doch spätestens seit ihr Rückflug gebucht war, stand fest, dass Uta zurückfliegen wird. Ich hingegen konnte mir nicht vorstellen, die Weltumseglung aufzugeben oder für längere Zeit zu unterbrechen. Und jetzt müssen wir da eben irgendwie durch – auch wenn die lange Trennung sicherlich nicht leicht werden wird. Vermutlich wird Uta nach den Sommerferien ihren Urlaub  nehmen um mich in der Südsee zu besuchen. Aber bis dahin ist es eine verdammt lange Zeit.

Da unser Ankerplatz einige Fahrtstunden vom Flughafen entfernt war, beschlossen wir, einen Tag vorher anzureisen und unseren letzten gemeinsamen Abend gemütlich in Panama City zu verbringen. Uta wollte Weihnachten sowohl mit mir, wie auch mit der restlichen Familie verbringen. Der Flug wurde also auf den 25.12. gelegt. Im Nachhinein eine nicht so tolle Idee, denn neben den üblichen Feiertags-Einschränkungen wurde auch in Panama erneut ein Lockdown ausgerufen. Start 24.12. 19:00 Uhr. Wir hatten zwar ein Hotel in Flughafennähe gebucht, mit eigenem Shuttle direkt zum Abflugterminal, allerdings war völlig unklar, wie ich wieder zurück zu Daphne kommen würde.

Unsere Verabschiedung war weniger lang und innig als ich erwartet hatte. Wir waren beide viel zu sehr noch in dem Modus, dass bloß alles klappt und nicht doch noch in letzter Sekunde ein Problem wegen der Corona-Reisebeschränkungen auftaucht. Erst als ich wieder an Bord war, realisierte ich, dass sie jetzt tatsächlich für eine lange Zeit weg ist.

Doch zunächst einmal hatte ich ja noch eine absolut unklare Rückfahrt vor mir.  Am Flughafen gab es die Info, dass eigentlich nur Taxis fahren. Dafür, dass ich es nicht eilig hatte, waren mir 120 $ aber deutlich zu teuer. Auch hatten wir auf der Hinfahrt vom Hotel mit dem Shuttle einige Busse gesehen, so dass ich es erst einmal ohne Taxi versuchen wollte. Nach kurzer Suche fand ich einen Bus, der Flughafen-Beschäftigte zur nächsten Metrostation transportierte. Ich probierte einzusteigen, hatte Glück und fuhr mit. Sogar kostenlos, die Ticket-Automaten waren ja alle außer Betrieb.

Leider fuhr die Metro dann aber doch nicht. Noch nicht einmal – wie erhofft – mit Notfahrplan. Stattdessen ging es per Schienenersatzverkehr ins Zentrum. Nun, das kenne ich ja aus Brandenburg. Am Zentralen Busterminal war dann vorerst Endstation für mich. Alles dicht, wie ausgestorben, nur ein paar Angestellte und Polizisten die mich scheel ansahen. Ich versuchte, so unauffällig wie möglich herumzulaufen und dabei ein Taxi zu finden. Ohne Erfolg. Schließlich traf ich auf einen jungen Mann mit zwei Koffern der ebenso verloren umherirrte. Leider sprach er kein Englisch, wir schafften es trotzdem herauszufinden, dass wir die ersten 60 Kilometer Richtung Colon den gleichen Weg hatten. Als nach einer Weile schließlich doch noch ein Taxi auftauchte, nahmen wir es gemeinsam und teilten uns die Kosten. Die Straßen waren gespenstisch. So leer hatte ich es während der gesamten Corona-Krise noch nicht gesehen. Angenehmer Nebeneffekt: Wir kamen superschnell voran, zumal uns auch keine der zahlreichen Polizeistreifen zur Kontrolle anhielt.

Leider wollte unser Taxifahrer nicht nach Linton Bay fahren wo Daphne vor Anker lag. Irgendwie nachvollziehbar – schließlich war Weihnachten und seine Familie wartete zu Hause auf ihn. Ich stieg also in Sabanitas aus, wo wir schon auf der Hinfahrt den Bus gewechselt hatten und vertraute darauf, dass sich auch für die restlichen 50 Kilometer irgendwie eine Lösung finden würde.

Zunächst stand ich eine Weile ziemlich doof alleine auf einer großen Kreuzung herum. Nur vereinzelt fuhren Polizisten auf Motorrädern vorbei. Glücklicherweise ohne Notiz von mir zu nehmen. Als endlich ein Taxi auftauchte, fuhr es vorbei, die nächsten vier ebenso. Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt schließlich eines an. Der Fahrer schien etwas genervt, da mein Ziel wohl weiter entfernt war, als er vermutet hatte. Er gab sich nicht sonderlich Mühe, mein schlechtes Spanisch zu verstehen. Die Marina kannte er auch nicht. Es dauerte eine Weile bis er verstand wo ich hinwollte. Gut, dass ich die Preise für die Strecke kannte, da er zunächst einen total überzogenen Preis forderte. In meiner Situation konnte ich zwar nicht allzu kleinlich sein, den völligen Gringo wollte ich aber auch nicht abgeben. Er stimmte meiner Preisvorstellung schließlich zu, setzte sich dann allerdings demonstrativ beleidigt Kopfhörer auf – zusätzlich zur ohnehin schon lauten Musik.

Am Ende war ich froh, das Abenteuer „Rückkehr zur Daphne“ trotz aller Widrigkeiten in weniger als 4 Stunden geschafft zu haben und gab ihm ein ordentliches Trinkgeld. Es ist ja schließlich Weihnachten. Beim Aussteigen fragte ihn dann noch, wieviel Kinder er hat und gab ihm für alle drei jeweils noch einen Dollar extra. Und plötzlich konnte man sogar ein Lächeln unter seiner Maske erahnen.

Als ich endlich wieder an Bord war, hatte ich eine ziemlich bedrückte Stimmung. Und ich konnte noch nicht einmal mit Uta darüber reden – sie war jetzt schon einige Kilometer hoch über dem Atlantik. Unterwegs in die entgegengesetzte Richtung, die wir die letzten anderthalb Jahre lang gemeinsam gesegelt waren.

 

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