Utas Blog II – hier schreibt die Mannschaft (fast völlig) unzensiert

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Abschnitt 19 Von Santa Marta über Cartagena nach Panama – Linton Bay

Die 120 Seemeilen reißen wir wegen des guten Windes in nur 17 statt der kalkulierten 22 Stunden runter. Nicht schlecht für den ersten wirklich richtigen Einstieg nach 7 Monaten. 😃 Nur leider kommen wir dadurch bei Dunkelheit an. Der Plan, unterwegs den Wassermacher anzuwerfen, geht leider schief, er gibt keinen Mucks von sich. Das ist insofern ungünstig, weil wir extra mit fast leerem Tank losgefahren sind, um das schöne saubere Wasser unterwegs zu nutzen. Die Fehlersuche ist unter Segeln schlecht zu bewerkstelligen und so müssen wir sehr sparsam sein.

Marlon ist trotzdem begeistert, es ist sein erstes richtiges Segeln und dann noch mit Nachtfahrt, was er auch super meistert. Wir planen eine Woche zu bleiben, aber ich verrate es schon mal; es werden vier. 🙄 Die Einklarierung gleicht, trotzdem es eigentlich nur die übernächste Stadt ist, einem Kontinentenwechsel. Und wie immer, sind wieder einige Dinge mehr zu klären als gedacht. Dumm nur, dass wir an einem arbeitsfreien Sonntag ankommen und bevor nicht alles geklärt ist, das Boot nicht verlassen dürfen. Zum Glück bekommen wir gleich Besuch von Fizzy und Jack mit ihrem Dinghi die uns zumindest mit etwas frischen Trinkwasser versorgen. Der Frühstückskaffee ist also gesichert. Marlon stalkt währenddessen den Agenten, bis er endlich auch am Sonntag die Arbeit aufnimmt und wir schon am Nachmittag von Bord dürfen.

Als erstes machen wir einen Rundgang auf Cartagenas Festungsmauer, die komplett um die Altstadt herumgeht. Marlon steigt natürlich im Ibis ab, wo auch sonst. 😉 Da wir zufälligerweise heute auch noch Hochzeitstag haben, gehen wir in ein besonders schönes Café und genießen mit ihm ein leckeres Stück Möhrenkuchen aus kontrolliertem Anbau. Es ist schon erstaunlich, wie diese Entwicklung scheinbar inzwischen bis in aller Herren Länder vordringt.

Abends verabreden wir uns dann mit allen zum Essen. Oh wie schön ist es, Mareike und Thomas, Fizzy und Jack, sowie Julia und Steve wiederzusehen. Die SCOOTER liegt seit fast 4 Monaten auf dem Trockenen und versucht einige notwendige Arbeiten, für die sie eigentlich nur 6 Wochen einkalkuliert hatten, auszuführen. Eine Unzulänglichkeit zieht eine weitere nach sich, so dass beide zwischendurch zwar kräftig am Mithelfen und Motivieren der Arbeiter sind, aber langsam auch am Verzweifeln. Nichts klappt oder verhält sich so wie besprochen. Beim letzten Feinpolieren schafft es dann ein Arbeiter, so in den Anstrich rein zu schleifen, dass alles wieder runter muss. Und so vergeht ein Monat nach dem nächsten. Mit mehrfachen Zeitkorrekturen sind sie jetzt bei Ende Dezember und damit bei 7 Monaten.
Auch bei uns beginnt die Fehlersuche für den Wassermacher und es ist Gott sei Dank wie meistens bisher, nichts Großes. Die Kohlebürsten haben sich in der Führung leicht verkantet und müssen etwas justiert werden.

Cartagena ist wunderschön und wir liegen in der Ankerbucht davor. Die Stadt wurde 1533 von den Spaniern, nach der gleichnamigen Stadt in Spanien gegründet und benannt. Durch Sklavenhandel und regen Warenaustausch mit Europa, entwickelte sie sich zu einer der reichsten Städte in jener Zeit. Auch heute ist Cartagena sehr sehenswert mit seinen prächtigen Gebäuden und den gigantischen Festungsanlagen.

Das Wasser in der Ankerbucht ist leider so schmutzig, dass man nicht nur nicht baden kann, sondern auch innerhalb von wenigen Wochen das Unterwasserschiff zuwächst. Der Propeller und der Dinghiboden sind nach einer Woche grün bewachsen und unsere Ankerkette sieht aus wie eine Zuchtstation für seltene Algen. Die Boote, die hier den ganzen Lockdown liegen mussten, ähneln Korallenriffen. Wenn es dann noch stark regnet, entwickelt sich das Ganze zu einer regelrechten Kloake und stinkt entsprechend auch so. Für uns gibt es dann kaum eine Möglichkeit dem zu entkommen.


Zum Wassermachen sind wir dadurch gezwungen rauszufahren und nutzen gleich die Gelegenheit mal wieder vor Anker in einer schönen Bucht zu liegen, wo man vom Boot aus Baden kann. In Cholon liegt man wie in einem See mit kleinen Inselchen. Allerdings ist die Einfahrt hinein so schmal und flach, dass wir einmal leicht aufsetzen. Zwar ohne Schäden aber einen kurzen Schreck gab es dennoch. Gleich am nächsten Tag bekommen wir Besuch. Uns werden Fisch, Gemüse, Muscheln usw. angeboten. Als wir die Preise hören, fallen wir fast nach hinten um. Cartagena ist schon ein anderes Pflaster, was bis hierher zu merken ist. Cholon ist das nächste Ausflugsziel und man ist hier andere Kundschaft gewöhnt, als ein paar einfache Segler mit einem dreißig Jahre alten Boot. Da sie nicht lockerlassen, verhandeln wir schließlich ein Fischgericht für den nächsten Tag auf fast den halben Preis.

Morgens beim Frühstückmachen, ist der Kühlschrank auf einmal lauwarm. Um dem auf die Spur zu kommen, brauchen wir einige Zeit und stellen fest, dass es nicht, wie anfänglich gedacht, ein Defekt am Kühlschrank ist. Die Batterien sind leerer als angenommen. Die Anzeige rechnet nicht richtig und so waren die Akkus recht lange zu tief entladen. Auf Dauer bedeutet dies das sichere Aus für jede Batterie. Micha bekommt Panik und wir gehen nun doch in die Marina, um uns an Landstrom zu legen, der die Batterien mal richtig vollläd und um den Ladevorgang genau zu beobachten. Danach sind wir um einiges schlauer und Micha hat sich mit Thomas’ Hilfe beim Thema Batterietechnik noch einmal intensiv eingearbeitet. Auch das Projekt; flexible Solarmodule, entwickelt sich langsam, um den Energieverbrauch mit Kühlschrank, Wassermacher usw. ausreichend abzudecken. Das sollte aber nicht alles sein. Waren wir bisher weitgehend verschont von technischen Problemen an Bord, so beginnt nun auch bei uns, das eine oder andere auszufallen.

Wir verbinden den Hafenaufenthalt auch gleich mit dem schon längst überfälligen Riggcheck. Das heißt, wegen der Gewichtsverteilung muss ich hoch in den Mast und werde von Micha doppelt gesichert. In der Marina ist das natürlich wesentlich komfortabler als im Ankerfeld, wo sich leichte Schwankungen nach oben bis zum Mast natürlich vervielfachen.

 

 

Sichtlich entspannt fahren wir eine Woche später wieder in unsere Bucht, um ein weiteres Mal Wasser zu machen und uns ein paar Tage zu erholen. Leider zeigt sich schon am anderen Morgen das nächste Problem. Diesmal ist es die Toilette, die nicht mehr bereit ist mitzumachen. Micha baut das erste Rohr ab und die Diagnose sieht eindeutig nach Arteriosklerose aus, denken wir. Nach entsprechender Entkalkung funktioniert es unglücklicherweise immer noch nicht. Das Problem scheint also umfangreicher zu sein. 😒

Okay, also wieder zurück nach Cartagena und erneut in die Marina einlaufen. Eigentlich haben wir lange genug fest im Hafen gelegen während des Lockdowns und wollten jetzt die Finanzen an schönen Ankerplätzen etwas schonen. Aber was sein muss, muss sein. Es stellt sich sogar heraus, dass der Zeitpunkt in den Hafen zu fahren gar nicht so verkehrt ist, denn ein tropischer Sturm läuft sich gerade warm und ist im Anmarsch.

Aus ihm entwickelt sich fast über Nacht schließlich der Hurrikan Lota und schiebt sich an der Küste Kolumbiens vorbei, hoch nach Honduras. Wir spüren seine kräftigen Ausläufer in Form von viel Regen und starkem Wind. Es regnet den ganzen Tag und die Flut drückt so viel Wasser in die Stadt, dass sie teilweise nicht betreten bzw. befahren werden kann.

Gerade heute müssten wir uns aber um die Toilette kümmern und einen speziellen Schlauch kaufen. Jeder Tag in der Marina kostet Geld und dadurch stehen wir zeitlichen etwas unter Druck, wenn wir nicht wieder ewig hier bleiben wollen. Also entschließen wir uns barfuß durch die tiefsten Stellen zu waten, in der Hoffnung an der Hauptstraße ein Taxi zu bekommen.

Wir schaffen es tatsächlich und bekommen bei empfohlener Adresse auch einen Schlauch, der zwar kein Fäkalienschlauch ist, aber ein Kraftstoffschlauch tut es bestimmt auch und es bleibt uns ja nichts weiter übrig. Die Odyssee geht weiter, als wir nur noch ein Rohrendstück kaufen wollen. Alles eigentlich nichts Besonderes, was einem erst bewusst wird, wenn man eben kein OBI um die Ecke hat. Michas Kopfkino wird wieder gespeist mit: Was ist,  wenn das im Pazifik passiert?“ Da bekommt man mit Sicherheit schon weniger komplizierten Teile nicht mehr wirklich.

Lota zieht an uns vorbei während wir im sicheren Hafen liegen. Wir nutzen den Marinastopp für viele notwendige Erledigungen, in klassischer Rollenverteilung; Micha baut die Toilette mit neuem Ventil und falschem Schlauch wieder zusammen, ich wasche Wäsche und nutze ausgiebig die selten gewordenen Gelegenheiten der sanitären Anlagen. Zwei Tage später liegen wir wieder in der zwar schmutzigen aber wunderschönen Bucht von Cartagena.

Die Kloake hält die Menschen hier nicht davon ab, mit dutzenden Ausflugsbooten, von Freitag bis Sonntag quer durch die Bucht zu schippern und sie mit lautstarker Musik zu überfluten. Man hat das Gefühl, sie müssten jetzt die versäumte Zeit nachholen. Einen Vorgeschmack hatten wir ja schon in Santa Marta, hier jedoch umkreisen sie uns so dicht, als wollten sie anlegen.

Die Engländer Fizzy und Jack liegen mittlerweile auch auf dem Trockenen und wollen sich trotz des etwas enttäuschenden Beispiels der SCOOTER auch auf Vordermann bringen lassen. Ihr Plan war etwa drei Wochen, mittlerweile liegen sie auch schon drei Monate dort. Wie dem auch sei, ihre Gelassenheit diesbezüglich, sorgt für eine kleine Abwechslung auch für uns anderen. Sie müssen sich wegen Innenarbeiten für zwei Wochen ein Apartment mieten und laden zum Baden direkt vor dem Haus und zum Abendessen in den 19. Stock ein. 😉

Auch wir fangen noch eine kleine Baustelle an, und zwar lassen wir unser Bimini mit diversen kleinen Sonnen- und Regenschutzraffinessen erweitern. Yorman macht das so gut, sodass wir jedes Mal wieder eine neue Idee haben, bis dahin, dass wir sogar unser seitliches Mückenfensterproblem von ihm erledigen lassen. Dazu müssen wir ihn jedes Mal mit dem Dinghi vom Dock abholen, dann wird alles angepasst und einige Male mit zurückgenommen sowie überarbeitet. Das nimmt wieder ganze Tage ein, da ja genaue Uhrzeiten hier nicht so „Überbewertet“ werden wie bei uns. 😃

So vergehen die Tage und aus Tagen werden nochmals Wochen. Zwischendurch genießen wir immer mal wieder die tolle Altstadt, besichtigen Museen, Festungen und die schönen Straßenzüge mit ihren bunten Häusern. Es gibt aber auch Ecken, die man tunlichst meiden sollte, wie z.B. da, wo sich die Werft unserer Segelfreunde befindet. Das Personal dort ist ganz selbstverständlich bewaffnet und ein hoher Stacheldrahtzaun soll die Anlage schützen. Laut Mareike hört man manchmal auch draußen Schüsse. Taxifahrer weigern sich hin und wieder in diese Gegend zu fahren oder kennen sie einfach nicht. Es gibt noch die Möglichkeit über den Wasserweg mit dem Dinghi, macht aber auch nicht wirklich Spaß.

Trotzdem machen wir uns noch einmal zu einem Besuch in diese Gegend auf, um einige Dinge gemeinsam zu besprechen, wie z.B. die Weiterfahrt oder Routenplanung und natürlich um zusammen zu Abend zu essen und zu spielen. Unser Taxifahrer ist bereit, uns dorthin zu bringen, findet aber nicht richtig die Adresse und will uns irgendwie in der Nähe aussetzen. Ein Blick nach draußen reicht, um darauf zu bestehen, direkt vor der Tür auszusteigen. Weiter geht’s über die furchtbar holprige und verdreckte Straße, bis ich endlich das Hochsicherheitstor wiedererkenne. Mittlerweile ist es schon fast dunkel und auf unser Klingeln passiert nichts. Unruhig versuchen wir telefonisch auf uns aufmerksam zu machen, bevor es andere werden und nach einer gefühlten Ewigkeit kommt endlich Thomas und erlöst uns. 😮

Steve und Julia mussten wir schon vor Tagen verabschieden, sie sind nun endgültig in Richtung USA unterwegs. Wir werden sie wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen. Ihr Ziel ist Florida und so müssen sie mit ihrem Motorboot mal eben 1.000 Seemeilen zurücklegen. Dort wollen sie ihr Boot verkaufen und in einen Caravan umtauschen. 😒

Auch wir wollen bzw. müssen langsam mal weiter. Dazu kontaktieren wir erneut unseren Agenten um auszuklarieren, diesmal ja nun wirklich nach Panama. Alles wieder komplizier als notwendig. Unter anderem müssten wir einen Covid-Test machen. Da wir aber wissen, dass bei der Einreise nach Panama ein Test verlangt wird, verstehen wir mal wieder nicht ganz die Covidlogig. Unterwegs treffen wir ja niemanden. Da es einigen Aufwand sowie Geld kostet, und nicht gerade angenehm sein soll, lassen wir nicht locker und wollen ein offizielles Dokument sehen, dass es eine Voraussetzung für die Ausreise ist. Daraufhin ist das Thema interessanterweise vom Tisch und plötzlich geht es auch ohne. Wir bekommen in den nächsten Tagen unsere Papiere und müssen gar nicht so viel zahlen wie befürchtet. Die Unterschiede für Agenten sind erheblich und schwanken zwischen 60$ und 200$ für die gleiche Arbeit.

Nun ist es aber wirklich der letzte Einkauf in Kolumbien. Ich habe immer das Gefühl, noch nicht alles zu haben, aber die Vorratsschränke platzen aus den Nähten, mehr geht einfach nicht. Einige Male hatten wir auch Baumärkte usw. nach brauchbaren Teilen durchstreift. Mareike und ich, hatten auch die hiesigen Malls unsicher gemacht. Am Ende zwar immer nur mit nützlichen Kleinigkeiten befrachtet wieder verlassen aber Unnützes passt leider nicht an Bord und lässt sich auch nicht wirklich vor unseren Skippern verheimlichen. 😆 Wichtiger als das Shoppen waren aber ohnehin unsere Gespräche und das leckere Eis mit dem Cappuccino.

Kurz bevor wir die Bucht von Cartagena verlassen, stoppt uns die Armada (Küstenwache). Wir zeigen brav alles was wir haben; unsere Zarpe, incl. Bootspapiere und unsere Pässe. Derweil manövriere ich DAPHNE langsam im Kreis, während die Papiere scheinbar auf Herz und Nieren geprüft werden. Nach 15 Minuten werden wir etwas unruhig, nach 30 Minuten machen wir uns langsam Gedanken, nach einer Stunde Im-Kreis-Fahren machen wir uns Sorgen, dass evtl. wirklich etwas nicht stimmt. Vielleicht doch der fehlende Covidtest??? Nach 1,5 Stunden wissen wir, dass wir nicht mehr im Hellen Ankern werden und befürchten vielleicht sogar noch nicht einmal ausreisen zu dürfen. Uns geht alles Mögliche durch den Kopf; vielleicht hat es mit den Lebensmittelverteilungen zu tun, dem Überfall in Bogotá oder ich wurde mal nachts von der Polizei angehalten, als ich mir für die 3 Schritte in die Marina kein Taxi nehmen wollte. Marlon hatte uns erzählt, dass man wohl nicht immer Strafzettel bekommt, sondern sich selber auf der Polizei erkundigen muss, ob gegen einen etwas vorliegt. Spätestens wenn man das Land verlässt, wird das natürlich geprüft und da haben manche schon ihr blaues Wunder erlebt.

Schließlich preschen sie mit ihrem Schnellboot wieder an uns heran, ratschen uns zwei Schrammen in die DAPHNE und kommen mit ihren schweren Stiefeln zu uns rüber. Trampeln durch alle Kajüten, reißen alle Schränke auf, fragen Micha ob er raucht und wundern sich, dass aus fast jedem Schapp Coladosen fallen. Sie finden scheinbar nicht was sie suchen oder erwarten und trampeln wieder zurück. Wir dürfen nach fast zwei Stunden endlich unsere Fahrt fortsetzen und schlängeln uns am Ende im Dunkeln durch die schmale Einfahrt zu unserem gewohnten Ankerplatz.

In der schönen Bucht von Cholon wird wieder ein Zwischenstopp eingelegt und erholt von den Strapazen. 😉 Nachts bekomme ich Kopfschmerzen und bin am nächsten Tag etwas krank. Wie gut, dass wir sowieso gemütlich Richtung Panama fahren wollen und keinen Zeitdruck haben. Ich quäle mich auch noch die nächsten Tage mit etwas Fieber und Grippeerscheinungen. Vielleicht hätte ich doch den Test machen sollen? Besser nicht, weil sie sonst hier richtig ausflippen, wenn man positiv sein sollte. Es geht nach einigen Tagen auch schon besser und wir machen uns endgültig auf den Weg nach Panama um die Boote aus unserer Santa Marta Gruppe wieder einzuholen, die vor uns losgefahren sind.

Die Überfahrt soll ca. 2 -3 Tage in Anspruch nehmen. Die Windvorhersagen sind nicht gerade vielversprechend, doch haben wir wieder großes Glück und sausen in 42 Stunden durch. Ich muss also nur 1,5 Nächte ohne ordentlichen Schlaf durchhalten. Dennoch, als wir ankommen, fühle ich mich wieder etwas schwach und krank. Als dann tatsächlich noch Geschmacks- und Geruchsverlust dazukommen, werde ich doch etwas nervös und gehe in selbstauferlegte Quarantäne bis ich das Gefühl habe, alles ist wieder in Ordnung.

Micha geht es glücklicherweise bestens und er regelt alles Wichtige für uns. Das Einreiseprozedere hat es wieder in sich. Wir entschließen uns für 14 Tage Quarantäne, anstatt für den Test, weil ich sowieso nicht von Bord möchte. Auf zwischenzeitliche Nachfrage heißt es dann aber doch wieder, ein Test sei notwendig und von Quarantäne weiß niemand etwas. Auch unsere vermeintlich obligatorische Mail ans Gesundheitsministerium verschwindet im Nirwana. Auf jede Frage bekommt man eine andere Antwort, so, dass wir in den 14 Tagen Quarantäne nur mit den Anmelde- und Einreiseformularien zu tun haben. Zu allem Überfluss wechselt dann noch das Personal im Immigrationsbüro, von einer kompetenten Dame zu einem ca. 20-jährigen „Rapper“. Der hat scheinbar nach einer dreiwöchigen Ausbildung seinen ersten Arbeitstag und entwickelt sich noch zu einem zusätzlichen Klotz am Einreisebein. Nach ungewissen 15 Tagen fast täglichem Erkundigen, Emailschreiben und diversen Anrufen bekommen wir dann endlich vom „Rapper“ den ersehnten Stempel. Seine Unkenntnis lässt er sich dann ganz selbstverständlich mit 20$ ohne Quittung honorieren. Als Micha erfährt, dass niemand sonst zuvor etwas im Immigrationsbüro bezahlt hat, wird er recht ungehalten und der nun nicht mehr ganz so coole Junge, gibt ihm etwas verärgert und eingeschüchtert  das Geld zurück. 😂

Endlich dürfen wir offiziell an Land und erforschen die wunderschöne Buch mit dem Dinghi. Zuerst geht es zu den Affen, dann durch einen Mangrovenkanal in die nächste Buch. Immer wieder muckt unser Außenborder, wieder so ein heikles Thema, weil vor Anker ist man einfach auf ihn angewiesen. Nach mehreren kleineren Fehlerquellensuchen muss Micha schließlich den gesamten Vergaser auseinandernehmen und reinigen. Es hatte sich scheinbar Wasser im Tank angesammelt und war nun überall verteilt. 😮

In der Bucht in Linton Bay, kann man vor Anker liegen oder in die Marina fahren. Die Ausstattung ist sehr einfach gehalten aber es gibt alles was man braucht. Jeden Tag kommt ein Gemüsewagen vorbei, wo man auch Brot, Fisch und Fleisch bestellen kann. Alle Segler treffen sich in dem kuriosen Café auf dem Marinagelände, was von einem skurrilen Amerikaner betrieben wird. Man sitzt auf verrosteten Stühlen an wackligen Tischen unter denen verlauste Hunde liegen und hört alte US-Songs aus den 60er und 70er Jahren. Tresen und das Hinterland bestehen aus einem Sammelsurium von Möbeln, wie alte Wohnzimmertische mit entsprechender Tischdecke, Regalwänden oder merkwürdigen Schränken. Im Hintergrund befindet sich eine offene Küche, in der gelegentlich Snacks zubereitet werden. Das Ganze ist mit komischen Zeug dekoriert, was sich so in den Jahren zusammengetragen hat. Diese spezielle Ansammlung ist provisorisch reingestellt in eine offene Baustelle, die schon seit Jahren einmal ein nettes Café werden wollte. 😆 Den ganzen Tag bis zum Abend kann man in diesem ‘Café‘ verbringen mit homeschooling, telefonieren, schwatzen, essen und Pläne schmieden. Das erste Bier wird oft schon vor 12 Uhr geöffnet und zum Feierabend wird alles offenstehen gelassen, um am nächsten Tag genau so weiter zu machen.

Hier treffen wir neben den Portugiesen, die Franzosen Esther und Thierry sowie zwei andere Boote aus Santa Marta wieder. Außerdem lernen wir zwei weitere Deutsche kennen, jeweils Familien mit zwei bzw. vier Kindern. Es ist wieder eine nette unkomplizierte Gemeinschaft; man verabredet sich, informiert und hilft sich untereinander.

In Panama regnet es wesentlich mehr und die Luftfeuchtigkeit ist ziemlich hoch, so dass die Sachen nicht mehr richtig trocken werden, trotz der Wärme. Und zu allem Überfluss entdecke ich im Schein der Taschenlampe unter Deck, an einigen Stellen eine Schimmelschicht auf dem schönen Holz der DAPHNE. Panisch schauen wir in alle Schränke und siehe da, einiges im Kleiderschrank hat schon angefangen zu schimmeln. Manches ist tatsächlich nicht mehr zu retten, wie z.B. Gürtel oder Schuhe mit Metall. Etliches ist schon so zerfressen, dass man es nur noch entsorgen kann.
Dafür ist es nicht mehr ganz so heiß, man kann sich sogar abends ein T-Shirt überziehen und sich nachts wieder unter eine dünne Decke kuscheln.

Nachdem wir die etwas komplizierte Einreiseprozedur nach Panama gemeistert hatten und nun auch die teure Segelerlaubnis haben, kann es endlich losgehen. Auf zum letzten gemeinsamen Segeltörn nach San Blas. Man könnte es auch Ankunft im Paradies nennen. Nicht, dass wir unterwegs nicht auch schon in paradiesischen Ecken gewesen wären, aber San Blas steht auch in allem Umfragen unter Langfahrtseglern auf Platz zwei nach dem Südpazifik. Und da ich mit großer Wahrscheinlichkeit dort nicht mehr so schnell vorbeikommen werde, stand dieses Ziel natürlich auch auf unserer Wunschliste, vor allem auf meiner.

Leider sind die San Blas Inseln nicht ausreichend detailliert genug kartiert. Wir können also nicht auf die Navigationskarten, mit denen wir bisher unterwegs waren zurückgreifen. Hinzu kommt, dass die Inseln von weitläufigen Riffs umgeben sind, deshalb halten sich die flachen Eilands tapfer gegen die manchmal stürmische Brandung. Das ist auch der Grund, weshalb es eine wunderschöne und reichhaltige Unterwasserlandschaft mit Korallen, Muscheln und vielen verschiedenen Fischen, sowie auch Haie gibt.

Zwischen den Inseln liegt man ruhig vor Anker, wie in einem See, während drumherum laut die Brandung tost. Man muss sich also alles vorher genau in einem speziellen Revierführer ansehen und mit viel Aufmerksamkeit navigieren, vor allem, wenn man sich den Inseln nähert. Ich gehe zusätzlich nach vorn und halte Ausschau. Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man nicht weit von sich entfernt Wellen überschlagen sieht. Ein sicheres Zeichen dafür, dass es definitiv zu flach ist für uns. Auch die Wasserfarbe gibt über die Tiefe Auskunft. Je schöner und türkisfarbener umso flacher ist es.

Schließlich liegen wir zwischen zwei wunderschönen kleinen Inseln voller Palmen und schmalem Strand vorn. San Blas gehört den Kuna Indianern, die zwar teilweise noch recht ursprünglich leben, aber doch schon an den sanften Tourismus gewöhnt sind. Auch hier, wie fast überall, ist nichts los. Beide Inseln sind bewohnt und so trauen wir uns nicht mit unserem Dinghi anzulanden. Normalerweise kommen sie mit ihren Holzbooten zu den Seglern gefahren und bieten ihre Waren, meist Fisch oder Gemüse an. Es herrscht ein kleiner Verkehr zwischen den beiden Inseln, auch sehen wir Fischer nach Lobstern tauchen im Riff, aber außer einem freundlichen Grüßen kommen wir uns nicht näher. So bleiben wir einfach auf dem Boot, gehen mal baden und genießen und beobachten die Inselwelt.

Unsere zweite Station in San Blas sind die Holandes-Inseln in deren Mitte sich wieder ein Becken befindet was Swimmingpool genannt wird. Die Wassertiefe beträgt fast durchweg 3-4 Meter und je nachdem wie die Sonne auf dem Wasser steht, ist es türkisfarben wie im Schwimmbecken.
Die anderen hatten uns schon darauf aufmerksam gemacht, wo man gut ankern kann und dass es hier auch Haie gibt. Es handelt sich aber um eher harmlosen Arten wie Riff- oder Ammenhai.
Wir sind natürlich sehr gespannt und springen sofort in das verlockende Nass, wo man bis auf den Grund schauen kann. Also gleich mit Taucherbrille zum Schnorcheln rein und Micha taucht wie meistens, erst mal die ca. 30 Meter lange Ankerkette ab. Ich schnorchle nur ums Boot und betrachte die Unterwasserwelt interessiert. Es dauert nicht lange, und ich sehe nicht weit von mir entfernt einen ca. zwei Meter großen Hai durch die Brille. 😮 Etwas panisch halte ich mich an der Ankerkette fest und sehe erleichtert, dass er wegschwimmt. Dann taucht auch Micha etwas unruhig auf um mich vor dem Hai zu warnen, aber ich hatte ja bereits Bekanntschaft mit ihm gemacht. Er hatte ihn schon am Anker getroffen und als er sich umdrehte sahen sie sich beide Aug’ in Aug’ an und schwammen die 30 Meter fast parallel zurück. 😮

Normalerweise sind die Inseln gut besucht von Seglern, aber im Moment liegen nur vier Boote hier. Schnell lernen wir die anderen kennen und treffen uns auf einer der Inseln zum gemeinsamen Essen mit der dort ansässigen Kuna-Familie. Das Eiland ist in nur 15 Minuten einmal zu Fuß umrundet. Hier klappt die Versorgung sehr gut, uns werden Fische und Kürbisse angeboten sowie Brot aus Kokosmehl. Am nächsten Tag durften wir dann gegrillten Leguan kosten. Hier offenbar ein normales Gericht. Manche Segler bringen wiederum den Kunas Dinge des täglichen Bedarfs mit und bauen dadurch eine freundschaftliche Beziehung mit ihnen auf.

Auf der dritten Inselgruppe, treffen wir die Franzosen und das deutsche Boot MOMO mit den vier kleinen Kindern wieder. Ein letztes Mal wollen wir gemeinsam frisch gefangenen Fisch aus dem Meer essen und hoffen auf unseren versorgenden Kuna. Am Morgen kommt er vorbei und hat nur Lobster in seinem Boot. Wir erstehen einen, sind aber mit der Zubereitung etwas überfordert. Fisch wäre für uns einfacher gewesen, Lobster hatten wir noch nie selbst zubereitet. Mit Hilfe der Anderen klappt das schließlich, was so ohne spezielles Werkzeug recht schwierig ist.

Dann heißt es mal wieder Abschied nehmen. Schließlich benötigen wir für die Rückfahrt einen ganzen Tag und ich werde auch langsam etwas nervös. Vor allem als ich höre, dass Panama über Weihnachten in einen kompletten Lockdown geht. Der Buschfunk sagt; es soll nichts mehr fahren, kein Bus, kein Taxi, gar nichts. Die Panamaer feiern am 25. Weihnachten und an diesem Tag geht auch mein Flug. Unsere Planung schon am 24. aufzubrechen um nach Panama Stadt zu gelangen, stellt sich nun als sehr weise dar. Ich wollte, dass wir uns an unserem letzten Abend im Hotel verwöhnen lassen können und damit keinen Reisestress mehr haben.

Wir haben Glück, dass am 24. Dezember noch Busse bis 19 Uhr fahren, was für uns heißt, anstatt 120$ für ein Taxi nur 15$ für den Bus ausgeben zu müssen. Wie Micha dann am 25. nachdem er mich abgegeben hat, wieder zurückkommt, steht noch in den Sternen und wird eine andere Geschichte.
Wir machen uns also mit meiner Tasche, genau 25kg und 8kg Handgepäck auf den Weg. Nicht ohne, dass der Dinghimotor noch einmal muckt und Micha noch schnell etwas improvisieren muss. Dann die große Spannung am Bus, ob er wirklich fährt. Ja er kommt, sogar fast pünktlich und es geht los nach Panama-City. Die Fahrt dorthin soll ca. vier Stunden dauern. Es ist fast vorauszusehen, dass man noch mindestens zwei Stunden dazu addieren darf. Aber wir haben es ja Gott sei Dank nicht eilig und mittlerweile eine Engelsgeduld 😎 ich fliege ja erst morgen. Am Umsteigebahnhof scheint sich noch einmal ganz Panama auf den Weg gemacht zu haben, um noch rechtzeitig vor dem Lockdown, ihre Verwandten und den Weihnachtstisch zu erreichen. Also sind Himmel und Menschen unterwegs, aber trotz 25kg Tasche finden wir schließlich den richtigen Bus und ergattern die letzten zwei Plätze.

In Panama-City geht die Suche weiter; wie kommen wir zum Flughafen bzw. Hotel? Das Ergebnis entscheidet auch wieder zwischen 1,50$ oder 40$ fürs Taxi. Mithilfe des freundlichen Personals finden wir den richtigen Bus, landen schließlich gegen 16 Uhr in unserem Airporthotel und gönnen uns mit dem Eingesparten ein schönes Weihnachtsmenu. 😍

Am nächsten Morgen wird es nun wirklich ernst, uns ist mulmig und traurig zumute. Wen wundert’s? 18 Monate pures Abenteuer sind nun für mich vorbei, sowie fast ununterbrochene Zweisamkeit, die wir doch sehr gut gemeistert haben. Die Aufgabenverteilung nicht nur an Bord, sondern auch die Kommunikation mit Familie und Freunden, Steuern und andere Anfragen, Sprachen usw. waren gut verteilt, jeder nach seinen Interessen und Können. Das alles war ein Prozess und muss mit neuen Bordmitgliedern erst einmal wieder eingeübt werden. Es ist ein Abschied ganz besonderer Art; alles ist offen, wir wissen nicht wann und wo wir uns das nächste Mal wiedersehen, nichts Genaues kann wirklich geplant werden und das macht es uns nicht wirklich leichter. 😥

 

Micha macht sich, ohne zu wissen wie das im Lockdown eigentlich funktionieren soll, auf den Weg zurück und hat damit sein eigenes kleines Rückreise-Abenteuer.

Ich bleibe bis zum Schluss etwas unruhig, ob nicht doch am Schalter noch Unterlagen oder sogar ein Test fehlen. Ich hatte vorher eine Menge überflüssiger Informationen gelesen aber konkrete Corona-Maßnahmen zu meinem Flug waren nicht dabei. Der riesige Flughafen ist sehr übersichtlich besucht, von den mindestens 40 Schaltern sind zwei offen und entsprechend Menschen unterwegs. Um es kurz zu machen, ich hatte alles dabei, der Flug geht pünktlich und mein Flugzeug ist nur zu einem Drittel ausgelastet. So können wir alle zusätzlich zwei Plätze belegen bzw. uns auch mal ausstrecken. Mit Türkisch Airlines geht’s natürlich über Istanbul und auch der Anschlussflug klappt perfekt. Zum ersten Mal lande ich auf dem BER. Ein sehr schöner Flughafen wie ich feststelle und ebenso leer wie in Panama.

Am vollsten ist noch das Covid-Center am Flughafen, wo ich mich nun endlich freiwillig testen lassen möchte. Man weißt mich allerdings freundlich ab, heute wäre es zu voll. Also gut, ich werde jetzt nicht anfangen mich über irgendetwas zu wundern. Am wichtigsten ist, dass ich es geschafft habe und meine beiden Kinder mir schon zuwinken. Mit dem Taxi geht’s direkt zu meinen Eltern an die Weihnachtsgans. Gut, dass Hendrik noch Schnelltests mithatte. 😜

 

 

Abschnitt 18       September – Ende des Lockdowns

 Wir glauben es nicht, der Lockdown soll wirklich zu Ende sein??? Die ganze Zeit waren die Zahlen nicht der Rede wert und jetzt, wo sie quasi durch die Decke gehen, argumentiert man so unsinnig belanglos wie vorher übertrieben, als hätte sich alles plötzlich im Nichts aufgelöst. Egal, wir sind mürbe und wollen uns endlich wieder frei bewegen können, ohne schlechtes Gewissen, meist mit falscher Passnummer für den Tag, um Einkaufen zu dürfen, oder einfach mal nur raus zu kommen. Jack hatte sich dazu einer cleveren Idee bedient, indem er seinen eingescannten Pass gleich jeweils mit Nummern für alle Wochentage versehen hatte.

 Trotz der Freude macht sich ein kleines Unwohlsein breit. Seit sechs Monaten sind wir in unserer geschützten kleinen Welt, vertraut mit ziemlich überschaubaren Abläufen, wie sonst auf unserer gesamten Reise nicht. Ich stelle es mir ein wenig so vor, wie wenn man kurz davor steht aus dem Gefängnis freizukommen und plötzlich Angst vor dem Leben draußen hat. Wir müssen den geschützten Hafen mit den wenigen einfachen Regeln verlassen und vor uns bereiten sich wieder alle Möglichkeiten dieser Welt aus. Was eben heißt; in Bewegung kommen, planen, recherchieren, entscheiden…. Micha weigert sich jedenfalls noch eine ganze Weile, an einem anderen Tag als mittwochs, seinem Einkaufstag seit 5 Monaten, raus zu gehen. 😉

 Wir machen uns am nächsten Abend auf den Weg, um zu gucken, was so los ist und vielleicht sogar eine Kleinigkeit zu essen. Wir finden zwei offene Restaurants und landen schließlich in einer Pizzeria im Außenbereich, die wir unter normalen Umständen nie aufgesucht hätten. Aber ausgehungert, wie wir sind – in mehrfacher Hinsicht- lassen wir die Anamnese sowie Passkontrolle, die einem Einreisecheck gleichkommt, über uns ergehen. Dann bekommen wir Alkoholfreies in Plastikbechern, Plastikbesteck und kleine Plastiktüten für unsere Topabocas (Masken). Der erste Ausgang ist ähnlich freudlos wie seit sechs Monaten tagsüber. Ein wenig waren wir darauf vorbereitet und haben uns gegen die Trostlosigkeit vorsorglich einen Rum zur Gemütsaufhellung sowie Geschmacksverbesserung mitgenommen. 😉

 Drei Tage später wagen wir den nächsten kleinen Spaziergang durch die Straßen um eine Datenkarte zu besorgen, schließlich könnte es ja sein, dass wir bald noch einmal richtig was unternehmen. Die Geschäfte auf der Hauptverkehrsstraße sind geöffnet und jetzt darf man sie auch wieder betreten. Wir würden gern mal wieder einen richtigen Kaffee oder Cappuccino trinken und suchen zunächst vergebens ein Café. Schließlich finden wir doch etwas ähnliches und genießen unseren ersten Cappuccino seit fast 6 Monaten.

 Wir können auch endlich unsere Tour nach Minca machen, geplant war sie ja schon länger um auch dort Lebensmittel zu verteilen. Zum zweiten Mal geht es in die Berge, aber diesmal richtig. Man merkt gleich, das Klima wird anders, es regnet hier jeden Tag. Also auch richtig Regenwald, mit 8 Grad weniger als in Santa Marta. Uns fröstelt sogar etwas, als wir ankommen und erst einmal klitschnass werden. Das sind wir, seit dem Atlantik nicht mehr gewohnt.

 Wir übernachten in einem Hostel mit traditionellen Hütten. Die etwas offene Bauweise ist uns ja bereits vertraut, hier ist es nun noch etwas urtümlicher. Man kann einfach nur in einer Hängematte unter einem Strohdach schlafen oder in einer winzigen vorn offenen Hütte mit einem Bett unter Mückennetz. Nur durch einen schmalen Vorhang geschützt, der den täglich starken Regen abhält. Es sieht wunderbar romantisch und natürlich aus, für mich aber eindeutig zu schlicht. Unsere Hütte ist etwas größer und hat wenigstens eine Tür. Davor befindet sich eine Blattschneide Ameisenstraße, über die wir immer vorsichtig rüber steigen. Unermüdlich tragen sie Tag und Nacht ihre Blätter auf dem Rücken davon.

Als wir unser Moskitonetz hinterm Bett hervorholen, rennt eine sehr schöne, doch für unseren Geschmack zu große Spinne drüber hinweg und bleibt seitlich im Netz hängen. Wir drei starren uns gegenseitig an und keiner traut sich mehr sich zu bewegen. So stehen wir eine Weile etwas ratlos herum. Da es aber bald dunkel wird und sie sich dann bei uns besser auskennen wird als wir, müssen wir handeln. Sie ist etwas zu groß, als dass ich mir eine Nacht mit ihr das Zimmer teilen möchte. Selbst Micha fällt im Moment nichts ein um sie möglichst nicht zu verärgern und lebend aus dem Zimmer zu bekommen. Schließlich hole ich den jungen Mann von der Anmeldung herbei, während Micha Wache schiebt. Diese Kleine hier, meint er etwas amüsiert und fängt sie geschickt in einem Pappkarton. Argwöhnisch inspizieren wir die kleine Hütte, finden aber weiter nichts Bedrohliches.

Zu den sanitären Anlagen, sind es ein paar Meter über stark bewurzelten Wald, mit nach oben offenen Duschkabinen. Ich bevorzuge es im Hellen zu duschen um möglichst wenige ungebetene Gäste mit dabei zu haben. Die erste Dusche ist bereits besetzt mit einem handgroßen Grashüpfer. Ich entschuldige mich und nehme die Nächste. Ich brauche wieder etwas Zeit, mit der dominanten Natur klar zu kommen. Tagsüber wunderschön aber in Gedanken bin ich schon nach 18 Uhr und mein Kopfkino bietet mir seine Bestseller an, einige Vorlagen hatte ich ja schon.

 Trotzdem und unerwartet schaffe ich es, zwei Nächte vollkommen unbeschadet zu überstehen 😊und wir genießen eine wunderbare Wanderung in die Berge hoch. Zwei Stunden geht es aufwärts und wir begegnen unterwegs riesigen blauen Schmetterlingen und zwei roten Brüllaffen. Micha ist in seinem Element und fotografiert unentwegt. Oben werden wir von Maria erwartet, die dort ein einfaches Hostel betreibt und ein bisschen Heilkunst und Entspannung anbietet. Mit ihr lebt ganz eng eine indigene Koge-Familie, in ihren klassischen Hütten. Es dauert zwei Tage diese mit den hiesigen Materialien aufzubauen und wenn sie weiterziehen, wird sie bald wieder eins mit der Natur. Wir sehen die Mädchen schon vorher, wie sie Kräuter sammeln. Die kleine Christina läuft barfuß neben uns her und begleitet uns interessiert.

 In den Hütten halten sich die Bewohner nur zum Schlafen auf, ansonsten sind sie den ganzen Tag über draußen unterwegs. Die Männer schlafen in Hängematten, Frauen und Kinder auf dem Boden, weil sie einen engeren Bezug zu Muttererde haben, erklärt uns Maria. Sie sind rund und fast stockdunkel. Die Wände enden kurz unter dem mit Palmwedeln gedeckten Dach und lassen ca. zwei Handbreit frei, damit der Rauch, der von der Feuerstelle in der Mitte kommt, abziehen kann. Das hat den Effekt, dass das Palmendach ausgeräuchert und konserviert wird und sich dadurch kaum Insekten darin halten. In den nachgebauten Hütten geht das natürlich nicht so, diese müssen in regelmäßigen Abständen chemisch behandelt werden.

Sobald wir oben angekommen sind, geht ein wolkenbruchartiger Regen los, der uns in Sekunden klitschnass hätte werden lassen. Das Problem mit dem Regen ist nicht nur nass zu werden, sondern, dass auch manchmal Wege oder Straßen einfach nicht mehr zu passieren sind, dann geht  nur noch abwarten denn Alternativen gibt es hier kaum. Die Menschen sind darauf eigestellt und bringen die entsprechende Geduld mit, für uns natürlich komplett befremdlich. 😉

Es wird gleich noch kühler und etwas düster. Maria hat währenddessen zu kochen angefangen und wir inspizieren interessiert das Haus und die wenigen Gegenstände. Es gibt nur praktische Dinge wie Betten, Stühle und einen Tisch darin. Es ist für hiesige Verhältnisse sehr solide aus Stein gebaut. Aber auch hier ist fast alles offen und man lebt eins mit der Natur. Sogar die Wände haben ein kleines durchbrochenes Steinmuster und die Spinnenweben dienen als natürlicher Moskitoschutz.

Diese recht großen Radnetzspinnen hängen um das ganze Haus herum und halten das Haus so mückenfrei. Eigentlich ganz praktisch und auch hübsch anzuschauen, wenn man nicht gerade nachts mal durch sie durchmuss, vor allem ich mit meinen Haaren. 😉  Als sie uns dann das Holzhaus für die Gäste zeigt, sehen wir das wirkliche Ausmaß ihrer Fähigkeiten. Hier hängen ganze Kolonien mit ihren dichten Netzen, die so groß und stabil werden können, dass man sie sogar zum Fischen verwendet. 😉

Nach einem sehr leckeren vegetarischen Essen hört endlich auch der Regen auf und wir machen uns wieder auf den Heimweg. Die Wege sind gerade noch so passierbar, meist ohne Schuhe durch knöcheltiefen Matsch oder wir durchwaten reißende Bäche, die auf dem Hinweg kleine Rinnsale waren.

Einige Tage später macht Micha sich gemeinsam mit Jack, Marlon und Tomek noch einmal zu einer Motorradtour nach Minca auf. Durch den vielen Regen sind die ohnehin schon unwegsamen Wege noch unbefahrbarer geworden aber das stellt Mann ja meist erst Vorort fest. Sie kommen also völlig verschlammt und erschöpft zurück, scheinen aber eine Menge Spaß gehabt zu haben. Trotzdem nehmen sie auf ihren Mopeds noch einige Lebensmittel mit um sie in der Armenküche in Minca abzugeben, über die wir bei unserem letzten Aufenthalt dort erfahren haben. Wohlüberlegt, verzichten sie auf Eier. 😉

 Ich nutze den Tag für eine ausführliche Shoppingtour. Mit Micha ist das sowieso nicht möglich. Da wir bald Kolumbien verlassen und es hier fast alles in guter Qualität gibt, habe ich nicht nur einen Bikini, sondern auch nützliche Dinge wie Ventilator usw. auf meinem Zettel zu stehen.

Neben normalen Taxis kann man sich auch mit einem Motortaxi fahren lassen. Das möchte ich heute mal ausprobieren. Man hält nur Ausschau nach einem Mopedfahrer mit zweitem Helm und schon geht’s los. Für umgerechnet 1,50 komme ich in die ca. 7 km entfernt liegende Shopping-Mall. Obwohl ich Malls nicht so mag, haben sie doch etwas sehr Vertrautes. Sobald man sie betritt, weiß man nicht mehr in welchem Land man sich befindet. Sie sehen alle gleich aus, außer dass hier bestimmte Ketten fehlen, aber dafür gibt es andere, erfreulicherweise landeseigene.

Eine hat es uns aber schon eine Weile angetan – natürlich eine Empfehlung von Marlon. „Crêpes y Waffles“ heißen sie und sind sooo lecker. Die Gründerinnen sind zwei kolumbianische Frauen und haben einen sozialen Ansatz behalten. Es arbeiten dort nur Frauen, die Kindern haben und aus sozial schwachem Umfeld kommen. Für unter 20 wird man nicht nur pappesatt, sondern bekommt gesunde Zutaten, frisch gekocht in einem wunderschönen Ambiente serviert, obwohl der Standard mit Mövenpick vergleichbar ist.

 Wir planen die letzte Lebensmitteltour hier in Kolumbien, trotzdem wir noch etwas Geld überhaben. Aber seitdem dieses Projekt entstanden ist, eröffnen sich immer wieder neue Kontakte, so auch schon in Panama. Zudem scheint auch die solidarische Spendenbereitschaft der Menschen nicht wirklich abzureißen, immer wieder wird nachgefragt, ob wir noch etwas brauchen.

Diese Tour geht an eine Schule, deren Lehrer von heute auf morgen durch Corona arbeitslos geworden sind. Daher haben sie sich entschlossen unentgeltlich ihre Schule zu renovieren. Eine passende Gelegenheit, sie mit unseren Lebensmittelpaketen zu unterstützen. Organisiert wird das von zwei zauberhaften Zwillingsdamen aus Taganga, die seit langen ähnliche Projekte arrangieren. Eine von ihnen hat mal in einer TV Show gewonnen und ist daher hier ein lokaler Promi. 😊

 Ab jetzt darf man wieder Flüge innerhalb des Landes buchen und wir können endlich mal raus aus Santa Marta und Umgebung, ganz offiziell. Lange genug Zeit hatten wir ja uns zu überlegen, was wir in einem solchen Fall tun würden. Also buchen wir eine Woche Medellín, die Stadt des ewigen Frühlings. Und es soll einen Abstecher nach Guatapé, in die bunte Stadt geben, mit seinem riesigen Felsen dem Piedre.

Direktflüge gibt es leider noch nicht, so müssen wir über Bogotá fliegen, obwohl es noch südlicher liegt als Medellín. Egal, wir wundern uns sowieso nicht mehr. Micha hat jetzt einen Begriff für solche und ähnlich skurrile Situationen: „covidlogic“. 

Auch in Medellín ist der Tourismus so gut wie ausgestorben, daher sind viele Hostels geschlossen, so wie auch jenes, welches wir uns rausgesucht hatten. Wir landen also nicht im „Black Sheep“ sondern mangels geeigneter Angebote und extremen Regens in einem Hostel mit dem sehr vielversprechenden Namen „El Presidente“. Es wird dem leider nicht ganz gerecht. Wir halten es gerade eine Nacht dort aus. Matratzen, Kissen und Decke sind unter dem Bezug in Plastik eingeschlagen, sodass es jedes Mal einen Höllenlärm gibt, wenn man sich umdreht. Da man auch nicht genau sehen kann, ob die Bezüge vor oder nach dem Lockdown schon gewechselt wurden, schläft mein sonst nicht so zimperlicher Gatte in Jeans und Hemd. Wir wollten es doch nur etwas kolumbianisch haben. Nun klingen uns wieder Marlons Worte im Ohr: Geht ins Hotel Ibis. Wir haben keine Lust mehr auf Experimente und ziehen am nächsten Tag dorthin um. 😉

 Das ist dann auch eine weise Entscheidung, schließlich wollen wir losziehen und etwas sehen. Medellín liegt in einer großen Senke und platzt, wie fast alle großen Städte förmlich aus den Nähten und erstreckt sich durch Wildwuchs in die Berge hoch. Es hat ca. soviel Einwohner wie Berlin, wenn man die nicht Gemeldeten dazu nimmt. Seine Berühmtheit hat die Stadt hauptsächlich durch das ehemalige Drogenkartell von Pablo Escobar erreicht. Die einst gefährlichste Stadt der Welt, zeigt heute ein recht freundliches Gesicht und wir fühlen uns fast überall sehr sicher. Es verfügt über ein hoch modernes Metrosystem mit Erweiterung durch Seilbahnen, um die ärmeren Viertel und Nationalparks in den Bergen mit anzuschließen. Einen besonders schlechten Ruf hatte das „Barrio Comuna 13“. Selbst für Kolumbianer war es tabu, galt weltweit als das gefährlichste Viertel der gefährlichsten Stadt.

Um dieses Quartier besser dem Tourismus zu öffnen, wurde es 2011 mit zahlreichen Rolltreppen versehen, damit jeder in die Lage versetzt wird die vielen Höhenmeter zu überwinden und die Kunst – vor allem riesige Graffiti – zu genießen. Selbst die Straßenhunde nehmen die Rolltreppe, wenn es mal schnell gehen soll. 😊

 Wir lassen uns treiben durch Parks und Plätze. Vor allem in der City herrscht reges Treiben, es gibt nichts was nicht irgendwie noch verkauft werden kann. Das Zentrum ist der Boteroplatz, nach dem bekanntesten Maler und Bildhauer Kolumbiens, Fernado Botero, mit seinen sehr eigenwilligen und lustigen Bronzefiguren.

Mangels Touristen, fehlt ein wenig das schöne Flair am Abend, manchmal sind wir die einzigen im Restaurant. Also nehmen wir es, wie es ist und schleichen wie eine längst vergessene  Spezies durch die Stadt in Museen, Busse, Touren, alles unsicher ob es überhaupt offen hat oder fährt. Irgendwie zwischen Fluch und Segen; können wir auch erahnen was hier los ist, wenn sich alles wieder normalisiert hat.

 Von Medellín aus machen wir einen Kurztrip nach Guatapé, und dessen Wahrzeichen, zum Felsen Pierdra de Penol. Er ist ein Überbleibsel aus der letzten Eiszeit und ca. 65 Millionen Jahre alt. Wir stehen vor dem 200 Meter hohen Riesen, deren Aufstieg wir mit zwei weiteren kolumbianischen Pärchen meistern. Wo normalerweise schlangenförmige Absperrungen dem Massenandrang versuchen Herr zu werden, stehen wir recht verlassen davor. Die Imbiss- und Souvenirverkäufer stürzen sich auf uns paar Hansels und es tut uns fast Leid, kaum etwas konsumieren zu können. Zurück lassen wir uns mit dem hiesigen Haupttransportmittel chauffieren, den praktischenTucktucks. Wir wohnen in einem super kleinen Hotel natürlich am Wasser, wie jeder hier und mit Blick auf den Felsen. 

Die Landschaft rund um Guatapé ist künstlich durch einen Stausee entstanden, der die Stromversorgung unter anderem von Medellín sicherstellt. Er bedeckt die hüglige Landschaft und so entstand die pittoreske Landschaft mit vielen kleine Inselchen. Kolumbiens Oberschicht hat sich hier ihre Fincas, manchmal sogar auf eigenem kleinem Eiland gebaut. Das Gebiet ist aber so riesig, dass für alle Freizeitgestaltung und Erholung möglich ist.

 Am Nachmittag kommt Micha noch auf seine speziellen Kosten und darf mit dem Jetski über die schöne Landschaft heizen. Ich, ganz tapfer wie immer, hinten drauf. Jetzt haben wir also alles durch, Besichtigung, Bergbesteigung und Wassersport und es geht zurück nach Medellín.  

 Von der Internetagentur über die wir unsere Flüge gebucht hatten, bekommen wir die Info, dass sich unser Rückflug verschiebt. Also der nach Bogotá, und damit erreichen wir den Anschluss nach Santa Marta auch nicht. Wir könnten uns einen Gutschein ausdrucken, und ihn wieder einlösen beim nächsten Buchen. Alles kompliziert und natürlich auf Spanisch. Wir beschließen den ersten Stepp bis Bogotá anzutreten und überlegen ob wir evtl. dort für 2-3 Nächte bleiben. Nur kommt keine weitere Info mehr, mit der wir einchecken können und so machen wir uns etwas nervös auf den Weg zum Flughafen.

Unser Bauchgefühl sollte leider richtig sein. Der verschobene Flug wurde nicht verschoben, es handelte sich um eine Fehlinformation, er ist also am Vormittag zur geplanten Zeit gestartet, nur eben ohne uns. Wir müssen die Nacht in einem schrecklichen Flughafenhostel neben einer Tankstelle verbringen. Da wir die Unterkunft bar bezahlen müssen, haben wir kein Geld mehr für ein kleines Abendessen. Die einzigen Geldautomaten sind im Flughafen, wo sie uns aber ohne gültiges Flugticket nicht mehr reinlassen, trotz ausführlicher Schilderung der Lage. Wir überstehen auch diese Nacht und machen uns am nächsten Morgen wieder auf zum Flughafen, wohlwissend um die nächsten Widrigkeiten, ohne Flugticket und völlig ungeklärter Situation. Mit erneuten zermürbenden Diskussionen schaffen wir den Flughafen zu betreten aber es möchte niemand die Verantwortung für die fehlerhafte Information übernehmen. Auch wenn es zu erwarten war, ist es immer schwer zu akzeptieren, also ich trenne meinen schwer nach Luft schnappenden Mann vom Terminalpersonal und buche noch einmal komplett neu, damit wir hier endlich wegkommen. Zähneknirschend fliegen wir nach Bogotá und versuchen wieder schnell unsere Mitte zu finden, schließlich gibt es schlimmeres.

Gegen Mittag sind wir tatsächlich da, das Hotel liegt super, direkt in der Altstadt, also ideale Voraussetzungen für einen Neustart. Bogotá liegt ca. 2.600 Meter hoch und hat trotz Äquatornähe sehr kühle Temperaturen. Durchschnittlich 19 Grad tagsüber und bis zu 7 Grad nachts. Manchmal kommt eine Wolke mit Regen oder Nebel durch, dann muss man sich schnell was überziehen, um danach mit Sonnenbrille und hohem LSF sich wieder gut zu schützen. Da uns wirklich etwas kalt ist, beschließen wir in ein Museum zu gehen und machen uns auf den Weg. Das berühmte Goldmuseum wird gerade umgebaut und hat zu,  so dass wir nach einem anderen Ausschau halten und uns durch die Fußgängerzone Bogotás schieben, die dicht mit feilbietenden fliegenden Händlern bevölkert ist.

Das dann doch alles ganz anders kommt, ahnen wir noch nicht. Wir sind noch nicht ganz durch mit unserer Pechsträhne. Micha hat leider wieder ausreichend Stoff für eine eigene Story

Hier die Kurzversion; in den nächsten 10 min wird ihm das IPhone gestohlen. Durch den immer noch erhöhten Adrenalinspiegel vom verpassten Flug, reagieren wir etwas tollkühn und holen es uns wieder. Leider ist die Polizei mit involviert und möchte uns ohne entsprechende Anzeige nicht gehen lassen. Es werden 7 endlose Stunden und so kommt es, dass wir unsere kostbare Zeit in Bogotá mit verschiedenen Polizisten und Vernehmung an einigen skurrilen Orten verbringen.

In der Nacht bekommt Micha Fieber und er verbringt Bogotá komplett im Bett und ich etwas verunsichert allein in der Stadt. Unsere größte Sorge ist, ob er es schafft morgen zurück zu fliegen. Überall wird Temperatur gemessen und auf dem Flughafen sind sie ganz genau.

Nachdem ich mich um die Krankenversorgung gekümmert habe, entschließe ich mich über meinen Ängsten zu stehen, und gehe am nächsten Tag alleine los. Unser Hotel liegt ganz in der Nähe zu Monserrate, einem Wahrzeichen von Bogotá. Auf noch einmal mehr als 1.000 Meter Höhe, steht eine hübsche weiß getünchte Kirche aus dem 17. Jahrhundert.

Der Schreck vom Vortag sitzt mir noch in den Gliedern und ich fühle mich auf dem ca. 1,6 km langen Weg zur Seilbahn sehr unwohl. Die Straßen sind abseits des Zentrums relativ leer, Obdachlose liegen in Hauseingängen, andere drücken sich an den Häuserwänden entlang. Ich kämpfe mein Unwohlsein runter und besichtige schließlich das Gelände um die schöne Basilika. Oben befinden sich bestimmt 50 Restaurants und Souvenirläden von denen nur einige aufhaben und auf ein kleines Geschäft hoffen. Wieder sind wir nur maximal zwanzig Leute, wo sich ansonsten über 1.000 Menschen in Schlangenlinien drängeln würden.

Von den Schrecken mal ganz abgesehen, gefällt mir Bogotá ansonsten sehr gut, mit seiner Architektur aus der Kolonialzeit. Leider sehe ich davon nicht viel. Außerdem ist es so kalt, dass ich es nicht lange draußen aushalte. Die Temperaturen im Zimmer sind nicht viel angenehmer, man wird trotz Decken nicht richtig warm, alles ist irgendwie klamm. Ein Umstand, den wir lange nicht mehr hatten. Schließlich muss ich mich noch einmal auf die Pirsch begeben, um uns etwas zum Abendbrot zu organisieren. Meine Horrorvision, dass sie uns morgen nicht fliegen lassen und wir für weitere 10 Tage Quarantäne in diesem kalten etwas tristen Hotel verbringen müssten verdränge ich vorerst.

Mit Aspirin bekommen wir schließlich das Fieber runter, wenn auch noch mit bedenklichem Allgemeinzustand und betreten mit knappen 36,9 Grad den Flughafen. Micha hält sich tapfer aufrecht, bis wir im Flieger sitzen und uns endlich der riesige Stein von der Brust genommen ist. Als wir eine Stunde später ankommen, wundere ich mich schon, dass er wieder seinen Rucksack trägt und mit meiner Geschwindigkeit mithält. Sein Allgemeinzustand hat sich während des Fluges so verbessert, dass er fast vollständig genesen aus dem Flugzeug steigt. Entweder sind es die fast schon heimatlichen Gefühle von Santa Marta oder es lag tatsächlich an dem enormen Höhenunterschied in Bogotá. Dieser sei nicht zu unterschätzen, sagt Google. In dieser Höhe nimmt die Sauerstoffaufnahme durch veränderte Druckverhältnisse ab und damit können Symptome einhergehen, wie: Appetitverlust, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Schwäche. Durch die Kälte und Aufregung am Tag vorher kamen dann noch Husten und Fieber scheinbar dazu.

 Als wir von unserem etwas verlängerten Trip zurückkommen, sind nun auch die Engländer weg. Unsere Befürchtung ist tatsächnlich eingetreten, von den ursprünglich 15 Booten sind wir die Letzten. Auch sonst ist nichts mehr wie es mal war, wir fühlen uns wie Fremde im „eigenen“ Land. Wobei der Vergleich natürlich etwas hinkt. 😉

Aber wir merken, wie wir uns trotzdem sehr schwertun, los zu kommen. Immer schieben wir noch etwas vor, beschäftigen uns mit Nebensächlichkeiten, um uns nur noch nicht auf den Weg machen zu können.  Z.B. müssen wir unsere riesige Einkaufstour für den Pazifik von vor 6 Monaten wiederholen. Aus Panama haben wir schon gehört, dass alles teurer ist und längst nicht so eine Auswahl wie in Kolumbien hat. Ganz zu schweigen von der Südsee, dort kosteten die Basics wie Nudeln, Müsli, Kaffee usw. das Drei- bis Vierfache, nicht zu reden von irgendwelchen Extras oder Alkohol.

Seit kurzem dürfen Boote auch wieder Tagestouren machen, müssen aber um 17 Uhr wieder zurück sein. So fahren natürlich am Wochenende wieder die vielen Partyboote raus. Unsere schöne Ruhe und so vertraute Umgebung sind dahin. Von Donnerstag bis Sonntag bevölkern lauter fremde Menschen, laut feiernd „unsere“ Marina. Wir hatten sie ja für ca. 7 Monate fast für uns allein. Die Kolumbianer feiern nicht nur gerne, sie sind auch immer sehr gut angezogen und duften gepflegt. So kommt es also, dass vor allem die Damen mit wunderschönen knappen Bikinis, nur etwas bedeckt mit einem wallenden und durchschimmernden Nichts sowie ausladenden Hüten daherkommen. Die Männer stehen ihnen in nichts nach. Wenn sie dann laut johlend und tanzend zurückkommen, sitzt alles nicht mehr am richtigen Fleck aber das ist ihnen dann so egal wie vorher wichtig.

Auch wir planen eine Probefahrt nach 6 Monaten um zu schauen, ob Daphne noch segeln kann und wir noch wissen wie es geht. Mit Marlon und Camilla machen wir uns für unsere Tagestour auf den Weg. Wir holen die Segel hoch und fahren bis zur nächsten Bucht nach Taganga. Weiter ist nicht erlaubt. Alles funktioniert noch und Micha sieht glücklich aus.

In der Marina geht es noch einmal hoch her. Es wird ein sehr aufregendes Fußballspiel übertragen, Venezuela gegen Kolumbien mit 0:3. Wir haben eigentlich keine Lust hinzugehen, weil wir ja kaum noch jemanden kennen. Die Franzosen überreden uns schließlich unsere Wahlheimat Kolumbien mit zu vertreten und so werden wir förmlich absorbiert von der Stimmung dort. Die Masken werden fallen gelassen oder schlicht vergessen, lauter teilweise betrunkene Kolumbianerinnen, greifen mir verliebt in die Haare und machen mir charmante Komplimente. 😊😊

 Auch mit Marlon verbringen wir nochmal besonders viel und intensiv unsere Zeit. Micha fällt natürlich zum Schluss noch ein was er unbedingt während der 6 Monate schon immer mal besorgen wollte. So machen sich die Beiden immer mal wieder auf den Weg zu einer technischen Shoppingrunde. Er ersteht endlich einen Inverter, der unser Laptop und andere Geräte mit Gleichstromstrom versorgt, wenn wir mal eines Tages nicht mehr in der Marina Santa Marta wohnen. Danach hatte er schon ewig gesucht ohne einen zu finden, der ihm zusagte. Aber natürlich gibt es auf dem letzten Drücker noch so einiges zu tun, wofür wir in 6 Monaten nun wirklich keine Zeit hatten. 😉

Wir entschließen uns noch zu einem wirklich letzten Ausflug mit Marlon. 😉 Jetzt wo wir nun endlich dürfen und er immer so schöne Ideen hat. Des Öfteren hatte er schon von herrlichen Flamingo Schwärmen an der venezolanischen Grenze erzählt. Und das dort auch deutsche Soldaten stationiert sind, mit denen man mal ein Pläuschchen halten könnte. Warum nicht, denken wir; klingt alles so interessant und verlockend, dafür sind wir ja schließlich losgefahren.

Das dann alles wieder ganz anders kommt, wisst ihr ja schon;  weder treffen wir deutsche Soldaten noch einen Flamingo  hat Micha hier ganz ausführlich beschrieben.

Noch eine Sache in eigener Angelegenheit gibt es zu klären. Im Januar 2021 sind meine 1,5 Jahre Auszeit um und wir haben schon länger überlegt, dann doch wieder verdrängt, wie es weitergehen könnte. Eigentlich wären wir ja im November schon in Neuseeland gewesen und damit die Hälfte der Reiseroute rum. Weiter hatten wir sowieso nicht geplant, alles noch so weg und wer weiß….? Nun ist es ziemlich dicht dran und alles ganz anders. Corona hat auf jeden Fall die Reise durcheinander gebracht und insgesamt verlängert, also von 3 auf 4 Jahre. Jetzt heißt es wieder, Entscheidungen treffen.

Ich fühle mich hin und her gerissen, weil ich Micha nun schon nach einem Viertel der Route verlasse und nicht wie geplant nach der Halbzeit. Mich zieht es einerseits nach über einem Jahr auch wieder nach Hause, andererseits könnte ich mir auch vorstellen noch ein Jahr dranzuhängen um den nächsten großen Sprung mit ihm über den Pazifik zu wagen.

Schließlich habe ich doch keine Alternativen wie gedacht, die Entscheidung wird mir durch meine Arbeit abgenommen, ich bekommen keine Verlängerung. Zuerst ein herber Schlag für Micha, dass Heimat, Familie und Arbeit mir doch recht wichtig sind und es nun für ihn heißt eventuell alleine weiter zu segeln. Er kann es sich nicht vorstellen, mit jemand anderem so lange und so dicht auszuhalten.

Es beginnen viele Überlegungen, Erkundigungen und vor allem Diskussionen. So schön und spannend diese Reise zwar ist, so aufreibend ist sie und bedeutet doch auch einigen Verzicht und die komplette Umstellung des bisherigen Lebens. Daher ist bei mir der Wunsch nach altvertrauten und Heimat immer mal wieder präsent.

Wo sich eine Türe schließt, öffnet sich eine andere. Durch diese kommt nun unsere Tochter Antonia, die gerade ein Wartesemester absitzt und das soziale Jahr just auf dem Pazifik mit ihrem Vater verbringen könnte. Es folgen wieder viele Gespräche usw. bis das Wichtigste schließlich geklärt ist und alle Beteiligten sich auf das nächste Abenteuer freuen. 😊

Auch bei mir geht es abenteuerlich weiter, mein Rückflug ist jetzt gebucht, Ende des Jahres komme ich zurück. Durch Corona ist alles nicht so eindeutig und sicher wie man es normalerweise gerne hätte und gewöhnt ist. Auch ist unsere Wohnung noch vermietet und ich werde vorübergehend zu meiner Mutter ziehen, die eine kleine Einliegerwohnung hat. 😉

Es hilft aber alles nichts, wir müssen jetzt wirklich los. Die Zarpe ist beantragt, es gibt es kein Zurück mehr. Natürlich starten wir nicht, ohne uns von dem kleinen verstreuten Rest, mittlerweile alter und neuer Freunde noch zu verabschieden. Die Franzosen Esther und Therie starten mit uns am nächsten Morgen, allerdings direkt Richtung Panama. Unser nächstes Ziel ist Cartagena ca. 24 Stunden entfernt. Dort werden wir dann wieder Mareike und Thomas, Julia und Steve, sowie die Fizzi und Jack treffen.

So sitzen wir noch ein letztes Mal zusammen, auch mit der Amerikanerin Shannon, die ja beschlossen hat, dort zu bleiben und es kommen noch Ben und Audrey, die sich vorrübergehend ein Apartment genommen hatten, sowie noch einige Kolumbianer, die wir letztens erst beim Fußballspiel kennengelernt hatten.

Samstag 5 Uhr geht es zusammen mit Marlon los nach Cartagena, um unsere Peergroup einzuholen. 😉

 

 

Abschnitt 17           Lockdown in Kolumbien – Juli/August

Da die Voraussetzungen, hier Spanisch zu lernen wesentlich angenehmer sind als an der VHS in Berlin, habe ich mir eine Spanischlehrerin gesucht und habe nun meinen Unterricht via Skype, genau wie die Schulkinder in der Marina. Eine sinnvolle Art die Zeit zu verbringen und es macht natürlich auch mehr Spaß, wenn man es anschließend tatsächlich gleich nutzen kann. Sogar Mareike und Micha habe ich angesteckt, die ja eigentlich zur Fraktion der Franzosen gehören.

Ungefähr einmal die Woche finden wir einen Anlass für eine kleine Feier und sitzen dann bei den ansonsten verwaisten Sitzecken der Marina beisammen. Entweder wird ein Geburtstag gefeiert, ein Film geschaut oder wir bekommen, wie dieses Mal von den hiesigen Fischern Hummer angeboten. Da müssen wir nicht lange überlegen und nutzen die wunderbare Gelegenheit den Grill anzuwerfen und zusammen zu essen. Da ich keine Ahnung habe, wie man so etwas zubereitet, ist das Gemeinschaftsgrillen sehr praktisch. 😉

Mitten beim Essen, kommt unsere Marina-Katze Coronita und präsentiert uns ihre vier jungen Babykätzchen als Überraschung. Wir hatten zwar schon bemerkt, dass sie wieder schlanker aussieht, konnten den Nachwuchs aber bislang nicht entdecken. Sie muss sie gut versteckt haben. Wir bekommen alle leuchtende Augen und fortan tummeln wir uns wieder mehr in der Nähe der Kätzchen zum Füttern und Pflegen und sehen beim Stillen zu.

Neben Coronita gibt es noch eine trächtige Katze, die ihr sehr ähnlichsieht aber total scheu ist. Es dauert nicht lange und Coronella (😊) kommt ebenfalls; oje mit 6 Jungen. Wenn das so weiter geht, dann gibt es hier eine Katzeninvasion.

Wir planen mit Marlon eine Sterilisation/Kastration für die Hafenkatzen zu organisieren; schließlich lag ja sein ursprüngliches Anliegen in der Errichtung eines Tierheims. Wir erklären uns bereit, die Kosten zu übernehmen und sind drei Tage damit beschäftigt, die Katzen einzufangen. Es ist viel schwerer ist als man glaubt und das Ergebnis ist ernüchternd. Sogar die Hafenmitarbeiter haben ein Interesse daran und helfen mit. Es werden sich bei dieser Aktion, böse Kratzer und blaue Knie zugezogen. Wir schaffen es gerade mal zwei Kater einzufangen und später noch Coronita mit einem ihrer Jungen, das entzündete Augen hat. Auch sie hat mit ihrem 7. Sinn sofort gespürt was los ist und es uns sehr schwer gemacht.

Während es uns die Kater verzeihen, verschwindet unsere sonst so zutrauliche Coronita nach ihrer Rückkehr vom Tierarzt. Ihre Jungen – mittlerweile sind nur noch zwei, im Hafen – werden nicht mehr von ihr versorgt und sie bleibt unauffindbar. Wir machen uns Vorwürfe, ob wir richtig entschieden haben.

Schließlich klärt uns Jesus, „El Rey“ auf, dass sich ihre Wunde entzündet hat und sie gestorben ist. ☹ Letztendlich bleibt nur noch ein Junges von ihr übrig. Wir füttern es noch eine Weile durch, bis ein Hafenmitarbeiter, Greasy zu sich aufnimmt. Ein kleiner Trost.

Mirko hat es endlich geschafft und fliegt Ende Juni nach Deutschland. Sehr zum Kummer von Leidi, da sie eigentlich mit sollte. Durch Corona geht das jetzt nicht mehr so einfach und schon gar nicht für ihren 8-jährigen Sohn Santiago, Es geht alles Hals über Kopf, das schöne Apartment wird aufgegeben und sie muss umziehen in ein Hostel. Was nicht so einfach ist, da ja nichts geöffnet haben darf. Schließlich findet sie etwas und ist mit zwei weiteren Dauergästen aus USA und Kanada die einzige. Ich gehe sie dort noch einmal besuchen dann entschließt sie sich, sich nach Bogota aufzumachen, um ihr Visa usw. wieder und wieder zu beantragen. Mitte  August ist es dann auch bei ihr soweit, sie darf ausreisen.

Ende Juni feiern wir noch Mareikes Geburtstag, endlich auch wieder bei Marlon. Wir durften ja die ganze Zeit nicht mehr zu ihm ins Appartement. Einmal haben wir es heimlich probiert, aber die Administration hat es über die vielen Kameras im Haus sofort mitbekommen und uns sofort rauskomplimentiert.

Die nächste Tour wird vorbereitet; es geht zu Samila, mit zwei Übernachtungen.  Die Taxen setzen uns diesmal direkt vor dem Bus ab und uns hält nichts weiter auf. Mal eine ganz normale Tour, bis kurz vor Abfahrt noch eine Frau mit einem kleinen Schwein auf dem Arm einsteigt. Es trägt eine Maske wie alle und hat sogar Schuhe und so etwas wie ein Kleidchen an. Dem Schweinchen gefällt das gar nicht und so fängt es bald an fürchterlich zu quicken.

Spätestens jetzt ist uns klar, dass die Kolumbianer wirklich übertreiben mit ihren Maßnahmen. Sie desinfizieren was das Zeug hält, auch Schuhsohlen, Reifen sowie Taschen und Rucksäcke. Die Türen in den Duschen und Geländer in der Marina sind alle nur noch schmierig von Desinfektionsmittel. Auf den Flughäfen laufen Menschen in Raumanzügen herum mit weißen Kanistern auf dem Rücken und einer langen Spritze in den gummibehandschuhten Händen und bekämpfen ganze Stuhlreihen. Es erinnert manchmal etwas an den Film „Outbreak“. In jedem Geschäft steht jemand an der Tür und es wird Temperatur gemessen, manchmal auch aufgeschrieben mit weiteren Daten und natürlich immer desinfizieren. Manchen reicht das noch nicht aus und sie sprühen sich zwischendurch noch permanent die Hände ein. 😊

Der Rest der Fahrt verläuft dann doch normal und wir steigen direkt als erstes wieder vor dem Haus der Schamanin aus. Hier haben wir unsere erste Tour, bevor es weiter geht zu Samilas Hotel. Dort beziehen wir die kleinen runden Häuschen mit den offenen Bädern und stürzen uns sofort ins Meer. Die Wellen sehen unspektakulär aus aber die Strömung ist enorm und es ist gar nicht so einfach rein und vor allem wieder raus zu kommen.

Am nächsten Tag fahren wir mit Samila an mehrere weit verstreuten Orte und verteilen die Lebensmittel. Als erstes besuchen wir Maria, die über 80-Jährige wohnt allein auf einem unübersichtlichen Grundstück mit einigen Hühnern und kleinen Mangobäumen. An einem steht eine Leiter und sie erzählt uns, dass sie vor kurzem gestürzt ist und seitdem eine Hand nicht mehr richtig benutzen kann. Aber, sagt sie; sie hat doch großes Glück, es war nur die linke und sie hat ja noch die rechte, die gute Hand. Wir dürfen in ihre kleine Hütte reinschauen, dort ist außer einer Hängematte und einem Plastikstuhl mit ordentlich zusammengelegter Kleidung nichts weiterzusehen. Der festgestampfte Sandboden ist sauber gefegt, die Küche ist draußen und Maria sieht sehr zufrieden aus.

Die Tour geht weiter, diesmal sind wir mit zwei Autos unterwegs. Ich sitze vorne bei Samila und beobachte, wie Marlon an der Polizeikontrolle, die wir gerade passieren, nicht durchgelassen wird. Wir drehen um und Samila versucht telefonisch etwas zu regeln. Schließlich kommt ein Pärchen auf einem Motorrad, wie wir später erfahren von dem benachbarten Indigodorf der Wayuu. Über drei Ecken wird alles Mögliche diskutiert und sämtliche Beziehungen werden ausgeschöpft, so dass wir es doch alle durch die Kontrolle schaffen. Das hat uns eine Lebensmitteltüte gekostet, was wir erst bei der letzten Ausgabe bemerken. Es ist ein bedrückender Moment und die Frau, die leer ausgeht bricht fast in Tränen aus, bis Micha auf die Idee kommt, ihr einen 50 000 Pestos Schein zu geben, ungefähr die Summe einer Tüte. Nun weint sie wirklich aber aus Freude und vor Glück.

Wenn man sich in kolumbianische Hände begibt, weiß man nie wohin es wirklich geht, wie weit es ist, wann man wo ankommt und wie überhaupt alles abläuft. Manchmal harter Tobak für uns, sich geduldig darauf einzulassen was kommt. Besonders schwer auszuhalten ist es, wenn man heute noch den letzten Bus erreichen möchte. Es kursieren vage und unterschiedliche Informationen darüber, wann dieser fährt. Während Marlon versucht, schnell wieder mit Mareike und Micha zurückzukommen, hat Samila die Ruhe weg und zeigt mir ganz entspannt Land und Leute, was natürlich wunderbar ist, weil deshalb sind wir ja hier. 😉

Die Geschichte endet schließlich so, dass Micha und Mareike gerade noch so den Bus erreichen, allerdings ohne ihre Sachen aus dem Hotel holen zu können. Marlon versucht den Bus zu überholen und Thomas, der noch ahnungslos und entspannt im Hotel chillt, den Ernst der Lage zu kommunizieren. Also, alles schnell zusammenzupacken und ebenfalls in den Bus springen. Währenddessen stellen Micha und Mareike fest, dass sie nicht viel dabeihaben, vor allen Dingen kein Geld. Schwitzend verbringen beide so die Zeit in der Hoffnung noch nicht kontrolliert zu werden, bis Thomas es tatsächlich schafft, den Bus noch zu erreichen, um sie auszulösen.

Es kommt wie schon geahnt, ich verpasse ihn völlig, da ich ja von Samila noch Kolumbien gezeigt und erklärt bekomme. Sie hat vor Jahren mal Deutsch gelernt und genießt den Deutsch/Spanischen Austausch mit mir. Währenddessen ist sie hochgradig konzentriert und vergisst manchmal sogar zu fahren, was mich dann doch sehr unentspannt werden lässt. In einer Baustelle wirkt sie schließlich den Motor ganz ab und jetzt rasen links und rechts riesige LKWs an uns vorbei. Am liebsten hätte ich das Ruder übernommen. 😉

Glücklicherweise hat die Marlon-WG auf mich gewartet, ein Platz ist noch frei. Wir kommen auf dem Rückweg noch zweimal in eine Polizeikontrolle. Bei einer müssen wir sogar aussteigen und stehen wie Schwerverbrecher am Straßenrand mitten im Nirgendwo. Fünf schwer bewaffnete junge Männer stehen vor uns, von denen uns einer verbal heftig in die Mangel nimmt. Marlon, der es meist sehr gelassen nimmt, ist nach der insgesamt dritten Kontrolle heute auch am Ende seiner Nerven. Die Gefahr besteht darin; einen Strafzettel mit ca. 900.000 Pesetas umgerechnet 250 € bekommen und zusätzlich noch mit auf das Revier genommen zu werden, wo man dann länger festgehalten werden könnte. Auf beides haben wir natürlich keine Lust. Alles wird gut, wie gottseidank bisher immer und wir erreichen erleichtert unseren (neben Stralsund nun inzwischen) zweiten Heimathafen.

Währenddessen macht sich die SANTALOCURA fertig – unsere Russischen Freunde – um auszulaufen. Bei ihnen gibt es viele Fragen für uns. Kolja und seine Familie haben einige Zeit in Florida gearbeitet und gewohnt. Dennoch spricht Anna, seine Frau nur drei Worte Englisch, was die Kommunikation zu ihr sehr erschwert. Er hat keine Kreditkarte so wie wir alle, dafür immer einen Bündel Euro, die er ständig versucht bei uns in Pesos umzutauschen. Er ist herzensgut aber ein krasser Corona- und Demokratieleugner, was die Unterhaltungsthemen zwischen uns stark eingrenzt. Von Getränkeflaschen werden immer die Barcodes entfernt, es ist dort schließlich immer eine 666 die Zahl des Teufels verborgen. An seinem Boot ist sehr viel zu reparieren, was er aber irgendwie nicht wirklich in den Griff bekommt. Wir atmen etwas auf, als er ein russisches Backpacker-Pärchen zur Unterstützung mit an Bord holt, die aber auch keine Ahnung von Boot und Segeln haben. Aber wenigstens sieht man beide Männer die letzten Tage vor der Abfahrt geschäftig bauen, machen und tun.  

Dass er segeltechnisch nicht so viel Erfahrung zu haben scheint, hatten wir schon geahnt. Das ganze Ausmaß wird uns erst bewusst, als mich Anna versucht zu fragen, indem sie auf ihr iPad zeigt, welchen Weg ich empfehlen würde, um nach Europa zu segeln, links oder rechts um Kuba herum. Schließlich beschließt Kolja, dass alles fertig ist und will mit einer kaputten Lichtmaschine und diversen anderen Defekten starten. In unseren Augen unverantwortlich, schließlich hat er auch noch seine drei kleinen Kinder mit an Bord.

Wir schlafen alle schlecht und versuchen ihn zu überreden, das Boot zu verkaufen und zurück zu fliegen, wenn es wieder geht. Oder nach Florida zurückzukehren. Das könne er auf keinen Fall, heißt es dann immer geheimnisvoll.

Und als ob das alles noch nicht reicht, bittet er Joao den Portugiesen, ihm das Boot aus dem Hafen zu fahren. Wir sind ziemlich schockiert. Das traut er sich also auch nicht zu, obwohl sie als erstes Boot am Hafen Ausgang liegen. So begibt es sich dann auch. Sie werden aus der Marina hinaus chauffiert mit einem unruhig laufenden Motor und schlechtem Bauchgefühl unsererseits. ☹

Eine Zeitlang können wir sie noch orten dann verlieren wir sie aus den Augen. Es geht ein erleichtertes Aufatmen durch die Marina, als die SANTALOCURA nach einigen Tagen in Jamaika gelandet ist.

Einige Tage später bekomme ich abends einen Anruf von Kolja und er berichtet mir wie die Fahrt verlaufen ist. Unterwegs ging natürlich der Motor kaputt und sie kamen kurz vor Jamaika in sehr schlechtes Wetter. Irgendwie schien gar nichts mehr zu gehen und scheinbar sind sie auch kaum richtig gesegelt. Jedenfalls drohten sie auf die felsige Küste zu driften und versuchten die Küstenwache um Hilfe zu rufen, was über einen russischen Tanker dann auch klappte. Währenddessen probierte Kolja nicht mit seinen Segeln, sondern mit seinem Bimini, also dem Cockpitverdeck, was normalerweise gegen Sonne schützt, zu steuern oder zu segeln, damit sie nicht in Legerwall geraten. Irgendwann muss sie dann die Küstenwache erreicht haben und man hat sie in den Hafen geschleppt.

Dort haben wir sie dann einige Wochen liegen sehen bis sie sich wieder auf den Weg machten, genau als ein tropischer Sturm im Anmarsch war. Wir hofften nur, dass Ana langsam genug hatte und mit den Kindern endlich von Bord gegangen ist. Nun haben wir sie wirklich aus den Augenverloren. Über WhatsApp sind sie nicht mehr zu erreichen und ihr Videokanal ist gelöscht. Jetzt liegt die SANTALOCURA in Miami zum Verkauf bei einem Broker, was vielleicht vermuten lässt, dass sie endlich das Segeln aufgegeben haben.

Nun wird es wirklich ernst in Santa Marta, auch die SCOOTER will sich auf den Weg machen. ☹ Vorerst nur nach Cartagena, da sie dort in der Werft ihr Boot noch einmal aus dem Wasser nehmen wollen. Das erinnert wieder daran, dass wir hier eigentlich nicht wohnen, so wie es gerade den Anschein hat, sondern eigentlich etwas anderes vorhaben. Wie dem auch sei, es ist immer wieder ernüchternd, wenn einer von uns losmacht. ☹

Die Genehmigung für die Zarpe, dauert meist eine Weile, so ist noch Zeit alles zu erledigen, was wir uns vorgenommen, aber noch nicht geschafft haben. Wie z.B. noch etwas nähen, eine Fußreflex-Massage, einen gemeinsamer Mädels Abend usw. Micha nutzt noch einmal die Gelegenheit und geht mit Thomas und Steve tauchen. Regelmäßige Tauchpraxis ist wichtig, damit man in Übung bleibt und keine Auffrischungskurse braucht. Wie auch, dass man nie allein geht, sondern immer seinen Buddy dabeihat. Steve sieht das anders, er geht mit seinen fast 70 Jahren meist alleine tauchen.

Der Mädels-Abend mit sieben Frauen ist natürlich super schön und scheint trotz fünf Nationalitäten überall gleich abzulaufen. Wir sitzen gemeinsam, essen, trinken, schnattern und wundern uns, dass wir nicht schon eher darauf gekommen sind. Shannon, die Amerikanerin, die ja eigentlich hier schon wohnt auf ihren Boot, hatte die lustige Idee Gesichtsmasken zu besorgen und so bekommen wir zu fortgeschrittener Stunde einen weißen Lappen aufs Gesicht und können uns natürlich nicht mehr halten. Wir sehen aus wie in einem Dance Tutorial für „Thriller“ und gehen auf die Suche, wen wir erschrecken können. 😊

Am nächsten Tag wird es ist es tatsächlich soweit und die Scooter macht sich auf den Weg. Es gilt sich wieder neu zu sortieren mit dem Rest, der noch da ist und wieder ein wenig Frust zu verdauen. Da kommt es gerade recht das Marlon, immer so nette Ideen hat und eine Massage sowie Maniküre/ Pediküre bei sich zuhause organisiert. Also ein Beautytag an dem er und Tomek, selbstverständlich auch teilnehmen. Er ist ein wirklicher Frauenversteher 😉

Ich hatte schon ganz vergessen wie das geht und genieße es. Tomek und seine Freundin Lina finden endlich nach fast fünf Monaten eine eigene kleine Wohnung und ziehen bei Marlon aus.

Wir brechen wieder zu Samila auf, die mit uns in das Indigodorf fahren möchte, zu den Wayuu. Da sie ebenfalls in Santa Marta wohnt, können wir gemeinsam starten und bekommen alles und alle in die zwei Autos rein. Früh um 8 Uhr sind wir mit ihr verabredet und warten vergebens. Nachdem wir sie angeklingelt haben, kommt sie schließlich gegen 8:30 kurz runter um uns zu sagen, dass sie nur noch kurz duschen muss, also 10 Minuten. Also warten wir anderen sechs unten geduldig vor ihrer Tür, bis sie schließlich nach 40 min mit ihren beiden Kindern, Fahrrädern usw. kommt und feststellt, dass das ja alles nicht in ihr Auto passt wegen der Lebensmittel. Nun hat es den Anschein als würden wir direkt losfahren, bis sie wieder aus dem Auto springt und sagt, sie müsse noch ganz kurz in die Apotheke. Wir warten schließlich noch einmal 40 Minuten. Ich mit ihren Kindern (13, 9) allein im Auto und versuche sie und mich etwas abzulenken. Es scheint zu klappen, sie reißen sich solange zusammen bis ihre Mutter wiederkommt dann legt der Kleine richtig los. Es wird so schlimm, sodass ich gebeten werden, hinten zu sitzen. 😉 Nun geht es auch schon mit zwei Stunden Verspätung los.

Diesmal läuft bei der Verteilung der Lebensmittel alles wunderbar, wir kommen problemlos durch die Polizeikontrollen und bekommen einige sehr interessanten Einblick in das Leben der Wayuu, der indigenen Bevölkerung. Sie haben fast luftdurchlässig gebaute Hütten und schlafen in Hängematten. Weitere „Möbel“ gibt es kaum. In den Ecken hängen manchmal bunte Plastikkörbe, in denen sich wahrscheinlich Kleidung befindet. Gekocht wird draußen und die Küche wird mir von einigen Frauen bereitwillig gezeigt und erklärt. Die Männer verkriechen sich ehre in den Hängematten und gehen uns etwas aus dem Weg. Für die Kinder ist es ein wahres Paradies, sie ziehen in kleinen Horden durch das Dorf und folgen uns neugierig. Das Leben sieht hier so unkompliziert aus. Sie haben nicht viel und brauchen scheinbar auch nicht mehr.

Wir fragen, was sie machen, wovon sie leben und ob sie auch handwerklich etwas herstellen. Da erst bringen sie fast schüchtern einige Körbe mit selbst hergestellten Taschen. Wir sind ganz angetan von dieser schönen Arbeit und kaufen fast alle eine dieser handgefertigten Beutel. Sie sind sehr typisch für Kolumbien, wenn auch jeder Stamm seine eigene Kreation und Material hat. Man könnte sagen; jeder trägt hier so eine Tasche. Sie wird einmal über den Kopf gehangen und dann schließt sie sich im Idealfall am Körper so, dass niemand mehr hineingreifen kann, etwas abhängig vom Umfang. Ihre Taschen sind aus Baumwolle, Micha liebäugelt auf einen Beutel von den Kogi, die aus Schaf oder Ziege hergestellt werden und den Ruf haben, ewig zu halten.

Eine ausführliche Beschreibung dieser Tour und allen anderen Verteilaktionen mit Bildern und Berichten gibt es hier.

Nach getaner Arbeit hat Marlon noch die Idee, mit uns einen Bekannten zu besuchen, der gleich um die Ecke ein Stück Land hat. Wir tauchen dort also ganz unangekündigt auf und werden von Abdon sofort wie Familienmitglieder aufgenommen und an einen großen Tisch gebeten, wo schon einige Söhne und Cousins sitzen und wie ganz selbstverständlich mit leckeren Speisen versorgt.

Für den nächsten Tag werden wir von ihm zum BBQ gegen 10 Uhr an seinen Strand eingeladen. Pünktlich stehen wir vor der Tür und unken noch, dass wahrscheinlich noch niemand auf ist. So ist es dann auch, langsam kommen sie alle in Schlafanzughosen nach und nach in die riesige freistehende Küche und stärken sich mit irgendetwas. Wir bekommen auch schon mal ein Bier und noch einen Rundgang über das Anwesen mit Kokablättersträuchern, eigenen Schweine, zahmen Aras (große Papageien) usw.

Sein Bruder zeigt mir das geräumige Haus mit mind. 10 Schlafzimmern und unter anderem einer antiken Tongefäßsammlung aus der Zeit der Inka, die in einem offenen Schrank steht. Ich möchte gar nicht wissen, wo das alles her ist. Vor einem Zimmer bleibt er stehen und fragt, ob ich mal seinen kleinen Freund sehen möchte. Ich bekomme einen Schreck und fange noch mehr an zu schwitzen aber da öffnet er schon den Schrank und holt einen kleinen Käfig mit einem verschlafenen Baby-Opossum heraus. Erleichtert betrachte ich das putzige Tierchen und wir setzen den Rundgang fort.

Schließlich, nach gut einer Stunde werden sie dann doch alle sehr geschäftig, packen Töpfe, Stühle, Lebensmittel usw. ein und es geht los an den Strand. Nicht zu Fuß wie wir dachten, sondern mit einer 20 min Autofahrt, alles auf seinem, scheinbar doch recht großen Grundstück. Dort angekommen, wird sofort Feuer gemacht, Kochbananen geschält, Hühner entbeint usw. Währenddessen, gehen wir baden und schauen sehr interessiert zu, was dort alles so in Gange ist. Eine riesige Box wird mit der stets heiteren und lauten kolumbianischen Musik angeschlossen. Abdon oder einer seiner Brüder kommen abwechselnd mit einer Flasche Whisky und reichen ein Glas herum. Als Frau darf man ablehnen, als Mann nur bedingt, z.B. wenn man Fahrer ist. Alle 20 min ist man wieder dran. Die Stimmung baut sich also langsam auf, jetzt sind noch einige Familienmitglieder mehr da, vor allem auch ein paar Frauen. Alle sind sehr interessiert an uns und Abdon wird nicht müde uns zu drücken und zu herzen. Am liebsten würde er uns zu seinen 8 Kindern auch noch adoptieren wollen. 😊

Es ist wunderschön hier. Ein Fluss mündet direkt ins Meer und macht diesen Ort sehr besonders. Um also baden zu gehen im Meer, muss man den Fluss durchwaten und zurück zu hat man gleich seine Süßwasserdusche. Zum Schluss sitzen die Männer alle im Fluss im Kreis und werfen die Whiskyflasche flussaufwärts. Wenn sie den Kreis wieder erreicht, wird reihum ein Schluck getrunken, und das Prozedere geht von vorn los. Es ist einer unserer schönsten und bemerkenswertesten Tage hier. Nicht nur das Essen ist wunderbar, sondern auch die Menschen und ihre Unkompliziertheit mit allem.

Marlon hat die Idee einen Sushikoch zu bestellen, mit dem wir; Mareike, er und ich vom Einkauf bis zum Zubereiten alles gemeinsam machen. Gesagt getan; wir gehen mit Leon Fisch, Gemüse und entsprechende Zutaten dafür einkaufen. Am Abend kochen, würzen und rollen wir endlos Sushi. Ich bin schockiert, dass für den Reis eine ganze Tüte Zucker und eine Flasche Essig verbraucht wird. Später kommen noch ein paar Leute dazu und es wird wieder einer dieser wunderbaren kolumbianischen Abende. Das Sushi reicht noch für alle zwei Tage lang. Am Abend als wir in die Marina zurückkommen, begegnen wir Jesus und drücken ihm eine riesige Schüssel Sushi in die Hand. 😊

Es gibt hier sehr krasse Gegensätze. Die Mehrheit der Leute haben wirklich nicht viel und wohnen in einfachen kleinen Häusern, meist mit großer Familie. Das Leben spielt sich aufgrund der Temperaturen größtenteils draußen ab. Oft haben sie innen sowieso nur wenig Platz und kaum Möbel. Die Kolumbianer sind fast immer sauber und gepflegt selbst wenn sie auf der Straße leben. Und das obwohl, wenn man den inneren Ring der Stadt verlässt, es kein fließendes Wasser mehr gibt. Die Betriebskosten für Strom Wasser, Abfall usw. sind im besten Viertel am teuersten und nehmen dann stetig ab. Die armen Randbezirke zahlen so gut wie nichts mehr und Strom bekommen sie, indem sie sich mit einer „Vampirklemme“ an das öffentliche Netz hängen.

Als wir zurückkommen, machen sich die verbliebenen Männer der Marina endlich mal richtig auf zu einer Motorradtour. Wir Frauen haben fast zwei Tage frei und ich bin meine erste Nacht allein auf dem Boot. Diesen ersten freien Abend genieße ich auch ganz allein nur mit mir. 😉

Unsere Männer erleben währenddessen ihre Abendteuer mit tatsächlich allerlei interessanten Begebenheiten und etwas Aufregung. Nur so viel dazu, es gibt leichten Blechschaden und ein Verlaufen im Regenwald. 😉 Aber das lasst euch von Micha selbst erzählen.

24/7 zusammen zu sein ist schon eine kleine Herausforderung für Beide. Dazu noch der Lockdown, wo man sich nicht mal so einfach in die Stadt verkrümeln kann um andere Eindrücke zu sammeln oder den Kopf frei zu bekommen.

Micha lässt die Politik nicht wirklich los. Im Gegenteil, seit Corona ist er wieder mehr dabei, fiebert mit seinen ehemaligen Kollegen mit und diskutiert manchmal in der Brandenburger Politik interessiert mit. Einmal hat er an einer Ortsverbandssitzung mit ZOOM teilgenommen. Seit Corona geht ja da einiges mehr auf diesem Weg. Zwischendurch habe ich manchmal das Gefühl, er geht ins Büro, dann verschwindet er nach dem Frühstück mit dem Laptop kommt kurz zum Mittag vorbei und erscheint erst wieder zum Abend. Ein Thema folgt auf dem nächsten oder aber die Touren müssen vor bzw. nachbereitet werden.

Seit langem beschäftigt ihn das Kohle Thema hier. Nun hat er eine Interviewpartnerin, nach etlichen Recherchen genannt bekommen, die aus dem Kohlegebiet vertrieben wurde. Für die Übersetzung hat er Unterstützung von Lola bekommen. Sie ist die Tochter einer Französin die seit 20 Jahren ein Hotel in Taganga betreibt. Wir haben die beiden vor kurzem kennengelernt, als wir auch Lebensmittel für ihre Hotelangestellten abgegeben haben.

Die Spendengelder fließen weiterhin – auch von den Engländern. Sodass wir wieder mit Mara Kontakt aufnehmen und uns freuen in bekanntes Territorium und dann noch in „deutschsprachiges“ zurück zu kommen. Diesmal begleiten uns sogar die Portugiesen und wir sind wieder eine große Truppe.

Als wir ankommen, sind wir etwas schockiert. Der Strand vor Maras Hotel wird immer schmaler und die Hoteliers haben zu Corona und kaum Touristen nun auch noch dieses Problem zu meistern.

Die Hälfte der Lebensmittel wird bei ihr verteilt und für die andere Hälfte fahren wir in ein nahegelegenes Fischerdorf, wo wir viel über dessen Geschichte erfahren. Mitten im Dschungel besuchen wir noch Bernadett, wieder eine dieser bemerkenswerten alten Senoras, die ihr Leben fast allein und in Abgeschiedenheit fröhlich bewältigt. Sie freut sich so sehr über uns, dass sie sich an Michas Arm schmiegt und nicht mehr loslassen möchte. 😊 Mehr zu diesem Ausflug in Michas Bericht.

So gehen drei wundervolle Tage wieder zu Ende, wobei wir das Gefühl haben, mindestens eine Woche weggewesen zu sein. Auf dem Rückweg mit dem Bus von Mara zur Marina, fühlt Micha einen riesigen Lymphknoten an seinem Hals. Oh nein, was ist das schon wieder, alles überflüssig, vor allem wenn man in Zeiten von Corona weit weg im Ausland ist. Wir überlegen hin und her, probieren einige Mittelchen, die nicht wirklich helfen. Als sich sein Allgemeinzustand schließlich sogar etwas verschlechtert, entscheiden wir und auch auf dringliche Empfehlung von Fizzy, der Ärztin auf dem Nachbarboot, dass er die mitgenommenen Antibiotika einnimmt. Das war die richtige Entscheidung, es geht ihm von Tag zu Tag besser, nur der Lymphknoten möchte nicht wirklich weichen. Es zieht sich alles fast über den ganzen August, wo wir daher auch nicht wirklich viel unternehmen.

Wenigstens gehen wir, nun schon zum zweiten Mal, mit unserer Resthafencrew und Marlons Ex-WG ins Restaurant „Padma“ was nur für uns 12 Leute öffnet. Sie haben einen wunderschönen Innenhof in dem wir einen schönen Abend verbringen und mal nicht kochen müssen. Oder verbringen einem wunderschönen Abend bei Therry und Esther, einem französischen Pärchen. Sie wohnen seit 2 Jahren hier und haben ein Charterbetrieb mit ihrem Segelboot.

Nun fahren auch noch die Portugiesen los, und wir sind nur noch drei Boote von der ursprünglichen Communitiy in der Marina. Jetzt ist nichts mehr schön zu reden, wir blicken der Realität ins Auge und sehen, dass auch wir irgendwann los müssen Richtung Panama. Aber die Spendengelder sind noch nicht ganz aufgebraucht und irgendwie haben wir schon zarte Wurzeln geschlagen, sodass wir noch bleiben.

Panama ist viel teurer, wir liegen dann dort vor Anker und es soll viel mehr Gewitter geben. Vor Dezember/Januar kann man sowieso nicht in den Pazifik starten. Also noch keine triftigen Gründe übereilt weiterzugehen. Wir hoffen, noch das Ende des Lockdowns zu erleben, um dann doch Kolumbien von einer weiteren Seite zu sehen oder in einige der schönen Ankerbuchten hier zu fahren.

Das erinnert uns bzw. jetzt auch wieder Micha daran, dass doch noch verschiedene Arbeiten auf dem Boot zu erledigen sind 😉 Er macht also endlich einen „Projektplan“ und beginnt mit ersten Kleinigkeiten, von denen sich einige sehr ausdehnen. Am meisten hat er sich vor den Winschenreinigen gedrückt, das sich dann auch über sechs Tage hinzieht.

Der 31. August ist ja auch gar nicht mehr so lange hin und alle hoffen inständig auf das Ende des Lockdowns. Obwohl es etwas paradox wäre, denn hier steigen die Zahlen gerade extrem. Bei der letzten Motoradtour hat Micha mitbekommen, dass die Menschen in den abgelegenen Dörfern sich abschotten, sie wollen keine Fremden dort haben.

Wir haben einen Hubschrauberlandeplatz in der Marina. Fast täglich startet und landet der Marina-Besitzer dort mit seiner Privatmaschine. Hubschrauber sind das einzige was manchmal noch umherfliegt und ist daher auch nichts Ungewöhnliches mehr für uns. Eines Morgens fliegt wieder ein Hubschrauber über unsere Marina hinweg und hat an einer langen Leine Etwas zu hängen. Am Abend lesen wir auf Santa Marta Inform, dass es sich um den toten Indianerhäuptling der Kogi; Josè de los Santos Sauna handelt, der an Covid-19 im Krankenhaus verstorben ist und zurück in sein Dorf in die Berge gebracht wird, um traditionell bestattet zu werden. Ich habe schon öfter gelesen, dass einige Indigostämme schwer mit Corona zu tun haben und sich daher weiter hoch in die Berge zurückziehen, um Kontakten aus dem Weg zu gehen.

Mittlerweile regnet es hier fast jeden Tag, was eigentlich ganz schön ist, weil die Temperaturen danach und nachts etwas angenehmer sind. Der Nachteil aber ist, in den vorher fast ausgetrockneten Flussbetten hat sich eine Menge Müll gesammelt, der jetzt stetig ins Meer gespült wird. Außerdem sind die Straßen ruckzuck überflutet und der herumliegende Abfall wird sofort mitgerissen. An Baden ist dann sowieso nicht mehr zu denken und schließlich wird das Wasser so dreckig um uns herum, dass es manchmal sogar nach Kloake stinkt. Wir trauen uns dann nicht den Wassermacher anzumachen und müssen auf anderes Wetter oder Strömung warten.

Eine Woche vor Ablauf des Augusts wird das Ende des Lockdowns verkündet. Wir glauben unseren Ohren/ Augen nicht zu trauen und bekommen es mit der Angst zu tun. 😉 Es muss so ein Gefühl sein, wie wenn man endlich aus dem Gefängnis freikommt.

Die meisten Boote in der Marina, von nicht Einheimischen sind ja seit Beginn des Lockdowns verwaist. Wer noch rechtzeitig wegkam ist nach Hause geflogen oder hat sich irgendwie anders zurückgezogen. Uns gegenüber liegt ein Boot mit französischer Flagge und tatsächlich, kommen zwei junge Männer und fangen an, ihr Boot in Schuss zu bekommen. Eines Tages sehe ich, wie eine Person in weißem Overall bekleideten mit Kanister und Spritzpistole bewaffneten ihr Boot betritt. Mir schwant Schlimmes. ☹ Als er wieder raus kommt, erkundige ich mich ob meine Vermutung richtig war. Und ja, es stimmt. Sie haben seit 6 Monaten ihr Boot nicht mehr betreten und Abfall und Essensreste auf dem Boot zurückgelassen, berichtet er mir freundlich lächelnd. Ich glaube, sie konnten vor Kakerlaken nicht mehr treten.

Uns ist etwas mulmig und wir warten gespannt ob wir wirklich in einer Woche aus unserem goldenen Käfig dürfen und wie sich Santa Marta das Leben wieder zurückholt.

 

Abschnitt 16           Lockdown in Kolumbien – Mai/Juni

Mittlerweile ist klar, dass die Quarantäne nicht zeitnah aufgehoben wird, sondern mindestens weitere drei Wochen anhalten wird. Also mein Geburtstag ist gesichert 😉und wird in der Marina gefeiert. Wir stellen uns darauf ein, auch weil sich ja gerade einige Projekte aufgetan haben, die wir sehr spannend finden. Für den Moment nehmen wir es ganz entspannt und gehen unseren neuen „Beschäftigungen“ nach.

Die erste Lebensmittel-Aktion war sehr ergreifend und nach den beeindruckenden Bildern bei Facebook und Instagram, kamen die ersten Spendengelder von Freunden und Familie. Also planen wir die nächste Aktion und fahren wieder mit Marlon ins Zentrum von Santa Marta, mitten rein ins Leben. Man hat das Gefühl, von Covid-19 haben sie hier noch nicht viel gehört. In unserem Bezirk herrscht diesbezüglich eine übertriebene Strenge der Maßnahmen, obwohl dort niemand wirklich auf den Straßen ist. Hier hingegen sieht man fast volle Straßen und wenige Masken. Trotzdem ist starke Polizeipräsenz vorhanden, um die wir uns mehr Gedanken zu machen scheinen, als die Einheimischen.

Jedenfalls kommen wir raus und sehen mal etwas anderes als unsere geordnete Marina. In der Markthalle sind nur einige Stände geöffnet. In der Fleischetage hängen halbe Tiere bei 34 Grad und Hunde laufen interessiert dazwischen herum. Die Obst- und Gemüseetage ist immer wieder eine Augenweide. Ich muss mich zurückhalten, nicht zu viel zu kaufen. Bei der Hitze hält sich alles nicht so lange und unser Kühlschrank hat nicht viel Platz zu bieten. Ein reges Treiben, wie in den Anfangstagen.

Unsere sonstigen Einkaufmöglichkeiten sind beschränkt auf einen Markt in der Nähe der Marina, der mit jedem Edeka mithalten kann. Dort sieht zwar alles wunderbar aus aber das Obst/Gemüse ist wie in Deutschland grün und unreif geerntet und wird stark gekühlt angeboten. Am liebsten kaufe ich es an Gemüseständen oder bei den fahrenden Obsthändlern auf der Straße.

Wir schleppen die Sachen für unsere Verteilung ins Auto, so dass nur noch vorn zwei sitzen können, was eigentlich sowieso nur erlaubt ist. Der Rest muss mit dem Taxi zurückfahren. Wir bekommen die Genehmigung mit dem Auto in die Marina zu fahren um das Packen bequem an Tischen und mit unseren Leuten zu organisieren. So dauert das Ganze schon mal nur noch einen halben Tag. Die Verteilung zieht sich über zwei Tage. Im Vergleich zum ersten Mal, sind wir also sehr professionell geworden, sowohl was den Einkauf betrifft wie auch Umpacken und Verteilen. Diesmal haben wir 60 Pakete, von denen wir gleich 6 an die entlassenen Marina Mitarbeiter übergeben.

Beim Verteilen bekommen wir wieder Unterstützung von Einheimischen aus Taganga, mit einer Liste bedürftiger Familien, die an diesem Tag ihre Lebensmittel abholen kommen. So geht es doch relativ geordnet von sich. Es ist trotzdem immer bitter mitanzusehen, dass meist mehr kommen als geplant sind und dann unverrichteter Dinge wieder gehen müssen. Bei 60 Paketen ist das natürlich abzusehen. Einige Helfer wollen daher auch nicht mehr weiter machen, weil der Unmut derer, die nichts bekommen zu groß wird.

Gerade hatten wir uns mit allem so schön eingelebt, da machen sich doch die ersten bereit und versuchen ihre Zarpe zu beantragen, um sich wieder auf den Weg zu machen. Allen voran die Amerikaner, da sie es nicht so weit haben und Corona in den USA quasi kein Problem ist. 😉 Auch der Schwede Isaak macht sich allein mit seinem Boot auf den Weg nach Mexico. Seine Crew ist bereits mit einem humanitären Flug nach Hause geflogen.

Es ist also möglich weiter zu fahren, nur eben sehr kompliziert, weil das Gastland, das Heimatland und ggf. das Zielland zustimmen müssen, um eine Genehmigung zu bekommen. Das ist dann natürlich nicht zu vergleichen mit Segeln von Bucht zu Bucht wie es vorher war. Man muss sich gut überlegen, wohin man möchte und dann meist in einem Stück durchsegeln. Ein Zurück gibt es nicht mehr, einmal wegen der vorherrschenden Winde und natürlich wegen der strengen Restriktionen. So erging es den vielen Rückseglern, die nach Europa aufgebrochen sind. Wir hatten das ja alles über die WhatsApp Gruppe mitverfolgt. Alle die sich auf den Weg gemacht hatten, sind gottseidank nach 6 – 8 Wochen meist mit Zwischenstopp vor den Azoren in Europa gut angekommen. Dort durften sie zwar nicht an Land gehen aber ggf. Proviant und Treibstoff ordern.

Unsere kleine Idylle schrumpft also und wir Verbleibenden versuchen es uns schön zu reden und schmieden weiterhin Pläne. Bis Ende April hätten man in den Pazifik starten müssen, da später einfach das Zeitfenster zu eng wäre um vor der Hurrikan Saison im November in Neuseeland zu sein. Der Weg zurück nach Europa bis Ende Mai, ist für Micha keine Option und meine Lust dazu hält sich auch in Grenzen. Beides ist nun vorbei. Definitiv geht es für uns erst wieder nächstes Jahr ab Januar weiter. Ein Jahr Verlängerung ist also gewiss und bringt so einiges an Planung durcheinander.

Diese Woche stehen neben der Lebensmitteaktion auch noch Hunde- und Katzenfüttern an. (Marlons ursprünglicher Plan) Wir fahren an verschiedene Hotspots der Stadt, wo fast Hunderte von Katzen und Hunden gefüttert werden. Teilweise können sie sich nicht richtig auf den Beinen halten so schwach oder krank sind sie. Seine Idee ist es, so viele Tiere wie möglich zu kastrieren/ sterilisieren und die alten, kranken in sein zukünftiges Tierheim aufzunehmen. Wir besuchen auch eine Frau in ihrer Wohnung, die so viele Katzen und Hunde hat, dass man kaum treten bzw. sie nicht mehr zählen kann. Die Hunde interessieren sich – ist ja klar extrem für mich. Es sind kaum Möbel im Haus, das Bett steht auf der Terrasse und auf den Küchenablagen rekeln sich kleine Felltiger.

Mir gehen die Ideen aus, was ich jeden Tag kochen kann. Auch weil sich Michas Kreativität und Lust diesbezüglich stark in Grenzen halten und nur auf ein einziges Gericht beschränkt sind. Da wir aber nicht jeden zweiten Tag Wurstgulasch essen können; jedenfalls ich nicht, bin ich also meistens dran. Andere Alternativen sind der Lieferservice und ein Burger Laden direkt neben der Marina. Also probieren wir auch mal Burger und den hiesigen Pizzaservice, mit abenteuerlichen Ergebnissen. Zweimal warten wir; natürlich schon ziemlich hungrig bis in die Nacht, dann wird freundlicherweise abgesagt, weil es heute doch schon zu spät ist.

Aber es gab auch schon leckere Paella über den Lieferservice oder manchmal, wenn die Fischer uns etwas von ihrem Fang anbieten, ein selbst organisiertes Marina BBQ. Dann wird der Grill angeworfen und unsere ganze Truppe findet sich vorne ein, um ein tolles Essen zu zaubern. Manchmal versuchen wir, Ressourcen und Nerven zu sparen und kochen abwechselnd auf SCOOTER oder DAPHNE für die andere Crew mit. Da kommt dann sogar Michas Wurstgulasch ins Spiel und ich werde beneidet, um meinen häuslichen Mann. 😉

Gottseidank gibt es immer noch die schönen Abende bei Mirko und Leidi. Natürlich bringen wir uns auch mal ein, wie z.B. mit einem Nachtisch oder Sauerkraut. Mirko versucht seit Wochen einen Flug zu bekommen um nach Deutschland zurück zu kommen. Zwar macht er Homeoffice, aber durch die Zeitverschiebung muss er schon mindestens früh ab fünf Uhr mit dabei sein. Er und seine Firma sind davon schon etwas genervt. Bis dahin genießen wir die immer sehr geselligen Abende bei ihnen, die durch Leidi‘s Freunde oft richtig kolumbianisch sind. Was kann es Schöneres geben als Kolumbien bei Einheimischen zu mitzuerleben.

Weiterhin gehe ich noch manchmal zu Leidi unter der Woche und lerne mit ihr. Immer öfter sind gesellige Kolumbianer da oder die halbe Familie sitzt mit am Tisch. Mitunter, hat sie spontan etwas zu erledigen, ist mal für ´ne halbe Stunde weg oder es werden parallel noch ganz professionell Haare oder Fußnägel geschnitten. Wieder eine Lernaufgabe für mich. Als gut sortierte Deutsche undenkbar, 😉 hier ganz selbstverständlich. Ich versuche mich in kolumbianischer Geduld zu üben, was mir auch nach über einem Jahr nun fern des normalen Alltags immer noch schwerfällt. Selbst Mirko ist noch nicht soweit, wobei er lächelnd den Kopf schüttelt und die Augen verdreht.

Wir wollen mal raus hier und Leidi schlägt uns ein reizvolles Angebot vor. Sie hat entsprechende Kontakte und so planen wir einen heimlichen Ausflug an einen wunderschönen Strand. Alles wird gut vorbereitet, morgens um 5 Uhr werden wir mit einem offiziell aussehenden Touristenbus abgeholt, da die Polizei erst ab 8 Uhr arbeitet. Es geht, für uns das zweite Mal seit 3 Monaten raus aus Santa Marta in den eigentlich geschlossenen Tayrona Park. Zu Nicht-Corona-Zeiten ist er die Attraktion und es wimmelt am Eingang nur so vor Menschen, zahlreichen Straßenhändlern, Reisegruppen usw.

Nach ca. einer Stunde Autofahrt durch den komplett verwaisten Park, kommen wir ans Wasser und wechseln in ein Motorboot. Zwei Buchten weiter erreichen wir den herrlichen Playa Cinto. Das Wasser ist kristallklar und bis an den Strand stehen Mangrovenbäume, unter denen man bequem im Schatten sitzen kann. Wir bekommen sogar Stühle und für unser leibliches Wohl ist auch gesorgt. So ausgelassen waren wir schon lange nicht mehr und wir genießen jede Minute, bis es leider um 15 Uhr schon wieder zurück geht. Vor dem Dunkelwerden müssen wir ja „Zuhause“ sein. 😉

Natürlich hatten wir einen Tag davor unsere Lebensmittelbestellung gemacht und alles schon gut verpackt. Micha muss davor immer den Geldautomaten sehr strapazieren, also vier bis acht Mal abheben, damit endlich 3,2 Millionen Pesos rauskommen. Der Pesos steht momentan 1:4.000 zum Euro.

So beginnen wir Freitag wieder unsere Verteilaktion. Diesmal haben wir David dabei, einen, der wenigen englisch sprechenden Leute hier. Er ist Sozialarbeiter und hat mit Kindern aus sozial schwachen Familien zu tun. Der ideale Kontakt für uns, da er genügend bedürftige Familien kennt und alles gut vorbereitet hat. Er informiert sie und bestellt sie an einen zentralen Ort, an dem wir ganz organisiert unsere Tüten loswerden. Es erinnert fast schon an deutsche Gründlichkeit. 😉 Der Rest wird Montag noch auf den Straßen an Obdachlose verteilt.

Wir können oder wollen momentan nicht mehr in Taganga verteilen. Man hat sich nach Marlon erkundigt; wo er wohnt und ob er Geld hat. Das sollte man in Kolumbien nicht auf die leichte Schulter nehmen. Außerdem kippte die Stimmung bei einigen schon vor Ort etwas, weil nicht alle etwas abbekommen haben und sie nicht verstehen, dass wir keine professionelle Organisation sind. So entsteht der Gedanke, es in einer anderen Region zu probieren. Das ist natürlich noch einmal komplizierter, weil wir eine Genehmigung brauchen um weiter wegzufahren und das auch noch mit 6 -8 Personen.

Wir fahren in die Nähe von Palomino zu einer Schamanin, die die entsprechenden Familien in ihrem Dorf sehr gut kennt. Wir starten wieder sehr früh, um vor den Polizeikontrollen durch zu sein. Micha und Tomek fahren mit Motorrädern. Endlich, Micha ist überglücklich.

Das Haus der Schamanin ist sehr interessant um einen großen Mangobaum herum gebaut. Alles ist mehr oder weniger offen und sehr einladend. Sie wohnt mit ihrem Sohn zusammen, der sogar ein paar Brocken Englisch spricht. Sie scheint hier eine sehr geachtete Frau zu sein, die sich mehr um die Belange des Dorfes zu kümmert scheint. Wir werden bei ihr mit frischen Mangosaft und dem so wunderbaren kolumbianischen Kaffee empfangen und frühstücken erst einmal unsere mitgebrachten Brote.

Der Kaffee wird eine Weile mit Panela geköchelt und dann abgeseiht. Panela fällt bei der Zuckerrohrsaft Gewinnung an und wird als Block getrocknet. Dadurch ist es voll mit Vitaminen und Mineralstoffen und man hat kein schlechtes Gewissen beim Genießen des so leckeren, süßen Getränks. Milch wird dadurch überflüssig, der Kaffee in Kolumbien wird grundsätzlich schwarz getrunken.

Sie hat alles wunderbar organisiert. Die Leute kommen zur angesetzten Zeit, sie streicht ordnungsgemäß alle auf ihrer Liste ab und vertröstet nicht Angemeldete, sich bis zum nächsten Mal zu gedulden. Die Menschen kommen teilweise aus den Bergen, manche mit Säuglingen und zu dritt auf dem Moped.

Nach getaner Arbeit machen wir es uns in der Nähe in einer kleine Hotelanlage gemütlich. Durch die vielen Kontakte von Marlon tut sich immer wieder ein Türchen auf. Wie überall ist auch hier alles geschlossen. Samilla, die Hotelbesitzerin und auch wir müssen aufpassen, dass nicht ein missgünstiger Nachbar uns hört. Daher genießen wir ganz leise den Strand und das wunderschöne Ambiente mit perfekt in die Umgebung eingepassten Bungalows. Am Strand sieht man wie Fischer ihre Netze mit großem Kraftaufwand auf dem Meer ziehen. Micha schlendert interessiert zu ihnen hin, um schöne Fotos zu machen. Aber sofort wird er angesprochen und es dauert nicht lange, da steht er schon zwischen ihnen und hilft mit, das Riesennetz rauszuziehen. Das ganze Dorf hilft bei dieser Aktion mit und der Fang wird danach unter ihnen aufgeteilt. Eigentlich darf ja niemand an den Strand aber wir sind ja in Kolumbien, wie wir immer wieder feststellen, funktioniert hier einiges anders.

Auf dem Rückweg wird es wieder etwas kompliziert. Die Mopeds sollen für eine, in der nächsten Woche geplante Männer-Tour in „Tom’s Hostel“ (wieder ein guter Freund von Marlon (und Schwabe)) abgestellt werden. Das bedeutet, die Beiden, Micha und Tomek steigen für die zweite Hälfte der Rückfahrt auch mit in Marlons Auto. Dumm ist nur, wir sind dann zu 6. Normalerweise gar kein Problem in Kolumbien, außer es herrscht gerade Corona, wo eigentlich nur zwei Personen in einem Auto fahren dürfen. Uns bleibt nichts anderes übrig, Micha muss nach hinten auf den Hundeplatz. Auf dem Rückweg schaffen wir es natürlich nicht an den Polizeikontrollen vorbei zu kommen. Man kann immer nur hoffen, dass man nicht angehalten wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt; wir werden rausgewunken. Mit unserer falsch geschriebenen Genehmigung und Marlons Überredungskünsten versuchen wir davon abzulenken, dass wir hinten noch einen blinden Passagier haben. Micha macht sich klein und meine Haarpracht sorgt für gute Deckung. Sie schauen alle Ausweise durch und in jedes Fenster herein. Das scheint schonmal geklappt zu haben, jetzt dreht einer noch über hinten, eine kleine Runde ums Auto. Das war es jetzt; denke ich, denn man kann sich nicht zweimal rausreden. In Kolumbien geht normalerweise alles irgendwie mit Geld. Das Problem ist nur, auch das muss man geschickt machen. Sie stehen an diesen Kontrollen meist zu viert oder fünft und wollen natürlich auch nicht als korrupt enttarnt werden. Das heißt, man muss mit schauspielerischen Talent ihnen das Geld zukommen lassen, was sie natürlich empört ablehnen.

Micha bleibt erstaunlicher Weise unentdeckt und wir dürfen schließlich unbehelligt weiter. Das sind so die kleinen Abendteuer von unserem doch recht beschaulichen Leben in der Marina, wo sich auch ein gewisser Alltag eingestellt hat. Von einer Woche zur anderen, planen und organisieren wir. Micha darf wieder Exceltabellen erstellen und alles gewissenhaft aufbereiten damit alle Geldflüsse nachvollziehbar sind. Das ist diesmal auch wirklich wichtig, denn mittlerweile jonglieren wir mit sehr viel Geld herum. Sowohl die Spendengelder als auch die Ausgaben für die Einkäufe werden genaustens verbucht und zugeordnet, später auch noch mit einer Formel für den schwankenden Wechselkurs ergänzt. 😉

Für das nächste Mal steht sogar eine Übernachtung mit an. Das motiviert uns natürlich noch mehr, erfordert aber extreme Vorbereitungsmaßnahmen für uns, sowie den Transport. Es geht  zu Mara, einer deutschen Freundin von Marlon. Sie ist seit ca. 20 Jahren hier und betreibt eine kleine Hotelanlage. Wir haben die Genehmigung in Palomino zu verteilen und dadurch hat sie die Genehmigung uns zu beherbergen für zwei Nächte. Also alles fast offiziell. Die Namen auf der Genehmigung sind falsch geschrieben und es stimmt fast keine Nummer mit der wirklichen Passnummer überein. Laut Marlon, reicht das aber und ist fast sicher. 😉

Wir starten mit dem verbliebenen Rest aus der Marina, schließlich brauchen die auch mal eine Auszeit. Leider ohne die Portugiesen, weil Kinder unter fünf Jahren der Ausgang völlig verwehrt ist. Umso erstaunter sind wir, als wir im Bus ganz selbstverständlich Kinder sehen. Generell ist es hier so, dass alles immer anders ist und niemand richtig Bescheid weiß, was nun wirklich verboten oder erlaubt ist. Und deshalb handeln wir auch viel intuitiv und nach Bauchgefühl.

Die Tour beginnt mit dem Taxi zur zentralen Bushaltestelle. Wir sind 8 Pärchen, brauchen also vier Taxen, wegen der Vorschriftsmaßnahmen. Marlon fährt mit  dem Auto die Lebensmittel, begleitet von den Mädels, Camilla und Lina. Die Bushaltestelle befindet sich neben der zentralen Markthalle der Stadt, die weiträumig von der Polizei abgesperrt ist. Kein Problem, denken wir, das Taxi fährt ja dort durch und setzt uns direkt am Bus ab. Marlon hatte uns darauf hingewiesen, etwas seriös auszusehen, also nicht zu sehr bunt und nach Strand. Daher wird mein Sonnenhut in der Tasche verstaut und ich verzichte auf den Schwimmring. 😉 Was sich aber nicht ganz verstauen lässt, ist eine riesige Wassermelone. Normaler Weise sind das so Aktionen, die ich gern vor Micha geheim halte, damit er entspannt bleibt und informiere ihn erst hinter her, wenn alles gut gelaufen ist. Klappt aber diesmal nicht so richtig, schon wegen der Größe.😊

Hier ist also die Geschichte der Wassermelone: Wir kauften bei unserer letzten Verteilaktion in der Nähe von Palomino, also dort wo wir auch heute wieder hinfahren, Obst und unter anderem diese riesige Wassermelone. Die wollten wir zusammen mit der SCOOTER schlachten, wozu wir aber nicht gekommen sind. Da wir nun für drei Tage unterwegs sein werden, wollten wir sie nicht verkommen lassen. Der Plan war, dass Marlon sie mit dem Auto und den Lebensmitteln mitnehmen wird. Das klappte aus irgendwelchen Gründen nicht, sodass wir nun mit der, nicht nur riesigen, sondern auch schweren Wassermelone ins Taxi steigen müssen. Micha bleibt natürlich nicht entspannt, sondern, prophezeit Schlimmes, was diese Aktion natürlich noch schwerer macht, als die Melone selbst. Ich versuche ihn zu beruhigen und verspreche ihm, dass er sie erst wieder in Palomino zu Gesicht bekommen wird, da wir ja gleich im Bus sind.

Vier Taxis kommen und just heute dürfen sie nicht durch die Absperrung fahren, sondern setzen uns grüppchenweise an verschiedenen Kontrollstellen ab. Nicht nur, dass wir jetzt noch ein ganzes Stück zu laufen haben, sondern wir müssen noch die Kontrolle passieren. Die schriftliche Genehmigung hat natürlich nur einer in der Tasche. Wir stehen also ziemlich dumm mit der Melone direkt vor den Polizisten, die sich in Selenruhe unsere Ausweise anschauen, mit abwechselndem Blick auf uns und die Melone, sowie noch ernste Blicke untereinander austauschen. Das war es jetzt, denke ich und versuche mir vorzustellen wie die anderen jetzt in ähnlicher Situation dastehen, nur ohne Melone. Ich füge vorsorglich schon mal ein paar spanische Worte gedanklich aneinander, die zu unserer Entlastung helfen könnten. Die Zeit scheint still zu stehen und sich schier endlos auszudehnen, bevor wir unsere Erlösung in Form unserer Pässe empfangen.   

Konzentriert schaue ich auf die nächsten zu lösenden Aufgaben; den Bus und die anderen zu suchen und ignoriere stoisch Michas Blick. Ich bezweifele, dass alle durchkommen, weil ja vieles einfach willkürlich gehandhabt wird. Von uns 8, spreche ich am „besten schlecht“ Spanisch. Also alles ohne Verständigung denn hier kann auch niemand Englisch.

Wir erreichen schließlich mit Wassermelone den Bus und sehen erleichternd die eine Hälfte unserer Crew. Die Melone darf als erste in den Bus einsteigen und dann sehen wir auch schon die Amis Steve und Julia mit den Engländern Jack und Fizzy. Mareike und Thomas sitzen schon drin. Puhh!!! Nach aufwendiger Schuh- und Händedesifektion steigen wir auch ein und erkundigen uns sicherheitshalber noch einmal, ob er wirklich nach Palomino fährt. Dann lehnen wir uns erst einmal erlöst zurück.

Zwar haben wir alle die Masken halbwegs auf, aber bei der Aufregung und Fragerei sitzen sie nicht mehr ganz so korrekt. Der Bus füllt sich langsam und eine derbe Kolumbianerin ruft beim Einsteigen lautstark etwas durch den Bus, wobei sie sehr böse auf uns schaut. Mein Übersetzungsprogramm im Kopf entziffert schließlich: Die Gringos tragen keine Masken. Ich drehe mich um und; Ohhh, sie hat recht, schnell richten wir wieder unsere topabocas (Masken) aus und versuchen möglichst unauffällig zu wirken. Nach ca. zwei Stunden erreichen wir fast Palomino und fahren an dem Obststand vorbei, wo wir letzte Woche die Wassermelone gekauft haben. 😊 Micha hätte sie dort am liebsten wieder zurückgegeben.

Nachdem das geklärt war, gab es die nächste kleine Aufgabe zu lösen. Die Mopeds sollen von Tom’s Hostel abgeholt werden, um sie mit zu Mara zu nehmen. Der ursprüngliche Plan, dass wir Marlon morgens noch sehen, weil er ja die Melone mitnimmt und dann besprechen wir noch alles, war ja schon gescheitert. Auch wollte er, falls es Probleme gibt, direkt hinter dem Bus herfahren und uns dann ein Zeichen geben wo wir den Bus stoppen sollen. Das geht hier ganz einfach und unkompliziert an jeder Stelle. Auch unterwegs kann man einfach winken und wird mitgenommen, fast wie bei uns. 😉

Dazu hatte er eigens ein Walky-Talky angeschafft, das natürlich nur beschränkte Reichweite hat. So einfach mal die Adresse schicken geht hier irgendwie nicht. Auch haben wir keine Datenkarte fürs Handy, weil wir ja normalerweise nie außerhalb der Marina sind. Von Marlon und seinem Auto keine Spur und keine Adresse, nur eine wage Erinnerung, wo es ungefähr sein könnte. Dann noch den Mut haben, als Gringo den Bus anzuhalten. Das Problem mit dem Spanischsprechen ist, dass sie einen hier gerne nicht verstehen, auch wenn man ungefähr die korrekten Vokabeln hat. Erst wenn man theatralisch Hände und Füße dazu nimmt, kommt ein „ahh siiii“ und sie wiederholen was man gerade mühsam gestammelt hat. Irgendwann rauscht tatsächlich das Walk-Talky und Marlon überholt den Bus. Erleichtert macht sich Micha zum Absprung bereit und steigt voller Freude um, aufs Zweirad.

Wir haben endlich drei Tage „Ferien“ und genießen die Zeit im Pool und am Meer sowie das schöne Essen und lassen es uns richtig gutgehen. Die Zimmer sind fast offen, wir schlafen unter dem mit Palmwedel gedeckten Dach. Am Tage ist wirklich alles wunderschön, nachts ist es mir wieder etwas unheimlich, was sich da eventuell alles so mit mehr Beinen als wir auf den Weg machen könnte. 😉

Mara hat alles super organisiert. Die Leute kommen geordnet zur angegebenen Zeit und niemand geht ohne Lebensmittel nach Hause. Zu fast allen erzählt sie uns kurz die Lebenssituation, so dass es sehr persönlich wird.

Für den Rückweg nehmen wir wieder den Bus, wir sind ja quasi schon halb einheimisch-kolumbianisch  und kommen direkt in unseren ersten Stau. Hier gibt es nur eine Straße entlang der Küste die alle Dörfer und Städte miteinander verbindet. Niemand weiß was los ist, es kursieren die wildesten Geschichten, die wir natürlich nur ansatzweise verstehen. Wie z. B., ein LKW ist mit Obst umgefallen…etc. Nach zwei geduldigen Stunden geht Thomas bis nach vorne und kommt mit der wahren Geschichte zurück. Es ist einfach nur eine Demo die irgendwie mit Corona zu tun hat. Verändert die Sache nicht wirklich aber wir sind beschäftigt und schon nach drei Stunden geht die noch zwei stündige Fahrt schließlich weiter. 😊

Nachdem wir wieder glücklich in unserem Heimathafen zurückkommen sind, haben wir das Gefühl, mindestens eine Woche unterwegs gewesen zu sein, so erholsam war diese Abwechslung. Leider scheinen das auch unsere Untermieter so empfunden zu haben, waren sie doch mal ganz ungestört. Fast zwei Wochen haben wir keine Kakerlake mehr gesehen und dachten, wir sind durch. Auf einmal finden wir abends drei ausgewachsene Exemplare, die sich fröhlich im Küchenbereich zu schaffen machen. Wir haben noch die Hoffnung, dass sie gerade erst reingeflogen sind, wie bei der SCOOTER. Große Aufregung auf der DAPHNE und ich muss wieder ganz tapfer sein, vor allem wenn sie auch noch herumfliegen.

Am nächsten Morgen stellen wir das ganze Boot auf den Kopf und räumen die gesamte Pantry mit allen Vorratsschränken aus. Und siehe da, wir finden noch weitere, bestimmt 10… in unterschiedlichen Größen, manche auch schon dahingeschieden. Leichte Panik macht sich nicht nur bei mir bemerkbar. Wir räumen alles aus was möglich ist und wischen, putzen, säubern …über 3 Tage. Es hilft nichts, nun müssen stärkere Geschosse her und wir sprühen etwas nicht biologisch Abbaubares. Sie sind einfach zu schnell und ein Boot hat zu schöne Verstecke für ihre Absichten. Man darf das auch nicht leichtsinnig nehmen sonst entwickelt sich daraus wirklich ein Problem. Im Moment fühlen wir uns auf dem eigenen Boot nicht mehr ganz wohl. Vor allem wenn es dunkel wird. Wir teilen sogar Kakerlaken Wachen ein. Das heißt, wenn es dunkel wird oder nachts machen wir kurz das Licht im Bad oder Küche an und sind schon vorbereitet mit Spray und meinem homöopathischen Reiseratgeber, der uns als Schlaginstrument bei Mücken auch schon gute Dienste geleistet hat. Das halten wir die nächsten Tage und sogar Wochen bei. Ich führe außerdem zur besseren Beurteilung ein Cucaracha-Tagebuch. ☹

Weil wir so beschäftigt sind, vergessen wir für eine Weile, dass wir uns eigentlich auf einer Weltumseglung befinden. Normalerweise halten wir uns nur max. eine Woche an einem Ort auf, nun sind es schon fast drei Monate. Ende Mai kommt, wir hatten es sowieso schon geahnt, die nächste Verlängerung bis Ende Juni. Wir nehmen es immer noch sportlich, zumal es viel zu tungibt und uns die Ideen nicht ausgehen.

So läuft also der übliche Marina Alltag vor sich hin, begleitet von den sonstigen Projekten. Immer wieder sonntags kommen jetzt häufig die Delfine und erheitern uns mit ihren Kunststücken. Diesen Sonntag aber, kommen sie bis in die Marina rein und wir glauben es kaum, wir dürfen ebenfalls ins Wasser und mit ihnen schwimmen. Das ist so unglaublich und beeindruckend, dass der ganze Hafen Kopf steht. Alles stürzt ins Wasser mit Kind und Kegel und versucht einen von den zwei Delfinen zu streicheln. In Deutschland wieder undenkbar, ohne aufwendige Belehrungen mit mindestens drei Unterschriften sowie einer ärztlichen Bescheinigung und, und, und.

Hin und wieder wird ein Filmabend organisiert oder manchmal sitzen wir auch einfach nur so spontan zusammen. Meine Yogastunden laufen gut und wir entwickeln uns langsam zum Fortgeschrittenen-Kurs. Natürlich feiern wir den einen oder anderen Geburtstag, so wie Ende Mai meinen und drei Wochen später Michas.  Wir laden ein zu einem kleinen Cocktailabend und bereiten ein, zwei… schöne Mojitos für alle.

Manchmal spielt Micha mit Jack Gitarre und füttert weiterhin das Musikvideo mit unendlich vielen kleinen Filmpuzzelchen. So ist er immer auf der Suche nach passenden Sequenzen. Es werden Yogaszenen gefilmt oder die vielen verschiedenen Tiere in der Marina. Selbstverständlich darf unser Trashy-Tuesday nicht fehlen sowie die geselligen Abende mit Tanzeinlage und oder das Delphinschwimmen. Einen Tag müssen sogar alle bei einem kleinen Dreh mitmachen. Schließlich entsteht unser kleines Video über den Alltag in der Marina mit dem umgedichteten Song „Hotel California“ von den Eagles.

In die Marina kommt abends oft ein Müllsammler, namens Jesus, mit dem ich natürlich schon Kontakt aufgenommen habe. Er bekommt auch manchmal etwas von unseren Einkäufen. Das Marinapersonal nennt ihn, „El Rey“ – den König. Wir fragen ihn, ob er Lust hat, in einem kleinen Interview mal über sein Leben zu erzählen. Schließlich verabreden wir ein Termin mit ihm wobei uns Marlon hilft zu übersetzen. Er findet sich pünktlich um 18 Uhr, so wie verabredet in der Marina ein. Es entwickelt sich ein erstaunliches Gespräch, das unseren Blick auf die Dinge des Lebens tatsächlich etwas verändert und wir verstehen jetzt, warum er „El Rey“ genannt wird. Sehr deutlich werden wir auf die Vorurteile aufmerksam, die wir dachten nicht zu haben.

Hier geht es zum Interview.

Wir haben hier täglich zwischen 30 und 36 Grad, nachts 28,  kein Regen seit 3 Monaten. Trotzdem phasenweise extrem viele Mücken. Da wir ja hart im Nehmen sind, haben wir natürlich auch keine Klimaanlage an Bord. Ich habe noch nie so viel geschwitzt in meinem Leben wie hier und normalerweise dauert es bis ich ins Schwitzen komme. Endlich weiß ich wozu Augenbrauen da sind, der Schweiß läuft einem hier manchmal nur so runter. Die Haut ist ständig etwas feucht klebrig, Eincremen ist kaum möglich. Nach dem Duschen ist vor dem Duschen.

Nachts haben wir die ganze Zeit einen kleinen Ventilator zu laufen. Es ist manchmal so unausstehlich heiß, dass mich nicht mal die Geräusche davon stören.  In Martinique hatten wir vorsorglich eine Windhutze gekauft, die etwas Luft ins Boot bringt. Sie wird über unsere Achterluke gespannt um es nachts etwas erträglicher zu machen. Mit dem Wind ist es hier aber so eine Sache, manchmal weht er so, dass man alles festhalten muss und dann bewegt sich wieder wirklich kein Lüftchen. Wir schlafen ohne Decke oder ähnliches,  gerade mal mit einem Laken zum rumwurschteln hält man es aus. Der einzige kühle Raum hier ist die Captains-Lounge wo sich alles, samt Kindern mit Onlineschule, Computerspielen, Videofilmen sowie diverse Tel-Kos abspielen. Die sanitären Anlagen hatten auch anfangs Klimaanlage, musste aber abgestellt werden wegen Corona. Also nur noch Captains-Lounge. ☹

Zwischen SCOOTER und DAPHNE haben wir es uns schon häuslich eingerichtet und ein Tarp gespannt. Mareike und Thomas haben sehr viel zu werkeln an ihrem Boot und sind fast jeden Tag am Arbeiten. Sie haben ihr Boot in England gekauft und sind sofort nach ein paar notwendigen Arbeiten losgefahren. Wir hatten ja zwei Jahre Zeit DAPHNE auf Vorderfrau zu bekommen, daher steht bei uns nicht so viel an. Einige Kleinigkeiten am Boot fallen natürlich auch immer mal an. Deckpfropfen sind immer mal wieder auszutauschen und die Badeleiter klemmte schon wieder. Das Gute ist, da wir nur im Hafen liegen, geht ja auch nicht wirklich etwas kaputt.

Alle 14 Tage schleiche ich mich mit Mareike zu dem, etwas weiter weg in der Innenstadt liegenden Supermarkt um mal etwas spezielleres einzukaufen, wie z.B. Leinsamen oder Sushi-Reis. Aber auch weil es dort ein Kleidungsangebot gibt, was für uns jetzt als Shopping-Ersatz herhalten muss. Nie im Leben hätten wir uns sonst dort auch nur ein T-Shirt angesehen. Jetzt kennen wir das ganze Angebot und stellen fest, dass die Klamotten gar nicht so schlecht sind. 😊

Ich befinde mich gerade bei Leidi als der erste Regen seit drei Monaten fällt. Alle springen auf und tanzen auf freudig umher. Ein Blick vom Balkon sagt mir; hier kommst du so schnell nicht mehr weg. Die Straßen stehen kniehoch unter Wasser und entwickeln sich zu kleinen reißenden Bächen. Wir hatten uns schon manchmal gewundert warum die Bürgersteige hier extrem hoch sind, nun macht es einen Sinn. Es gibt ein trockenes Flussbett in Santa Marta, was sich in Windeseile füllt und das Wasser direkt neben uns ins Meer leitet. Teilweise übernehmen die Straßen dieselbe Funktion und sind nicht mehr befahrbar. Es sollen laut Marlon sogar schon Boote in den Straßen gesehen worden sein.

So haben wir unser Tun und hangeln uns von einer Woche zur anderen, bzw. von einem Lockdown zum nächsten. Die Hoffnung ist immer groß und an dem Tag wo die nächste Verlängerung angekündigt wird, fallen wir doch wieder in ein Loch. Nach wie vor sitzen wir hier zwar im Paradies, wissen aber überhaupt nicht, wie es weiter gehen soll. Der Deutsche an sich, ist ja für seine korrekten Planungen bekannt, so wie aber scheinbar auch Engländer, Amerikaner und Portugiesen.

Die Marina ist wunderbar, wir dürfen uns hier frei bewegen, zahlen aber einen deutlich höheren Preis als geplant. Auf diesem Teil der Reise hält man sich eigentlich nicht mehr in Häfen auf, nur noch, wenn etwas notwendigerweise zu reparieren ist. Wir hatten relativ bald für alle gestrandeten Boote einen guten Rabatt ausgehandelt bekommen aber die Gebühren übersteigen bei vielen mittlerweile das Budget. Dadurch, dass wir nichts mehr für Restaurants und Ausflüge ausgeben können, hält es sich bei uns die Waage. Für die meisten ist es inzwischen nicht nur ein Zeitproblem, sondern auch ein finanzielles. Das ist dann auch der Grund für viele, jetzt schon weiter nach Panama zu fahren um sich dort in eine Ankerbucht zu verlegen. Das heißt dann aber nur noch mit Dinghi von Bord, also noch weniger Bewegungsfreiheit. Wir bleiben da doch lieber noch ein Weilchen in unserem goldenen Käfig mit gelegentlichem Auslauf.

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Abschnitt 15           Lockdown in Kolumbien – April

Der Lockdown wurde verlängert. Bis zum 19. April haben wir also Zeit, und damit auch eine willkommene Pause um uns etwas zu sortieren. Wir mutmaßen, länger kann es ja eigentlich nicht dauern. Auch weil die Hälfte der Menschen hier im informellen Sektor arbeitet. Also was sie heute verdienen, verbrauchen sie auch heute. Kein soziales Auffangen wie in Deutschland. Jeder geht hier irgendeinem Geschäft nach und am Ende des Tages scheint es bei den meisten irgendwie zu reichen. Es wird kaum wirklich gebettelt. Man bekommt eine Kleinigkeit angeboten, wie z. B. einen Lutscher oder ein Feuerzeug und kann dann entscheiden ob und wieviel man geben möchte. Kaltes Wasser und heißen Kaffee gibt es an jeder Ecke und das ist dann immer extrem kalt, bzw. heiß.

Mitte April kommen einige Marina-Mitarbeiter wieder in Teilzeit zur Arbeit und es kehrt ein klein wenig Normalität ein. Sogar der Minimarkt hat wieder 4 Stunden täglich geöffnet. Allerdings hat er nichts, was man wirklich gebrauchen könnte. Auch der kleine Imbiss bleibt weiterhin geschlossen und so beschränkt sich das Angebot auf kühle Getränke, 3 Regale mit verschiedenen Chips und lauter Musik.  

Ein Marina-Mitarbeiter kommt eines Tages zur Daphne und versucht in Spanisch zu erklären, dass Besuch für uns am Eingang steht. Wie jetzt? Das geht doch gar nicht mehr und erwarten tun wir auch niemanden. Wir sind also sehr gespannt und gehen natürlich gleich mit nach vorne. Am Eingang steht dem ersten Anschein nach, ein uns völlig unbekanntes deutsch-kolumbianisches Pärchen, was unsere Neugierde noch mehr weckt.

In den nächsten 10 Minuten lernen wir dann Mirko und seine Freundin Leidi kennen. 😊 Er hat hier häufig dienstlich zutun und die beiden sind seit über einem Jahr ein Paar. Über einen Zeitungsartikel von Micha ist er auf uns aufmerksam geworden und kann von seiner Terrasse direkt auf unseren Hafen sehen.

Man merkt ihm sichtlich die Begeisterung an, nach 4 Wochen in Quarantäne, endlich mal wieder mit anderen Menschen sprechen zu können und dann auch noch auf Deutsch. Ihr Plan war, bevor Corona auch sie ausgebremst hatte, nach dem Urlaub gemeinsam nach Deutschland zu reisen und dort zu heiraten. Und so werden wir gleich eingeladen zum BBQ vorbeizukommen, gerne auch mit Mareike und Thomas. Oh wie schön, ein kleines Highlight in dieser merkwürdigen Zeit. Nach langsamem Abflauen der Euphorie, überdenken wir allerdings noch einmal alles und realisieren, dass das ja eigentlich alles nicht mehr erlaubt ist. Außerdem haben wir nicht alle die gleiche Nummer im Ausweis. Im Dunkeln, also ab 19 Uhr sollte man sich sowieso nicht mehr auf der Straße herumtreiben, usw.….

Wir diskutieren mit der SCOOTER hin und her. In Santa Marta gibt es bisher kaum infizierte Fälle, wir alle sind fast in Quarantäne und das schon seit Wochen. So siegt schließlich die Neugierde und der Wunsch nach etwas Abwechslung. Wir schieben das BBQ auf den Nachmittag, um wenigstens vor der Dunkelheit wieder im sicheren Hafen zu sein.

Das Treffen ist wirklich ein Highlight, nicht nur das Essen, sondern auch der Austausch mit den Beiden. Ich versuche gleich meine im Dämmerschlaf liegenden Spanischkenntnisse abzurufen und mich etwas mit Leidi zu verständigen. Endlich freut sich mal jemand über mein ‚Fractura-Espanol‘ und muss mir zuhören. 😉 Mirko und sie verständigen sich ausschließlich in Englisch. Normalerweise ist unsere Amtssprache in der Marina auch Englisch aber an diesem Abend wird endlich mal wieder Deutsch gesprochen mit spanischem Untertitel. 😉

So haben wir beide einen Grund die Sprache des anderen zu erlernen und verabreden uns, es zusammen zu probieren. In den nächsten Wochen schleiche ich dann immer zwei bis drei Mal die Woche zu Leidi hin, um mit ihr Spanisch/Deutsch zu sprechen. Anfänglich ist mir nicht so wohl, dort allein hin und auch wieder zurück zu gehen. Mittlerweile kennen mich aber nun alle Hunde auf dem Weg dorthin und auch bald die Menschen. Man kann gar nicht anders, als mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich habe also immer etwas Kleingeld oder Lebensmittel dabei und manchmal auch Hundefutter.

Die Kolumbianer sind wirklich wundervoll herzliche Menschen. Sie sind nicht nur sehr nett zu uns Gringos sondern füttern auch alle Straßenkreaturen mit durch.  Überall stehen Wasserbehälter und Fressnäpfe herum, woraus Hunde, Katzen auch Vögel und was sonst noch… sich bedienen. In der Nähe unserer Marina kommt täglich pünktlich um 18 Uhr eine Frau und füttert dort so ca. 10 – 15 Hunde und eine Ecke weiter ca. 30 Katzen.

Fast wöchentlich werden wir von Mirko und Leidi eingeladen, in ihr schönes Apartment mit Dachterrasse und kleinem Pool zum Essen zu kommen. Es ist jedes Mal ein Glücksspiel, ob man reingelassen wird oder nicht. In den größeren Apartmenthäusern sitzt unten immer, von der Hausverwaltung eingesetztes Securitypersonal. Wenn man kommt, wird erst oben angerufen, dann werden Hände und Schuhe aufwendig desinfiziert, bevor man evtl. hoch darf. Die Quote beträgt ca. 2:3, dass es klappt. Bei den nächsten Malen sind immer auch mal Freunde von Leidi dabei und wir staunen wie Kolumbianer feiern können. Zwei reichen aus um die Lautstärke zu verdreifachen. Man hat das Gefühl, sie sprechen alle auf einmal und versuchen auch uns mit Händen und Füßen einzubeziehen. 😊

Unser normaler Tagesablauf sieht ungefähr so aus; um ca. 7 Uhr stehen wir meist auf, dann gibt’s Kaffee und Müsli. Manchmal, wenn wir eher aufwachen, geht Micha laufen und ich mache etwas Yoga. Ab 8 Uhr geht nichts mehr, da ist es dann zu heiß. Yoga ist auch schwierig, man hat nirgends wirklich eine Privatsphäre. Danach erledigen wir Telefonate und sonstige Korrespondenzen, denn das gemeinsame deutsch/kolumbianische Zeitfenster hierfür ist recht kurz. Wir sind nach der deutschen Sommerzeit 7 Stunden hinterher. Altlasten wie Steuer, Blockheizkraftwerk aber auch Hausangelegenheiten und Familienkasse sind immer wieder Themen die zeitnah bearbeitet werden müssen. Antonia macht einmal im Monat unsere Post. So richtig werden wir Deutschland nicht los. Natürlich halten wir engen Kontakt mit Familie und Freunden, so gibt es regelmäßige Telefonkonferenzen oder auch innige Einzelgespräche. 😉

Dann wartet natürlich der ganz normale Wahnsinn in Form von Alltag auch hier auf uns.  Wäsche waschen, kochen, abwaschen, enkaufen etc. Das Boot muss mindestens einmal wöchentlich innen und außen gereinigt werden. Es ist andauernd je nach Wind schwarz und sandig. Wir liegen hier in der Nähe eines Kohleverladehafens und da kommt einiges an. ☹

Und natürlich ist immer irgendetwas zu räumen, zu reparieren oder zu warten. Zum Beispiel starten wir nach einem Monat mal wieder den Motor um zu schauen, ob noch alles okay ist. Er müsste ansonsten ordentlich außer Betrieb genommen werden.

Mittags gibt es meist einen kleinen Salat mit Avocado und danach kommt unser tägliches Highlight. Wir klettern über die Wellenbrecher und gehen baden. Zweimal kam schon die Tourismuspolizei und hat uns rauskommandiert. Die Polizeipräsenz ist hier ziemlich hoch und ja, es gibt tatsächlich eine Tourismuspolizei. Dann heißt es für mich zum Spanisch aufbrechen und Micha hat manchmal Französisch. Durch die verschiedenen Nationalitäten, hat sich eine kleine Lerngruppe gebildet, die von der Französin Audrey unterrichtet wird. Sie war vorher in Kambodscha als Englischlehrerin tätig. Eigentlich hatte sie vor, mit ihrem britischen Freund Ben durch den Pazifik zu gehen. Da sie erst hier als Crew zugestiegen sind, waren sie noch keinen Tag wirklich auf See. So ähnlich erging es den Schweden. Das sind hier die Lebens- und Reisegeschichten, wie sie nicht unterschiedlicher und bunter sein könnten.

Nachmittags beschäftigen wir uns, mit Blog schreiben, Bilder sortieren, etc… und einmal Mal die Woche dürfen wir einkaufen gehen. Hin und wieder gibt es eine Presse- oder Interviewanfrage an Micha und so hat auch er seine Themen gefunden über die er endlich schreiben kann. 😉

Trotz des Anblicks jeden Morgen mit Sonne und Meer, greift auch hier der Alltag mehr und mehr nach uns und das Urlaubsfeeling ist weitestgehend verflogen. ☹

Außerdem kündigt sich ein weiteres Projekt an. Der Kanadier Paul und der Engländer Jack liegen schon etwas länger hier in der Marina Santa Marta und haben, vielleicht aus Langeweile 😊 „Hotel California“ von den Eagles umgedichtet. Daraus soll nun ein Musikvideo werden. Man könnte ja dazu evtl. einige Szenen aus der Marina mit einblenden…… etwas Größeres scheint sich anzubahnen. Micha ist fortan andauernd damit beschäftigt, irgendwelche Filmszenen für das Drehbuch in seinem Kopf aufzunehmen.😉

Ab 18 Uhr kann man sich dann evtl. wieder etwas mehr bewegen oder wir genießen unsere blaue Stunde mit der liebgewonnenen Tradition des Sundowners. 😉 Dann ist es stockdunkel und der Tag irgendwie vorbei. Uns fehlen die langen hellen Sommerabende. Hier ist es fast immer gleich, es wird um 5:30 Uhr hell und um 18:30 Uhr dunkel. Das geht ruckzuck. Zum Abend kochen wir meist noch eine Kleinigkeit und lassen den Abend im Cockpit oder mit den neuen Hafennachbarn ausklingen.

Das Schlimmste ist eingetreten ☹ Etwas wovor immer wieder gewarnt wurde und worauf man immer achtgeben sollte. Das hätte nie passieren dürfen. Wir finden eine Kakerlake an Bord. Nun heißt es, das ganze Boot auf den Kopf stellen und alles mal supergründlich sauber machen. Das hilft natürlich nicht wirklich dagegen, kann aber nicht schaden und gibt einem das Gefühl etwas unternommen zu haben. Wir überlegen angestrengt, wie das passieren konnte. Sie können ja auch fliegen. Bei der SCOOTER waren hin und wieder Flugobjekte zu Besuch. Diese waren aber meist von der wesentlich größen „Amerikanische Spezis“ und allein unterwegs. Unsere dagegen ist eine „gemeine Küchenschabe“ laut Wikipedia. Höchstwahrscheinlich wurde sie letzte Woche mitgeliefert. Wir hatten nicht mitbekommen, dass jetzt alle Läden schon ab 16 Uhr geschlossen sind und am Wochenende die totale Ausgangssperre beschlossen wurde und deshalb bei einem Lieferservice bestellt. Unter anderem hatten wir da einen Eierkarton erhalten, vor dem immer gewarnt wurde. Fahrlässiger Weise stellte ich ihn an Bord und nun haben wir das Problem. Wir hoffen inständig, dass sie eine große Ausnahme und allein unterwegs ist. Alles was wir prophylaktisch an Fallen, schon seit Gran Canaria an Bord hatten, wird nun aktiviert und wir warten nervös darauf, was passiert. Eine Woche ist Ruhe, dann sehen wir in Abständen immer mal eine, in unterschiedlichen Größen. Schei…. das ist kein gutes Zeichen. ☹

Währenddessen entwickelt sich unsere Hafencommunity langsam und klar: 😊 wir richten eine WhatsApp Gruppe ein. So entstehen die ersten Aktivitäten. Geht es anfangs erst einmal um praktisches wie z.B. Einspritzpumpen, Dichtungsmittel oder Sauerteigansatz, verabreden wir uns später auch zu gemeinsamen Aktivitäten wie BBQ oder OpenAir-Kino.

Ostern steht vor der Tür, deshalb laufen Mareike und ich zur Hochform auf und rufen zum Eier bemalen sowie einem Osterfrühstück auf. 😊 Das ist eine tolle Idee, einige kennen das gar nicht. Unsere russischen Freunde feiern Ostern eigentlich erst eine Woche später.

Es wird ein wunderbares Frühstück und jeder bringt etwas mit. Wir versuchen es anfangs natürlich mit ‘sozial distance’, was nur leidlich funktioniert. Dazu ist der Mensch nun mal zu sehr ein Gesellschaftstier und wenn er nicht die unmittelbare Gefahr sieht, wird er vergesslich oder leichtsinnig. So geht es uns hier jedenfalls auch und manchmal haben wir auch ein schlechtes Gewissen. Zur Krönung des Tages sehen wir dann ein Motorboot auf die Marina zufahren und wir glauben unseren Augen nicht zu trauen, es springen ständig Delfine vor und hinter dem Boot hoch. Die Menschen in den benachbarten Hochhäusern stehen ebenfalls stauend auf ihren Balkonen und wir werden Zeuge einer wunderbaren Delfinartistik.

Wir fühlen uns gerade sehr reich beschenkt in dieser für viele so gottverlassenen Zeit. Während es überall immer schlimmer wird, dürfen wir hier sein, behütet in so angenehmer Gemeinschaft. So viele schönen Dinge auf einmal.

Spätestens nach diesem herrlichen Tag, ist das Eis ist gebrochen, nun kennen wir uns alle und werden noch familiärer. Kolja, geht wieder Speerfischen und fängt ausreichend Fisch für ein großes BBQ. Nicht nur das, er weiß ihn auch richtig zuzubereiten und wir haben den nächsten schönen gemeinsamen Abend. Es folgen zwei Kinoabende und die erste Geburtstagsfeier. 

Immer wieder ist Corona natürlich auch hier ein Thema und wir ermahnen uns ständig gegenseitig an Sozial Distancing. Kurz vor Ende des Lockdown gab es die Info, dass er noch einmal mindestens um eine Woche verlängerte wird.  Wir tragen es mit Fassung. In der Marina wird wie verrückt alles ständig desinfiziert, wie z.B. alle Griffe, Handläufe sowie alle Wandflächen in den Sanitäranlagen, sodass alles permanent ganz schmierig ist. Sogar die Reifen von einfahrenden Autos, Mopeds und Fahrrädern bekommen das volle Programm. Überall, auch beim Einkaufen muss man sich mit den Schuhen auf einen mit Desinfektionsmittel getränkten Abtreter stellen und andauernd die Hände einsprühen. Man hat das Gefühl, hier im Zentrum der Stadt werden übertriebene Maßnahmen ergriffen um davon abzulenken, dass das Leben etwas weiter außerhalb, scheinbar seinen natürlichen Lauf nimmt, mit und ohne Maske. Eigentlich weiß hier niemand genau, was erlaubt ist und was nicht.

Unsere Marina ist wirklich mittlerweile wie ein Dorf und jeder der möchte, bringt sich in die Community ein. So beginne ich mit meiner ersten Yogastunde, erst nur mit uns 4 Deutschen. Von Woche zu Woche wird die Gruppe aber größer und ich entscheide mich schließlich, sie regelmäßig anzubieten. Immer sonntags von 7:30 – 9:00 Uhr. Am Wochenende ist es hier nicht so geschäftig und schattige Plätze gibt es nur vormittags vor dem Minimarkt.

Aber auch, eine Müllsammelaktion wird auf die Beine gestellt und entwickelt sich zu einem regelmäßigen Trashytuesday, bei dem fast alle mitmachen. Bei Regen gelangt sehr viel Müll in die Marina. So schwimmt an einem Tag etwas sehr, sehr Großes auf unsere Boote zu. Micha sieht es kommen und schaut gleich mal, um was sich dabei handelt, man weiß ja schließlich nie. Zum Glück oder zum Schreck ist es nur ein toter Pelikan, der dort treibt. Sie sind riesig, etwa so groß wie unsere Schwäne und sehen noch wie Urzeitvögel aus. Sie gehören hier zur Fauna dazu, wie bei uns die Möwen.

Im Moment sind wir noch 15 Boote die hier festsitzen, davon 2 Deutsche, 1 Russisches, 4 Amerikaner, 5 Engländer, 1 Portugiese, 1 Spanier, 1 Schwede. Uns geht es sehr gut. Wir haben Auslauf auf dem Gelände der Marina, die Kinder können spielen oder auch baden. Die sanitären Anlagen sind sehr sauber. Es sind immer 2 – 3 Leute, die für Ordnung und Sauberkeit hier sorgen. Die Eingangstür der Marina wird rund um die Uhr bewacht.

Trotzdem hoffen wir gespannt auf das Ende der Ausgangssperre und malen uns schon aus, was wir hier dann alles unternehmen werden. Leider werden wir enttäuscht, die erste Verlängerung kommt und soll bis Anfang Mai gehen. Okay, das werden wir noch aushalten, es gibt schließlich Schlimmeres. Unsere Pläne sind doch sehr unterschiedlich. Einige sind gerade erst aufs Boot zugestiegen und wollten nun ihr großes Abenteuer beginnen. Andere, wie die Schweden, kannten sich noch gar nicht vorher. Und so kommt es, dass doch einige die letzte Möglichkeit nutzen um wieder nach Europa zurückzufliegen. So verlassen uns langsam die Schweden, wobei Isaac, der Bootseigner allein mit dem Boot weiter nach Mexiko geht. Zwei Amerikaner machen sich zur Abfahrt klar um in die USA zurück zu kehren. Und so schrumpft unser Dorf allmählich.

Am Wochenende wird es meist wieder etwas voller in der Marina. Die Locals, die auch ihre Boote zu liegen haben, dürfen zwar auch nicht raus, kommen aber nun mit Kind und Kegel, um auch etwas Auslauf zu bekommen. Sie nutzen es wie eine Wochenendgrundstück, es wird gejoggt, gegrillt und die Boote großzügig gewaschen, obwohl Wasser hier ein knappes Gut ist. Alles natürlich mit Musik aus riesigen Boxen für alle. 😊

Die Engländer Fizzy und Jack haben einen Kontakt in Santa Marta und rufen über unsere WhatsApp-Gruppe zum Lebensmittelsammeln auf. Schnell wird uns klar, dass das keine dauerhafte Lösung ist. Wir kaufen hier viel zu teuer ein und es kommt zu wenig bei den Bedürftigen in Santa Marta an. So überlegen wir hin und her, wie wir es besser anstellen könnten. Eine Spendensammlung in der Marina bringt die ersten 350€ ein. So, was machen wir nun? Wie stellen wir es an davon günstig irgendwo einkaufen zu fahren? Alles nicht so einfach mit Lockdown und im fremden Land.

Da kommt, wie gerufen, auf einmal die Lösung zu uns in die Marina. Wir bekommen eine Woche nach Mirko und Leidi schon wieder ganz unverhofft Besuch. Zwei Männer wollen zur Daphne. Ich mache morgens ahnungslos meine Runde, schließlich hat es heute Joachim geschafft nach drei Wochen einzulaufen. So laufe ich Marlon über den Weg, der mich auch gleich zu erkennen scheint und anspricht. Tomek, sein Kumpel der derzeit bei ihm wohnt ist ebenfalls über einen Zeitungsartikel auf uns aufmerksam geworden und so haben die beiden sich gleich auf den Weg gemacht um uns zu suchen. Marlon ist auch Deutscher, der hier schon länger lebt und natürlich perfekt spanisch spricht. Und schon am nächsten Tag sitzen wir – natürlich wieder mit der SCOOTER – in dem riesigen Appartement von Marlon und frühstücken ganz wunderbar.

Er erzählt uns dann, was er hier so macht und auch, dass er gerade dabei ist, ein Tierheim aufzubauen. Dadurch hat er gute Kontakte zu Einheimischen die sozial tätig sind. Durch Corona gibt es gerade eine Menge zu tun und im Moment sind die Menschen das größeres Problem als Hunde und Katzen auf der Straße. Auf einmal wissen wir, dass wir hier nicht nur zum Frühstücken und rein zufällig zusammensitzen und das Ganze entwickelt sich sofort zu einem Plan. Jetzt haben wir entsprechende Kontakte, Marlons Unterstützung mit Auto und wissen, wie wir es mit dem Geld anfangen können. Für die nächste Woche organisieren wir mit den Spendengeldern von unseren Booten den ersten Einkauf. Alles passt wie ein Puzzle zusammen.  

Die erste Aktion läuft noch sehr improvisiert ab. Wir brauchen fast den ganzen Tag um alles zu organisieren. Das interessante ist, wir kommen zum ersten Mal richtig raus und zwar gleich mitten rein ins Leben von Santa Marta. Jetzt mit Lockdown zwar etwas gedämpfter aber sehr authentisch. Wir besuchen das Zentrum der Einheimischen mit Markthalle, kleinen Läden und Ständen, um einen guten Preis für unsere Lebensmittel zu bekommen.

Danach müssen wir die Großpackungen in Tüten aufteilen. Das Ganze spielt sich bei Rosalie ab, die mit ihrem Vater, ca. 10 Hunden und ungefähr 20 Katzen in einem kleinen Haus wohnen. Jede Katze hat ihren eigenen Napf. In den zwei klimatisierten Zimmern dürfen sich die Tiere aufhalten. Trotzdem kann man vom Fußboden essen. So machen wir das dann auch, zwar nicht essen aber wir sitzen auf dem Fußboden und packen die Tüten. Das nächste Problem, wir bekommen nicht alles weg. Und so blockieren wir ihr Wohnzimmer noch für einen weiteren Tag. Wir machen uns also gleich mit der Hälfte der fertigen Abpackungen auf den Weg und fahren ganz naiv nach Taganga, wo viele arme Leute wohnen.

Die Leute hier hängen rote Tücher an die Tür, wenn sie Lebensmittel benötigen. Wir brauchen gar nicht weit zu fahren, da sehen wir schon genug Möglichkeiten, direkt an der Straße, weiter wollen wir auch nicht fahren. So halten wir also gleich zwischen zwei Häusern mit roten Tüchern. Bevor wir die Möglichkeit haben an die besagten Türen zu klopfen stehen 20 Leute um unseren offenen Kofferraum herum. Nach fünf Minuten waren es schon 50. Glücklicher weise haben wir Iliana dabei, eine taffe Tierärztin, die diese Situation zu handlen wusste. So sind wir innerhalb von 15 Minuten alle unsere 35 Tüten losgeworden.

Während wir auf eine positive Entwicklung des Lockdowns hier warten, gibt es eine neue Erlaubnis für die Bürger in Santa Marta. Man kann sich zwischen 5 und 7 Uhr früh auf der Straße frei bewegen und z.B. Sport treiben. Das probieren wir dann auch prompt einmal aus mit Marlons WG. Wir wandern eine Art Trimm-Dich-Pfad bis zur Stadtgrenze und erleben einen tollen Sonnenaufgang. Ganz klar ist nicht, ob das jetzt jeden Tag gilt oder nur montags oder auch nur einmalig war. Wir halten es so wie die Kolumbianer hier, alles etwas auf Verdacht und mit etwas Glück.

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Abschnitt 14           Lockdown in Kolumbien – 12. bis 31. März

Der Vormittag zieht ins Land und nichts tut sich bezüglich unserer Einfahrt in den Hafen. Ich bekomme etwas Panik. Was ist, wenn sie uns gar nicht mehr rein lassen? Schließlich sind wir seit vier Tagen unterwegs, natürlich ohne Internet und damit komplett ohne Informationen. Sollte tatsächlich Corona bis hierhergekommen sein? Mareike und Thomas von der SCOOTER können wir auch nicht kontaktieren, um zu erfahren was los ist. Schließlich senden wir Antonia über Satellitentelefon eine Nachricht für die SCOOTER, die sie wiederum per WhatsApp weiterschickt, mit der Bitte uns auf Kanal 16 anfunken. Das klappt dann auch prompt und entspannt uns schon mal etwas, nicht mehr ganz im Ungewissen zu sein.

Von Port Control hatten wir lediglich die Ansage, auf die ärztliche Untersuchung zu warten. Also warten wir ganz gespannt noch 2, 3, 4 kolumbianische Stunden bis wir endlich von medizinischen Personal Besuch erhalten. Der verläuft dann ganz entspannt, mit einer kurzen Anamnese komplett ohne Englisch, nur im Duolingo-Spanisch. 😊 Wir sind kerngesund 😊und dürfen offiziell in die Marina einlaufen und in Kolumbien einklarieren.

Während der Wartezeit beobachten wir, wie sich am nahen Stadtstrand immer mehr Leute sammeln und von Booten aus im Wasser hektisch irgendetwas gesucht wird. Wir erfahren dann, dass einer der Badenden wohl ertrunken ist und fahren mit einem beklemmenden Gefühl und intensiv Ausschau haltend an unseren Liegeplatz.

Die SCOOTER hat mittlerweile geklärt, dass wir direkt neben ihnen anlegen können. Puh, Glück gehabt. Am nächsten Tag durchläuft noch einmal ein weiteres Boot diese Prozedur. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Alle die jetzt ankommen liegen wochenlang vor Anker, und dürfen nicht mehreinlaufen. Das heißt, nur auf dem Boot bewegen, nicht einmal Baden ist erlaubt. Für Einkäufe, Formalia oder Reparaturen kommt ein Agent an Bord. Das halten manche verständlicherweise nicht lange aus und fahren irgendwann weiter. Aber wohin? Überall herrschen im Moment diese Zustände. Es ist also zu vermuten, dass es ihnen vor anderen Häfen und Ländern ähnlich ergehen wird. Von der gesamten Karibik hören wir, dass die Restriktionen immer strenger werden und einige Segler dadurch in arge Bedrängnis geraten.

So ergeht es auch einem deutschen Trimaran, der seit gestern in der Hafenbucht ankert. Morgens sehen wir ihn draußen liegen und versuchen Kontakt mit ihm aufzunehmen. Das ist nicht so einfach. Über Kanal 16 bekommen wir ihn nicht und so hat Micha die Idee, seine Drohne zu starten und ihm per aufgeklebter Nachricht einen Funkkanal vorzuschlagen. Während sich Thomas schon am Funkgerät einrichtet, drapiert Micha einen Zettel an der Drohne. Einige Male geht es schief. Der Zettel kommt in die Rotoren, er richtet sich durch den Wind so aus, dass man ihn von unten nicht lesen kann…etc. Aber die beiden geben nicht auf und schließlich bekommen wir Joachim, auf Kanal 68.

Er ist momentan einhand unterwegs und hatte einige Tage auf recht stürmischer See verbracht. Nun darf er auch nur kurz ankern und soll innerhalb der nächsten drei Tage die Bucht wieder verlassen. Wir versorgen ihn mit Infos und Internet und fragen diverse Male bei der Marina nach, ob und wann evtl. eine Möglichkeit besteht doch in die Marina einzulaufen. Durch die letzte Überfahrt hat er einige Reparaturen zu erledigen bevor er sicher weitersegeln kann. Das ist dann der einzige Grund, weshalb sie ihn nicht sofort weiterschicken. Er wüsste auch gar nicht wohin jetzt, schließlich ist die Situation überall ähnlich. Das Prozedere zieht sich noch ganze drei Wochen hin, bevor es tatsächlich klappt. Nur sein Agent darf ihn bis dahin mit Lebensmitteln und Material versorgen. Währenddessen kommen noch zwei Boote, die wir mit der Drohne kontaktieren. Leider bekommen sie nicht die Erlaubnis, die Marina zu betreten. Obwohl auch sie teilweise 2 – 3 Wochen vor Anker liegen. Alle müssen weitersegeln aber immer wieder bleibt die Frage: Wohin???

Es herrscht ein großes Informationschaos, was noch wo und wie möglich ist. Wir sind in engen Kontakt mit der GENTOO, die uns täglich über den Stand in Panama unterrichtet und fast drängt, möglichst sofort nachzukommen. Sie stehen mit der WOLO kurz vor ihrer Passage durch den Panamakanal. Noch ist er offen und wir haben ebenfalls die Hoffnung, nach einigen Tagen dort mit durchzugehen. Niemand ahnt im Moment, was sich weltweit innerhalb von zwei Wochen zusammenbraut und schon gar nicht, welche Konsequenzen es mit sich bringen wird. Währenddessen sammeln sich die karibischen Segler in einer riesigen WhatsApp-Gruppe. Sie diskutieren, wie es auf den einzelnen Inseln aussieht, wo man noch rein kann, vor Anker liegen oder sich gut proviantieren kann. Es werden die Bundespolizei, diverse Botschaften, Segelverbände etc. angeschrieben und um Klärung und Unterstützung gebeten. Rückflüge und Rückverschiffungen werden organisiert. Crews werden untereinander angeboten oder getauscht. In der Karibik ist von Juni bis November Hurrikansaison. Das heißt also, man muss vorher irgendwie ganz weit nördlich hoch bis in die USA ausweichen oder ganz weit runter in den Süden, mindestens in Grenada sein. Beides ist ja momentan nicht mehr so einfach möglich. Und wird von Tag zu Tag restriktiver.

Für die Meisten bleibt eigentlich nur noch, dass Boot irgendwie aus dem Wasser zu holen und an Land hurrikansicher zu machen. Oder die dritte Variante, die jetzt immer mehr ins Auge fassen; nach Europa zurück zu segeln. Viele sind dafür nicht wirklich richtig ausgestattet, weil die eine Crew schon abgereist ist und die andere nicht mehr einreisen darf. Oder sie sind mit Kindern unterwegs und trauen sich diese Anstrengung nicht zu. Also wird hin und her getauscht, wer bei wem mitsegeln könnte und wo ins Boot aufgenommen werden kann. Die Gruppe wird so groß mit über 200 Teilnehmern, so dass sie sich aufteilt in eine deutsche und eine englischsprachige.

All das verfolgen wir mit Hochspannung von unserem sicheren Hafen in Santa Marta aus. Wir befinden uns im Gegensatz zu ihnen in einer recht glücklichen Lage. Hier gibt es keine Hurrikans; Kolumbien ist relativ sicher und sogar preiswerter als die ganze Karibik bisher. Die Versorgungslage ist hervorragend, die Menschen könnten nicht netter sein.

Da wir ja nur einen Zwischenstopp von ca. einer Woche geplant haben, starten wir natürlich gleich unser Programm. Wir tauchen erst einmal für 3 Tage in die wunderbare Stadt Santa Marta ein. Die so schön unaufgeregt und fast unbeeindruckt vom Tourismus vor sich hinlebt. Okay, es gibt bestimmt weitaus interessantere Orte zu sehen aber das Schicksal hat uns erst einmal diesen Platz zugewiesen. 😉 Wir genießen das schöne Essen, die Mojito und die günstigen Preise dazu. Und natürlich steht unser riesiger Pazifikeinkauf an. Es gibt alles was wir brauchen und ist so günstig wie nicht zuvor auf unserer Reise.

Michas iPhone und seine Sandalen drohen den Geist auf zu geben, daher werfen wir uns ins Getümmel und versuchen für beides eine Lösung zu finden. Wir sind mal wieder etwas übermütig oder auch leichtsinnig  unwissend und übergeben das iPhone einem Straßenhändler unseres Vertrauens. Die Reparatur läuft hier ganz anders ab als wir es gewohnt sind; eigentlich klar. Wie eine Operation am offenen Herzen im dichten Gedränge fummelt der Techniker mit den Minischrauben und anderen filigranen Teilen herum, völlig unbeirrt von Windboen und herumrempelnden Menschenmassen. Micha steht etwas abseits und beobachtet alles mit zunehmender Fassungslosigkeit und bereut mehr und mehr, sich für diese Variante entschieden zu haben. Zu spät; verschiedene immer wieder neu herbeigerufene „Spezialisten“ nehmen sich seines iPhone beherzt an. Ich versuche inzwischen Outdoorsandalen zu entdecken, leider ohne Erfolg. Als ich ihn nach ca. einer Stunde wieder abholen möchte, finde ich ihn in einem bedenklichen Zustand. Ein Blick reicht um zu verstehen warum.

Immerhin ist eine neue Displayscheibe schon mal drauf aber man kann es nicht mehr bedienen. Die minikleinen Schräubchen liegen achtlos auf dem OP-Tisch und drohen ständig herunter zu fallen. Irgendwie schaffen sie es dann aber doch; der Patient hat es überstanden und der vorher vereinbarte Preis ist nur minimal gestiegen. Wir erholen uns von diesem Schreck in Santa Martas Nachtleben mit einem Mojito, was hier Dank früh einsetzender Dunkelheit schon ab 18 Uhr beginnt.

Auf SCOOTERS Empfehlung hin, hatten wir schon frühzeitig zwei Übernachtungen in einem nahegelegenen Naturreservat gebucht und machen uns auch sogleich auf den Weg. Man merkt schon eine angespannte Atmosphäre aber wir verdrängen noch und steigen ins Taxi. Es geht zum Stadtrand und dort müssen wir auf Mopeds umsteigen, natürlich hinten. Wir bekommen die Helme unserer jungen Fahrer auf und ab geht die Post. Anfangs noch auf befestigten Straßen dann langsamer Wechsel zu Sandstraßen in die Berge. Die Vegetation ist in einem erbärmlich trockenen Zustand. Ungefähr so wie bei uns im Winter, alles kahl nur eben mit 34 Grad. Hunde versuchen ein Stück mit uns mit zu halten, bevor sie erschöpft und durstig zurückbleiben. Vor engen Kurven wird als Warnung gehupt, was hier sowieso permanent praktiziert wird. Diese Art der Verständigung verstehen wirklich nur die Kolumbianern.

Bevor ich richtig anfangen kann zu entspannen und die Fahrt zu genießen, werden die Wege kurviger und steiler. Wir durchqueren Flussläufe, umfahren riesige Klamotten, so dass mein Fahrer vor lauter Übermut sogar einen Flipflop verliert. Micha muss manchmal absteigen und schieben. Ich schwöre mir, zurück zu, zu laufen. Erinnere mich aber erst wieder daran, als ich auf dem Rückweg runter jage. Zu spät!

Oben angekommen werden wir (ich) aber für alles entschädigt. Ein grünes Naturreservat mit einfachen Gebäuden, die sich wunderbar in die Vegetation einfügen. Fischteiche mit riesigen Fischen, die so freundlich ans Ufer kommen, dass man fast hinein gehen und mit ihnen spielen möchte. 😉

Wir bekommen das Baumhaus im Mango-Tree. Wow, schöner kann man es sich nicht vorstellen. Wir werden gleich freundlich von Fledermäusen begrüßt, die keck seitlich an unserem Penthouse wohnen. Unter uns tummeln sich im großen Terrarium Aligatoren und Schildkröten. Papageien, Hunde und Katzen gehören natürlich auch freilaufend und -fliegend dazu.

Nachts hört man die ganzen Geräusche des Waldes und es fühlt sich sehr schön an unter unserem Moskitonetz. Nur mal so eben aufs Klo gehen, ist dann doch nicht so einfach. Ich ringe etwas mit mir und stelle mich schließlich der Challenge. Das heißt; Treppen runter, durch die Fledermäuse und vorbei an …? Ich will es gar nicht so genau wissen. Schließlich komme ich unversehrt wieder oben an, zwar mit einem erhöhten Adrenalinspiegel aber egal, geschafft. 😊

Am nächsten Tag sehen wir auf der Aufnahme einer Nachtkamera, die hier wegen der seltenen Tiere aufgestellt sind, dass manchmal auch andere Spezies durchs Camp streichen, wie vor einigen Tagen ein Jaguar. So richtig dschungelcamp-tauglich werde ich dann doch nicht mehr wirklich.

Sehr interessant ist auch die Besichtigung einer benachbarten Kakaoplantage. Im perfekten spanisch, hören wir geduldig zu und versuchen später einiges nachzulesen. 😉

Als wir zurück nach Santa Marta kommen, sind die Corona-Maßnahmen in vollem Gange. Die erste Ausgangssperre ist da, von 8 -16 Uhr. Es ist Freitag der 20. März 2020. Nach dem Wochenende haben wir hier auch den totalen Lockdown. Irgendwie packt uns doch die Panik und wir versuchen zusammen mit der SCOOTER noch schnell unsere Zarpe, die Ausreisepapiere für die Weiterfahrt zu bekommen. Schon wieder Stress, wir wollen eigentlich noch gar nicht weiter und jetzt noch diese Ungewissheit dazu. Aber es ist erst Mitte März und noch nicht zu spät durch den Panamakanal zu gehen um zu den Marquesas zu segeln. Die GENTOO und die WOLO versuchen alles in Bewegung zu setzen um das noch zu schaffen. Irgendwie weiß niemand mehr so richtig was jetzt der beste Plan wäre. Einige Tage später hören wir, dass Polynesien nun auch dicht ist und sogar die Segler nötigt, ihr Boot fest zu machen und nach Hause zu fliegen. Mit 3 – 4 Wochen Überfahrt haben sie eigentlich mehr als die Quarantänezeiten eingehalten. Spätestens jetzt wird klar, dass in dieser Richtung nichts mehr geht und in der anderen beginnt bald die Hurrikansaison. So kommt es dann auch bei uns, wir dürfen nicht weiter, alle Seegrenzen sind dicht bis zum 31. Mai. Wir dürfen nicht mal mehr in eine Ankerbucht. Schließlich hören wir auch von der WOLO und der GENTOO, dass ihr Termin gecancelt wurde und sie nicht mehr weiterdürfen.  

Wir haben Glück im Unglück, wir müssen zwar bleiben, sind aber in einer sehr schönen doch leider auch sehr teuren Marina gefangen.

Ab jetzt geht auch in Santa Marta nichts mehr. Schlagartig haben alle Geschäfte und Restaurants zu. Durfte man vorher noch zum Einkaufen etc. wann man wollte, waren es jetzt nur noch zwei Tage je Woche. Die letzte Ziffer der Passnummer bestimmt, welchen Tag man raus darf. Zwei Wochen später wurde auch das Wochenende gesperrt und für die kommenden Wochen wird das System noch einmal geändert, so dass man nur noch an einem Tag raus darf. Da der deutsche Reisepass über diverse Nummern verfügt, haben wir mehrere Möglichkeiten und können die Tage etwas variieren. Wirklich Lust in die Stadt zu gehen haben wir aber nicht mehr.

Die Straßen sind fast menschenleer, nur die zahlreichen Hunde und Menschen ohne Obdach sowie reichlich Polizei sind präsent. Allen dreien versucht man aus dem Weg zu gehen. Die Hunde scheinen genauso Hunger wie die Menschen zu haben. Auf unseren Wegen, die man möglichst immer allein absolvieren sollte, kommt man also nicht umhin mit einigen bedürftigen Menschen und den Hunden doch bekannt zu werden. Vorher waren sie im Menschengetümmel kaum sichtbar, dafür jetzt umso mehr. Also wird immer mehr eingekauft und unterwegs etwas davon abgegeben.

Trotzdem haben wir das Gefühl aufzuatmen. Endlich haben wir mal Zeit, nicht mehr hetzen, keine Termine mit Panama usw. nicht mal Planung wie man jetzt am effizientesten die eine Woche Kolumbien nutzt. Wir dürfen gerade nicht raus und können einfach mal nur SEIN, wo auch immer. Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, sammeln wir uns und nehmen erst einmal alles so hin wie es ist. Langsam lernen wir uns hier in der Marina kennen und erste kleine Aktivitäten beginnen, fast wie in einer WG. Zusammen mit der SCOOTER genießen wir auf der SANTALOCURA mit Ana und Kolja einen orginal russischen Abend mit selbstgemachten Pelmeni.

Wir sammeln in der Marina zusammen mit Mareike Müll, der immer wieder neu angeschwemmt. Ich erinnere mich, dass ich ja Malsachen eingepackt habe und noch nie benutzt habe. Endlich ist auch mal für so etwas Zeit. So sitzen Mareike, die Schwedin Josephine und ich an manchen Nachmittagen zusammen und malen ganz entspannt. Kolja und den Ami Steve sehen wir manchmal Harpunenfischen gehen.

Mit dem Lockdown schließt auch der kleine Minimarkt in der Marina. Vorher war überall ein reges Treiben, nun wird es ringsumher so still. Wir fühlen uns ein wenig allein gelassen. Die Locals dürfen auch nicht mehr rausfahren mit ihren Booten. Wir füttern die Katzen und gewinnen eine besonders lieb. Sie ist winzig klein aber schon erwachsen, weil unübersehbar schwanger. Natürlich nehmen wir unsere Verantwortung jetzt sehr ernst und müssen ihr erst einmal einen Namen geben. Den Umständen entsprechend nennen wir sie Coronita. Mittlerweile erreicht sie einen gewissen Bekanntheitsgrad. Es kommen Nachfragen nach Coronitas Befinden, sowohl von den kolumbianischen Marineros als auch aus Deutschland oder Schweden.

Wir kümmern uns auch mal wieder um wirklich wichtige Dinge, wie z.B. Mehlwürmer, die mir beim letzten Backen entgegenkamen. Bei unserem riesen Einkauf hatten wir gerade noch rechtzeitig, schon beim Einräumen Rüsselkäfer in sämtlichen Nudelpackungen entdeckt. Gut, dass wir alle umtauschen konnten. Es ist nie verkehrt immer mal wieder einen Check durch die ganzen Vorräte zu machen. Schließlich möchte man zu zweit bleiben an Bord. 😉

Wir fangen langsam an, trotz der Situation uns ganz wohl zu fühlen. Irgendwie eine willkommene Pause. So richtig Urlaub wird es aber erst, als wir die Möglichkeit entdecken, über die Wellenbrecher ins Meer zu klettern, um baden zu gehen. Erst traue ich mich nicht rein, dann bin ich nicht mehr zu bremsen und jetzt ist es mein Highlight des Tages. 😊 Micha weiß, ich verzichte nur sehr ungern darauf.

Ich habe das Gefühl meinen Tag etwas zu strukturieren. Einfach so in den Tag hinein leben geht leider immer noch nicht. Mittlerweile bezweifle ich auch, dass es Sinn macht. Micha schafft das wesentlich besser als ich. Wenn ich manchmal nach vorn gehe um zu telefonieren, Wäsche waschen oder sonstiges zu erledigen, hat er exakt die dieselbe Sitzposition mit krummen Rücken und angewinkelten Arm fürs iPhone, wenn ich zurückkomme. Anfangs bin ich fasziniert, dann fängt es an mich zu nerven. Während ich meine kleinen Aufgaben langsam finde, braucht er etwas länger dafür.

Als ihn die erste Presseanfrage aus Deutschland erreicht, änderst sich das schlagartig. Zunächst die BILD, dann einige Brandenburger Tageszeitungen und Segelmagazine. Für einen Bericht in der YACHT bekommt er sogar ein kleines Honorar. Es ist jedes Mal einige Stunden Arbeit, das alles ordentlich zu formulieren und das passende Bildmaterial aufzubereiten. Aber er ist wieder ganz in seinem Element und unser „Pressespiegel“ hat nach drei Wochen ordentlich zugelegt.

Wir schwanken immer mal wieder zwischen: „Eigentlich doch ganz schön hier“ und der Ungewissheit, wie geht es denn nun weiter mit uns, Corona etc.…? Anfangs verfolgen wir noch täglich die Nachrichten, was wir vorher eher selten gemacht haben. Das verunsichert dann aber nur noch mehr und bringt uns nicht wirklich weiter. Etwas unheimlich zumute ist mir dann auch als wir lesen, dass jetzt die letzten Flüge nach Deutschland gehen. Später wenigstens noch nach Europa, dann aber ist ganz Schluss. Bisher konnte man von überall, auch wenn wir es natürlich nicht nutzen wollten, mal eben schnell nach Hause fliegen. Das Gefühl reichte aus um sich sicher und verbunden zu fühlen. GENTOO und WOLO haben sich entschieden nach Hause zu fliegen und bemühen sich derzeit um einen Rückflug.

Da der Lockdown ja voraussichtlich nur bis Mitte April dauern soll, planen wir hier zu bleiben und sobald es geht, Kolumbien weiter zu erkunden. Wann hat man schließlich mal wieder so lange Zeit und ist in so einem schönen Land.

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Abschnitt 13           Von Grenada nach Kolumbien

 Berlin 12. – 17. Februar

Die Überraschung war perfekt. Antonia und Hendrik hatten das Drehbuch geschrieben, wie ich wann und wo in Erscheinung treten soll. Die Feier war wunderbar und ich konnte so, außer dem Geburtstagskind, ganz nebenbei auch den Rest der Familie sehen. Mein Vater war so überrascht und gerührt, dass ich es mir im Nachhinein gar nicht vorstellen konnte, auch nur in Erwägung gezogen zu haben nicht bei ihm gewesen zu sein. Und eine Woche mal wieder von Mama versorgt zu werden, war natürlich auch Balsam für die Großes-Kind-Seele.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Unter anderem mit Post- und Steuerkram erledigen, sowie eine lange Einkaufsliste abarbeiten. Dazu noch zwei Treffen mit Freundinnen im Doppel- bzw. Dreierpack. Mehr ist aber leider einfach nicht drin. Dann schon wieder um die Rückreise kümmern. Diese droht laut dem Kleingedruckten in den Reiseunterlagen auch nicht ganz unkompliziert zu verlaufen. Ich brauche nämlich ein Rückflug- oder Weiterreiseticket um in Trinidad/Tobago einreisen zu dürfen. Da ich vorhabe, per Segelboot weiter zu fahren, habe ich natürlich keines. Also rufe ich bei Condor, beim Auswärtigen Amt und beim Konsulat an, leider ohne dort einen dienlichen Hinweis zu erhalten. Außer den, irgendein weiteres Ticket zu buchen und es danach wegzuwerfen oder die Botschaft in London zu kontaktieren. Ich entscheide mich erst einmal für letzteres und versuche mit meinem mäßigen Englisch die notwendigen Infos zu bekommen.

Schließlich erhalte ich dort den guten Tipp, dass Micha in Trinidad beim Einklarierungsbüro ein entsprechendes Schreiben für mich anfertigen lassen sollte. Er ist natürlich nicht begeistert, weil er momentan schon genug Baustellen hat, um DAPHNE mit Wassermacher und neuem Bimini aufzurüsten. Außerdem bietet es sich an, dort auch gleich einen neuen Unterwasseranstrich (Antifouling) aufzubringen, was es wiederum notwendig macht, dass DAPHNE aus dem Wasser kommt. Dies sind natürlich alles Aktionen die koordiniert werden müssen – bei 36 Grad und kaum Schatten irgendwo. Zum Einklarierungsbüro sind es ca. 2 km zu laufen über einen staubigen Weg, vorbei an lauter aufgebockten Booten.

Die Formalitäten werden ohnehin mit zunehmender Entfernung zu Europa immer komplizierter. Innerhalb der EU hatten wir sieben Grenzen ohne ein einziges Formular passiert. Einzig auf den Kanalinsel gab es ein (Mini-)Einklarierungsverfahren. Unser Reisepass blieb bis zur Karibik im Kartentisch. Hier, wo fast jede Insel ein eigener Staat ist, füllt sich der Pass mit bunten Stempeln. Der vorläufige Höhepunkt ist Trinidad. Insgesamt sieben Formulare mit jeweils ein bis vier Kopien, welche man selber mit losen Kohlepapier aus einer Grabbelkiste anfertigen muss. Wegen unterschiedlicher Formate und Kohlepapiergrößen eine elendige Fummelarbeit. 40 Minuten dauert die Prozedur dann auch, Wartezeiten nicht mitgerechnet. Besonders kurios: Jeweils für An- und Abreise gibt es eine Liste für blinde Passagiere. Wir haben auf der DAPHNE zwar noch keine entdeckt. Aber natürlich müssen wir unsere persönlichen Angaben ebenso wie sämtliche Schiffsdaten auch dort wieder fein säuberlich in das Kopffeld des ansonsten leeren Formulars eintragen.

Gegen Mittag macht sich Micha auf den Weg um das von mir benötigte Schreiben zu organisieren. Als er dann bei der Immigration ankommt, wird er wieder an das Marina-Büro zurückverwiesen. Das Schreiben muss angeblich dort verfasst werden, dann erst kann er zur Immigration um es abstempeln und unterschreiben zu lassen. Ich war froh, dass ich nicht in seiner Nähe war. 😉 Als er dann schließlich mit dem gewünschten Schreiben den Weg noch einmal bewältigt hatte, war angeblich die für Stempel und Unterschrift autorisierte Person nicht da. Er musste schließlich zwei Stunden warten und sie verstrickten sich währenddessen in äußerst merkwürdigen Ausreden. Erst als er das Gebäude schon verlassen hatte, und frustriert zurück zum Boot gehen wollte, pfiffen sie ihn dann doch zurück und der Stempel wurde endlich gezückt. Über den Grund für diese Nummer kann man nur spekulieren …

Da die Versorgungslage für uns zwischenzeitlich nicht immer die Beste war, werde ich natürlich von Mama & Co. mit etlichen leckeren Kleinigkeiten zum Mitnehmen versorgt. Mir ist klar, dass davon einiges nicht wirklich erlaubt sein wird. Aber die Freude über die heimischen Produkte überwiegt und ich verstaue alles irgendwie zwischen Filtern, Schrauben etc. Glücklicherweise fliege ich mit Friederike zusammen, so dass wir die ganzen Sachen gut auf zwei aufteilen können. Allerdings hatte ich mir auch endlich mein lang ersehntes SUP (Stand-Up-Paddle) gekauft, was nicht gerade handlich ist.

Rückflug über Tobago 18. Februar

Schließlich starten wir Dienstag früh um 5 Uhr über Frankfurt mit dem Ziel Tobago. Etwas komfortabler und kürzer als mein Hinflug. Als die Stewardessen uns die Zollpapiere zum Ausfüllen überreicht, haben wir auf einmal Schweißperlen auf der Stirn. Fast alles was wir mithaben, darf entweder nicht eingeführt werden oder muss verzollt werden. Wir entscheiden uns nur notdürftige Angaben zu machen um nicht die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Schließlich muss man ja mal den Vorteil „Zwei Frauen im mittleren Alter“ ausspielen. Und schließlich haben wir keine Drogen, sondern nur Leberwurst mit. Ja, okay, und etwas Käse, Süßigkeiten, selbstgemachte Marmelade und eine kleine ungarische Salami. Wir wollen notfalls den Joker „Selbstverpflegung während der Reise“ ziehen.

Bei der Ankunft am 18. Februar wird in Tobago bei jedem Fluggast die Temperatur gemessen und zur Einreise ist das von Micha so schwer erkämpfte Schreiben mehr als notwendig. Es wird zweimal Rücksprache bei der Vorgesetzten gehalten. Dann geht es weiter zum Zoll und dort hat sich schon eine lange Schlange gebildet, wo normaler Weise immer nur durchgewunken wird. Mit jedem wird ein ausführliches Gespräch geführt und jeder zehnte ca. muss seine sieben Sachen durchleuchten lassen.

Wir beginnen wieder zu schwitzen und überlegen die beste Gesprächstaktik. Eine sehr freundliche Beamtin beginnt mit uns harmlos zu plaudern; wohin, was haben wir vor und was haben wir in unseren zwei furchtbar riesigen Taschen? Wir stammeln uns in besonders schlechtem Englisch so durch. Dann zeigt sie immer noch sehr freundlich lächelnd auf das Band zur Durchleuchtung. Mit zunehmender Schnappatmung hieven wir unsere Taschen und Rucksäcke auf das Band. Ein weiterer, wieder sehr freundlicher Beamter übernimmt uns und fragt erneut nach „verbotenen Inhalten“ wobei er sich lange Zeit lässt, um unsere Taschen auf dem Monitor zu begutachten. Wir sagen nicht mehr viel. Weil, das Schlimmste ist bereits eingetreten, wir haben uns für Leberwurst und Co. so verstrickt, das uns jedes Wort nur noch weiter in den Sumpf ziehen würde. Dann zeigt er ebenfalls freundlich lächelnd zur nächsten Kollegin für die Taschenkontrolle und verabschiedet sich herzlich von uns. Unsere Atemprobleme nehmen bedrohliche Ausmaße an und ich sehe uns schon mit Händen auf dem Rücken in ernsthaften Schwierigkeiten. Beruhige mich und Friederike aber wieder, dass es sich nur um Wurst handelt und nicht um Drogen.

Die letzte Kollegin, und das war wahrscheinlich unser Glück, macht einen etwas unsicheren Eindruck wie eine AZUBI. Sie schaut etwas verwundert in die Tasche und nimmt staunend alles Mögliche in die Hand. Dann fragt sie, die Marmelade haltend, ob es Honig sei. Wir können unsere erste ehrliche Antwort geben und verneinen. Schließlich findet sie die Salami und erklärt uns, dass sie die jetzt beschlagnahmen muss, wobei sie langsam wieder die Tasche schließt. Vor Erleichterung überschlagen wir uns mit kleinen unnützen Erklärungen und machen, dass wir da rauskommen.

Trinidad 19.-26. Februar

Von Tobago müssen wir dann noch mit dem Inselhopper, nach Trinidad fliegen. Wegen unserer „Schmuggelwaren“ und der langen Zollprozedur verpassen wir ihn. Also mieten wir uns in Jefroy‘s Guessthous gemeinsam mit 1 Mill Mücken ein.

Am nächsten Tag erreichen wir schließlich unser Ziel Trinidad. Nach der abenteuerlichen Taxifahrt mit einem Fahrer, der uns pausenlos erläutert wie gefährlich es hier ist und wo man auf jeden Fall erschossen wird, empfängt uns endlich Micha mit der aufgebockten DAPHNE. Nicht nur, dass er es geschafft hat, allein nach Trinidad zu segeln, ca. 90 Seemeilen von Grenada, auch das nächtliche Ankermanöver ist ihm gut geglückt. Und er war in der Zwischenzeit wirklich fleißig. Unsere DAPHNE strahlt wie neu mit ihrem Unterwasseranstrich. Außerdem haben wir nun endlich den lang ersehnten Wassermacher sowie ein richtiges Bimini. Wir sind zufrieden mit den hiesigen Handwerkern, alle geplanten Arbeiten haben innerhalb einer Woche geklappt. Andere in der Werft haben weniger Glück, Olaf hängt mit seiner Ketsch schon fast 5 Monate wegen Pfusch und Verzögerungen hier fest.

Unsere beiden Neuanschaffungen erweisen sich als wahrer Segen. Das Wasser schmeckt köstlich und wir sind endlich unabhängig. Keine Katzenwäsche mehr 😊 und es vergeht nicht ein Tag an dem wir nicht dankbar aufatmend zu unserem Bimini hochschauen.

Da es bei ihrem Besuch auf Gran Canaria ja leider nicht geklappt hatte, wollen wir diesmal auf jeden Fall mit Friederike segeln. Leider ist unsere aktuelle Bucht nicht gerade sehr einladend: Ölförderplattformen, Tanker und viele kleine Werften sorgen für schlechte Wasserqualität und leidige Aussicht. Wir bekommen zwei Buchten genannt, die schöner sein sollen und wenn nicht gerade Wochenende ist, auch nicht überfüllt. Also segeln wir in die empfohlene Scotland Bay – eine wirklich schöne Bucht. Wir nutzen intensiv das SUP – sogar Micha, der immer gegen diese Anschaffung war. Baden, Kochen, Chillen also richtig Urlaub. Das genießen wir drei auch in vollen Zügen. 😊 Schließlich steht ja auch noch der Karneval vor der Tür. Für zwei Aktionen haben wir uns da einfach mal angemeldet, ohne genau zu wissen, was auf uns zukommt.

Dann naht das Wochenende und die Bucht wird voller. Voller heißt hier, jede Stunde kommt ein Party-Katamaran rein, mit ca. 100 jungen Leuten an Bord und dröhnender Soca-Musik. Außerdem scheint es in der Karibik zum guten Ton zu gehören, private Musik immer gerecht zu teilen, so dass wirklich alle etwas davon haben. Und da sich jeder an diese Regel hält, hat man fast immer Partystimmung. Als der Katamaran raus ist, hören wir wieder sauber die Bollywood-Musik, die sowie so schon den ganzen Tag läuft.

Die Bevölkerung in Trinidad besteht zu 50 % aus Nachfahren der afrikanischen Sklaven, wie fast überall in der Karibik und zu ca. 40% Prozent aus Nachfahren indischer Kontraktarbeiter, die nach Beendigung der Sklaverei benötigt wurden. Heute ist es ein schönes und freundliches Gemenge der Menschen hier. Wir überlegen für die nächste Nacht evtl. in die andere empfohlene Bucht umzuziehen. Die Chakaranga Bucht ist auch sehr schön, aber es ist nicht ein einziges anderes Boot zu sehen, was uns etwas stutzig macht. Immerhin sind wir hier nur ca. 4 Seemeilen von der venezolanischen Grenze entfernt. Am Ufer stehen mehrere verlassene Häuser, manche schon Ruinen. Irgendwie ist das alles etwas spooky. Wir erinnern uns wieder an den Hinweis der Sicherheitspolizei: Wenn du in einer Bucht allein bist, überlege warum! Später erfahren wir, dass  früher dort einmal ein Militärstützpunkt und eine Leprastation waren. Wir drehen ab und fahren wieder in unsere schöne laute Scotland-Bay und fühlen uns gleich viel wohler. Auch die Musik gehört mittlerweile schon dazu. 😉

Unweit von unserem alten Ankerplatz liegt ein Fischerboot, dessen Skipper zu uns rüber winkt und etwas in die Luft hält. Irgendwie sieht es aus wie ein geschlachtetes Hühnchen – aber das kann ja eigentlich nicht sein. Da wir ja unerschrocken mit den Locals in Kontakt kommen wollen und auch nichts gegen frischen Fisch (oder Hühnchen) hätten, entscheiden wir uns hinüberzufahren und nachzufragen. Das SUP wird klar gemacht. Die Entscheidung, wer rübergeht, fällt auf mich und so mache ich mich auf den Weg. Beim Näherkommen erkenne ich endlich, dass das Hühnchen, Scampis sind, die ineinander hängen. Und so komme ich mit einem dicken Fang frischer Scampis zurück, die Friederike äußerst lecker zubereitet.

Der Abend ist gerettet und die Dämmerung bricht wie immer schnell über uns herein. Stockfinstere Nacht um uns herum, wir fühlen uns aber sehr wohl und geschützt, weil wir nicht allein in der Bucht sind und geborgen in unserer DAPHNE liegen. In der Dämmerung und in den frühen Morgenstunden setzt wie schon die Morgen davor ein lautes Gebrüll ein. Nun müssen wir doch wirklich mal bei Google nachfragen, ob es eine Erklärung dafür gibt. Und ja, die gibt es. Es handelt sich um den Bärenbrüllaffe, den es nur auf Trinidad und in Venezuela gibt. Jetzt genießen wir das Gebrüll erst so richtig, es hat sogar etwas Beruhigendes.

Karneval in Trinidad  24./25. Februar

Der Karneval geht los. Im Flieger hatten wir schon viele Leute mit solch riesigen Federboas gesehen, dass diese weder in den Koffer noch ins Handgepäckfach passten. Auf die hätten sie sich beim Zoll mal lieber konzentrieren sollen. 😉

Friederike kann uns leider nur zur ersten Karnevalveranstaltung, dem J’Ouvert begleiten da sie am nächsten Tag heimfliegt. Der J’Ouvert ist die offizielle Eröffnungsparty, das gibt es so nur im karibischen Karneval. Er ist legendär, liegt aber zeitlich leider in unserer zweiten Tiefschlafphase. Wir werden in aller Herrgottsfrühe, in der Nacht von Sonntag zu Rosenmontag gegen zwei Uhr abgeholt und in die Inselhauptstadt Port of Spain gefahren. Dort werden wir einem Party-LKW zugeordnet, der uns mit Musik, Getränken, Toiletten und später auch mit Frühstück versorgt. Wir werden ausgestattet mit bunten T-Shirts im corporate design sowie einem kleinen Rucksack mit notwendigen Utensilien. Welche da sind: Kekse, Erdnüsse, Instant-Gingertee, Kondome, Tampons, einem bunten Plastikbecher und einem Handtuch. Üblich ist, dass zu diesem Anlass mit Farben, Schokolade und Erde geworfen wird, entsprechend sollte man sich kleiden. Wegen der Uhrzeit wissen wir nicht so recht, ob man mit einem Kaffee beginnen sollte oder sich gleich Rumpunch geben lässt. Schließlich entscheiden wir uns genau für diese Reihenfolge. 😉

Die LKWs fahren dicht an dicht und so bleibt das auch während der circa 7 Kilometer durch die Stadt. Trotzdem spielt jeder seine eigene Musik und unterwegs treffen wir sogar auf entgegenkommende Formationen mit eigener Musik und Pomp, an denen wir uns dann dichtgedrängt vorbeiquetschen müssen. Die Musik ist so laut, dass Micha sich aus dem Handtuch in unserem Party-Pack zwei Ohrstöpsel bastelt. Die Dezibel-App auf dem iPhone zeigt über 110 db. Bald spritzen dann auch Farben in die Menge und die Party geht in einen fast tranceartigen Zustand über, aus dem man sich schwer raushalten kann. Haben wir bis dahin noch etwas prüde beim karibischen Tanz weggeschaut, so bleibt uns hier nur noch mitmachen übrig. Die Hüften werden wie wild erotisch geschwungen, die Beine folgen stampfend und rhythmisch, während der Oberkörper fast unbeweglich bleibt. Man könnte meinen, es hat hier beinahe jeder mit der Muttermilch mitbekommen. Das Ganze mündet dann in das etwas anzügliche „Winning“ mit recht eindeutigen Bewegungen zwischen zwei Partnern. Ist aber harmlos und sollte auch nicht missverstanden werden.

Das Spektakel zieht sich von 3 bis 8 Uhr in den Morgen hin. Als die Dämmerung einsetzt, sind wir fast am Ziel, einmal quer durch Port of Spain. Die wilde Straßenparty geht erstaunlicherweise ohne Zwischenfälle ab. Gegen 9 Uhr kommen wir dann schließlich, fast taub wieder auf unserer Daphne an und fahren total erschöpft aber aufgedreht in unsere Scotland-Bay, um Friederikes letzten Tag noch badend zu genießen.

Faschingsdienstag muss sie leider wieder zurück ins kalte Deutschland, für uns startet der zweite Faschingstag. Wieder wissen wir nicht wirklich was auf uns zu kommt. Nur, dass es um 6 Uhr morgens losgeht. Also bleiben wir gleich wach, nachdem Micha Friederike gegen 5 Uhr mit dem Dinghi absetzt und ans Taxi übergibt.

Was dann folgt, haben wir wirklich noch nicht erlebt. Eine unübersichtliche Pracht an Farben und Menschen die sich kilometerlang den dröhnenden Soca-Rhythmen hingeben. Port of Spain ist wieder brechend voll, niemanden außer uns scheint die Hitze etwas auszumachen. Während beim J‘Ouvert jeder in normalen Klamotten mitgehen kann, sind hier aufwendige Kostüme angesagt. Karnevalsgruppen von den verschiedenen karibischen Inseln präsentieren sich mit abgestimmten Kostümen in ihrer ganzen Pracht. Wegen der prachtvollen Kostüme „Pretty Mas“ genannt.

Wir sind hier zwar eher Zuschauer, aber im Gegensatz zu anderen Karnevalzügen darf man in die bunte Kostümwelt mit eintauchen. Jetzt wissen wir ja schon wie es geht und nach einem „Frühstücksbier“ trauen wir uns auch wieder tapfer mit zu stampfen. Schön ist, dass egal welcher Body-Mass-Index im Kostüm steckt, sich alle selbstbewusst darbieten. Darunter auch wahre Schönheiten, die fast künstlich zu sein scheinen. Jede/r aber ist mit einer erstaunlichen Akribie, geschminkt und fabelhaft zurecht gemacht. Wir können uns kaum satt sehen und fotografieren was das Zeug hält. Irgendwann stoßen wir auch auf eine Parade von Alten, die wunderbar verkleidet – sogar mit Stock – gut drauf an uns vorbeiziehen.

Was wie ein Wasserfall ungebändigter Lebensfreue aussieht, täuscht allerdings etwas bei genauerem Hinsehen. Nur wenige beziehen uns mit ein oder lächeln, wenn wir fotografieren. Wir mussten etliche Fotos mit gleichgültigen Minen aussortieren, um die strahlenden Momente einzufangen. Das war manchmal etwas schade, weil man es ja anders vermutet. Wir mischen uns jedenfalls immer wieder mutig in die Menge und versuchen so viel Eindrücke mitzunehmen wie es geht von diesem wirklich wunderbare Specktakel. Der „Pretty Mas“ wird am Ende des Zuges auch von einer Jury bewertet. Daher wird es immer fröhlicher und motivierter, je näher der Pulk zum Podium rückt.

Von Trinidad haben wir ansonsten zwar nicht wirklich viel gesehen, aber immerhin sehr viel erlebt. Port of Spain lief so nebenher und ist nicht wirklich eine Stadt wegen der man Trinidad besuchen möchte. Landschaftlich schöner und auch entspannter soll dafür die Nachbarinsel Tobago sein. Leider fehlte uns hierfür die Zeit.

Unser immer noch eng gestrickter Zeitplan treibt uns schon wieder weiter. Noch haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben mit der GENTOO und WOLO gemeinsam durch den Panamakanal zu gehen. Sie haben Bonnaire sowie Curacao, was unsere nächsten Ziele sind bereits hinter sich gelassen und sind auf dem Weg nach Panama.

Wir starten am 26. Februar und brauchen dann ca. 4 Tage bis Bonnaire und Curacao plus mindestens eine Woche Aufenthalt dort. Und dann hatten wir uns ja noch in den Kopf gesetzt, unbedingt nach Kolumbien zu fahren um Cartagena zu besuchen. Alles zusammen sind wir also fast 4 Wochen hinter den beiden her und nun wird es schon sehr unrealistisch, dass wir es noch schaffen könnten. In Santa Marta wartet die SCOOTER mit Mareike und Thomas noch auf uns. Wir haben die Beiden auf Grenada kennengelernt und ihre Berichte über Kolumbien haben uns mehr als neugierig gemacht, da unbedingt noch einen Halt einzulegen.

Blanquilla 27. Februar

Soviel zu unser Grobplanung. Erst einmal starten wir Richtung Bonnaire. Die Fahrt geht an Venezuela vorbei, wo man uns warnte, bloß ausreichend Abstand zu halten. So fahren wir erst einmal weitläufig von der Küste weg um wenigsten außerhalb der 12 Meilen Zone zu sein. Auf dem Weg liegen noch einige wunderschöne venezolanische Inseln wie die Los Roques oder Blanquilla. Wir entscheiden uns auf Blanquilla einen Zwischenstopp einzulegen um zwei Nächte ordentlich durchzuschlafen und den Tag dazwischen in Ruhe auf der einsamen Insel zu verbringen. Irgendwie habe ich mir wohl was eingefangen. Ich fühle mich ein paar Tage matt, etwas fiebrig und habe keinen Appetit. Bis dahin, allen Unkenrufen zum Trotz, sind wir überall unbeschadet durchgekommen. Auf Blanquilla bin ich dann schon wieder auf dem Weg der Besserung und kann die Insel genießen.

Es ist sehr beeindruckend, so ganz allein zu sein. Wir erforschen etwas den Strand, es führt kein einziger Weg ins Hinterland. Die Vegetation hat sich extrem verändert. Plötzlich sind nur noch Kakteen zu sehen, Laubbäume gar nicht mehr, alles ist staubig-trocken. Der Strand ist größer als vom Boot aus erwartet. Außerdem wirklich richtig karibisch: türkisfarbenes Wasser, Palmen und außer ein paar Pelikanen, niemand da. Hatten wir das nicht immer gesucht? Kein weiteres Boot, kein Mensch, kein Shop – nur wir allein. Ein eigenartiges Gefühl macht sich breit, ein wenig von Robinson Crusoe, etwas wie Ende der Welt, etwas beunruhigend und gleichzeitig euphorisch. Als die nächste Nacht hereinbricht, ist es so dunkel und so still, wir hören nur leise die Brandung sonst nichts.

Bonnaire 1.-6. März

Am nächsten Morgen machen wir uns weiter auf den Weg, eine Nacht haben wir noch vor uns. Ich zähle immer nur die ganzen Nächte, selbst wenn wir um 2 Uhr ankommen haben wir schließlich noch die restliche Nacht zum Schlafen. Am späten Nachmittag erreichen wir dann wie geplant Bonnaire noch im Hellen und ich haben das Gefühl, wir fahren in einen Swimmingpool rein – so türkis ist das Wasser. Die Unterwasserwelt, soll eine der Schönsten in der ganzen Karibik sein und so ist es auch. Wir schnorcheln sofort vom Boot los Richtung Kai und befinden uns in einem Aquarium voller bunter Fische. Im fast flachen Wasser sehen wir die meisten Fische. Ich bin begeistert, man muss nicht erst irgendwohin fahren, ich kann selber los, ungefährlich weil gleich neben unserem Boot, keine Strömung usw. Micha geht natürlich richtig tauchen, schafft es aber nicht, mich auch dazu zu überreden. Mir ist der Aufwand zu groß und das Schnorcheln zu einfach. Bonnaire ist mal wieder etwas europäischer, mit einem netten Städtchen, Shops und Cafés. Und ich habe ziemlichen Nachholbedarf. 😉 Also freue ich mich umso mehr auf meine zwei „freien“ Tage, während Micha abtaucht.

Wir genießen die entspannte holländische Atmosphäre und den bunten Mix von Schwarzen, Holländern und Lateinamerikanern. Die Amtssprache ist niederländisch und es hört sich lustig an, wenn die einheimischen Beamten im Einklarierungsbüro mit kreolischem Slang niederländisch sprechen. Auch die Vielfalt der Verpflegung ist wieder beachtlich, ähnlich der in Martinique.

Wir leihen uns ein Moped und Micha ist in seinem Element. Es geht ab in den Süden zu Salinen, Sklavenhütten und einer Eselsfarm.

Da die Insel nicht sehr groß ist, schaffen wir am selben Tag auch noch gleich den Norden. Der sieht komplett anders aus mit Flamingos und kleinen holländischen Orten, Kirchen usw. Micha nutzt die kurvenreichen bergigen Straßen und tritt den Roller erbarmungslos. So dass einige Auto sich genötigt fühlen, Platz zu machen, um die Verrückten vorbei zu lassen. Ich sitze hinten drauf, verdränge meine (natürlich völlig übertriebenen) Ängste und versuche frohgemuter Stimmung zu bleiben. 😉

Wir machen noch einen kleinen Spaziergang kurz vor dem Dunkelwerden und landen in der Bar direkt vor unserem Kay. Wegen der guten Live-Musik und den Menschen die hier rumstehen, beschließen wir noch einen Sundowner zu nehmen. Die Leute um uns herum scheinen sich alle zu kennen und fangen an Tupper-Schalen mit Essen auszupacken. Tatsächlich, wir befinden uns plötzlich in einer privaten Runde und haben auf einmal auch einen Teller vor uns zu stehen mit einladender Geste, uns von Salaten und Gegrilltem zu bedienen. Ein 15-jähriger spielt auf der E-Gitarre coole Songs von Aerosmith bis Zappa. Es ist eine bunt gemischte Community von Langzeitseglern, vorrangig aus den USA, die sich hier einmal in der Woche trifft und wir sind nun zufällig mitten drin.

An einem anderen Abend sitzen wir gemütlich mit Ulli und Lothar von der EASY zusammen auf DAPHNE. Die beiden sind die ersten mit denen wir ernsthaft über Corona sprechen. Ulli ist schon sehr vorsichtig und befürchtet, dass ihn seine Frau evtl. nicht mehr besuchen kann. Wir haben immer noch das Gefühl, dass wir ganz weit weg von allem sind.

Es ist Usus, wenn man ein deutsches Boot hier so weit weg von der Heimat sieht, dass man ranfährt und einen kurzen Plausch hält. Oft sitzt man dann auch gleich etwas länger beieinander. Kurz bevor wir weiterfahren, kommt auch noch die SISSY an. Ihre Crew, die Brüder Jens und Jörg kennen wir seit Portugal.

Curaçao 07.-9. März

Bonnaire ist einfach so schön und angenehm, dass wir länger bleiben als gewollt, nach einer Woche machen wir uns dann aber doch auf den Weg Richtung Curaçao, schließlich soll Willelmstad die schönste Stadt der ganzen Karibik sein. Es ist nur eine Tagereise entfernt, daher eigentlich ganz unkompliziert zu erreichen. Unkompliziert ist es dort dann aber bei weitem nicht. Man kann nicht direkt nahe der Stadt ankern, sondern nur in einer Bucht circa 6 Seemeilen davor und braucht dann ca. eine Stunde um mit Bus oder ähnlichem in die Stadt zu kommen. Nirgends gibt es Informationen, wie, wo oder wann das funktioniert. So machen wir uns auf den Weg und versuchen in der Gluthitze erst zu trampen, bis uns ein freundlicher Einheimischer aufklärt, dass wir in der falschen Richtung stehen. Okay einmal umdrehen und Daumen wieder hoch. Schließlich hält ein kleiner Mini-Bus an, der – wie wir dann mitbekommen – eine durchaus praktische Alternative zum hiesigen Bus ist. Für 10 Gulden erreichen wir schließlich Willemstad.

Als erstes heißt es dort: Zum Zoll, den wir dann nach mehreren verschiedenen Recherchen, doch ausmachen, der aber nicht offen zu sein scheint. Gut, dann versuchen wir es bei der Immigration, die sich circa 3 Kilometer entfernt im anderen Teil der Stadt befindet. Da wir hier nur 3 Tage angesetzt haben, nervt es schon sehr, dass alles so weitläufig und unübersichtlich ist. Entschlossen durchqueren wir Willelmstad und versuchen daraus auch gleich eine Besichtigung zu machen. Es ist wirklich wunderschön hier und trotz der Strapaze bereuen wir es nicht.

Als wir dann aber über ein nicht endendes Gelände laufen, was ins Nichts zu führen scheint, verlässt mich dann doch kurzzeitig die Geduld. Vor allem bei dem Gedanken, dass alles in 2 Tagen wieder abzulaufen um sich auszuklarieren. Micha findet das alles nicht so anstrengend und scheint mit der Hitze besser klar zu kommen. Wir erreichen dann tatsächlich ein winziges kleines Büro mit dem, bislang nettesten Beamten in der ganzen Karibik. Er berät uns ausführlich und ist sich auch nicht zu schade beim Zoll anzurufen, weil der ja eigentlich offen sein müsste. Und da dort niemand abnimmt, nutzt er sogar die private Telefonnummer des Beamten dort. Zwar ohne Erfolg, aber ich bin wieder versöhnt durch ihn und dem klimatisierten Raum.

Nicht ohne vorher noch einen tiefen Luftzug zu holen, verlassen wir erfolgreich die Immigration und bestaunen erneut Willemstad mit seinen wunderschönen holländischen Häusern und Plätzen. Ich kaufe mir bei einem Hutmacher meinen lang ersehnten Strohhut. Im Museum kommen wir noch einmal direkt mit der ganzen tragischen Geschichte der Sklaverei vieler karibischer Inseln in Kontakt. Das vergisst man sonst gerne, wenn man hier zu Besuch ist.

Abends auf dem Boot besuchen uns, wie schon öfter mal wieder Fledermäuse. Im Grunde kein Problem, außer wenn sie nachts an Bord kommen und dann noch die Bananen wegfressen. Das kann ich auch noch gut verkraften aber nicht, wenn sie mir nachts um die Ohren fliegen, das geht dann doch über meine Bewältigungsstrategie. Gott sei Dank haben sie eingebauten Ultraschall und weichen mir aus.  Es handelt sich zwar um fruchtfressende Arten, trotzdem ist es ein mehr als ausreichender Grund um Micha etwas hysterisch zu wecken. Er hatte auch nicht wie besprochen den Niedergang zugemacht. Ich weiß ja, sie tun nichts und wollen nur spielen, aber am nächsten Morgen hatten sie uns dann auch noch reichlich ihre Losung hinterlassen. Das fand selbst Micha nicht mehr so toll.

Kolumbien – Santa Marta ab 12. März

Nachdem wir uns bei den Behörden ehrlich gemacht haben, fahren wir weiter Richtung Kolumbien mit dem Ziel Santa Marta. Die SCOOTER ist noch da, hat sogar noch um ein paar Tage verlängert. Wir brauchen für die Strecke ca. 4 Tage und 3 Nächte. Das Wetterfenster ist gut. Da am Carbo de Vela immer sehr viel Wind herrscht, sollte man gut planen. Unser Wetterfenster ist dann aber so gut ausgewählt, dass wir am Carbo de Vela sogar den Motor anwerfen müssen. Dafür erwarten uns relativ überraschend kurz vor Santa Marta 30 – 35 Knoten Wind.

Wir müssen über Funk einige Informationen abgeben, was zum ersten Mal meine Aufgabe ist. Micha steht am Ruder wegen des heftigen Windes. Der Autopilot ist etwas überfordert und da der Wind von See kommt, befürchten wir in Legerwall zu geraten. Was heißt, dass der Wind uns gegen die Felsen drücken könnte, wenn  nicht schnell genug gegengesteuert wird. Ich schreie also so gut ich kann ins Funkgerät. Die wichtigsten Fragen beantwortend; wie viele Personen sind an Bord, ob jemand krank ist und wo wir herkommen. Dann dürfen wir erst einmal in der Hafenbucht ankern. Wir sind heilfroh endlich den Fallwinden, die hier ganz plötzlich aufkommen können, entflohen zu sein. Es tritt Ruhe ein und wir genießen die ersten Impressionen von Kolumbien. Santa Marta weht mit lebendiger Musik und Leichtigkeit ins Boot rüber. Ich fühle mich gleich verbunden und kann es gar nicht erwarten, morgen den Fuß zum ersten Mal auf den südamerikanischen Kontinent zu setzen.

Bevor wir aber wirklich Kolumbien betreten dürfen, müssen wir auf eine eine ärztliche Untersuchung warten. Dazu wird uns medizinisches Personal vorher an Bord geschickt.

Corona ist für uns zwar schon seit Bonnaire irgendwie ein Thema aber es scheint bislang noch ganz weit weg gewesen zu sein. Hier in der Ankerbucht vor Santa Marta ist es plötzlich da. Es hat uns überholt in den 4 Tagen zwischen Curacao und Kolumbien.

Durch die nun folgende Zwangspause drängt sich eine kleine Zwischenbilanz der bisherigen Tour auf:
Wir sind (Stand 13. März 2020) seit 250 Tagen und 7.113 Seemeilen unterwegs. Davon 12,8% unter Motor (v.a. wg. Nord-Ostsee-Kanal und Staandemast-Route). In 39 verschiedenen Häfen haben wir 115 Nächte verbracht. 102 Übernachtungen gab es in 42 besuchten Ankerbuchten. Sieben mal fuhren wir Etappen mit mindestens einem Nachtschlag. Insgesamt waren es 33 Nächte, davon 20 bei der Atlantiküberquerung. Unser bisher bestes Etmal (Strecke von Mittag zu Mittag) fuhren wir am 4./5. Dezember mit 159 Seemeilen (6,6 kn)

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Abschnitt 12           Karibik   – St. Vincent – Grenadinen – Grenada- 

Wallilabou-Bay 21. Januar

Nächster Stopp ist der Inselstaat Saint Vincent. Hier ankern wir in der Wallilabou-Bay, wo Szenen von „Fluch der Karibik“ gedreht wurden, wie auch schon an einigen anderen schönen Stellen – unter anderem in Dominica. Es gibt sogar ein offenes Museum am Strand, bestehend aus den Utensilien, die das Filmteam damals zurückgelassen hatte.

Sofort nach unserer Ankunft werden wir von dem hiesigen „Empfangskomitees“ umringt, das forsch seine Dienstleistungen und Waren anbietet. Es werden Ketten, Lobster und Bananen aufs Boot gelegt und zu sehr überzogenen Preisen angeboten. Wir werden zum Feilschen gezwungen, ansonsten ist bald Ebbe in der Bordkasse. Generell ist hier alles super teuer, auch bei den Einheimischen selbst und auf Märkten. Wir fragen uns immer wieder, wie sie das hier wohl alles stemmen. Es läuft vermutlich vieles über Selbstversorgung und Tausch.

Nun beginnen die Grenadinen, eine Inselgruppe von ca. 300 kleinen Inselchen zwischen, Saint Vincent und Grenada. Erst jetzt merken wir, wie europäisch Martinique war. Die Versorgungslage wird immer dünner. „Supermärkte“ sind hier nur noch kleine Läden, hauptsächlich mit Konserven, Getränken und Tiefkühlware. Obst und Gemüse wird sehr teuer auf den Märkten angeboten, so dass wir wirklich nur noch das Notwendigste einkaufen. Fleisch gibt es schon länger nicht mehr bei uns an Bord. Fisch ist nicht bezahlbar. Die Käseauswahl wird auch langsam mehr als übersichtlich. Eine H-Milch kostet beispielsweise ca. 3€. Extras oder spezielle Ernährungsformen sind hier gar nicht mehr angesagt. Es wird gegessen was die Karibik und ihre Bewohner gerade hergeben. Kaffee trinken wir auch schon mal schwarz oder mit Milchpulver. Ich habe sogar schon erfolgreich erstmals meinen Jogurt mit Milchpulver angesetzt. 😉 Alternativen und neue Ideen müssen her: Kochbananen in der Pfanne gebraten.

In jedem etwas größeren Ort hat auch Micha Gelegenheit zum Shoppen – natürlich Sachen fürs Boot. Er und der Bootsausstatter sind meist sichtlich zufrieden, wenn er den Laden verlässt. Glücklicherweise gibt es noch eine große Auswahl. Nach dem Panamakanal wird es wohl sehr viel schlechter aussehen, wenn die Infrastruktur noch weiter abnimmt. Erfreulicherweise hat Friederike noch einmal ihren Besuch angekündigt. Wir können bei ihr 20kg Bestellungen aufgeben, sodass sie  kaum Platz für ihre eigenen Sachen haben wird. Das muss dann aber auch reichen für den Rest der Welt. 😉

Seit Martinique haben wir eine Datenkarte fürs Smartphone, die für die ganze Karibik genutzt werden kann. Immerhin 40 Gigabit für nur 35,– €/ mtl. So ist alles viel einfacher und wir auch jenseits von Wifi wieder mit der Welt verbunden. Leider nur per iPhone und nicht mit dem Router wie einst gedacht. Jetzt können wir auch wieder sehen, wer sich wo befindet und mit wem sich unser Weg kreuzt für eine kleine Verabredung zwischendurch. Zum Beispiel sehen wir, dass die LAMITYE von Grenada hochkommt und wir schreiben uns schon mal über WhatsApp an.

Bequia 22. Januar

Wir erreichen Bequia, die erste und größte Insel der Grenadinen und treffen wieder auf unseren kleinen Tross von 5 Booten.  In leicht veränderlicher Zusammenstellung finden wir uns seit Martinique immer wieder zusammen. Das ist immer etwas so wie „alte Freunde“ treffen. Daher verabreden wir Frauen uns zum Mädels Abend und gehen in Bequia aus. Natürlich mit Dinghi, was auf dem Rückweg gegen ca. 3 Uhr wegen Motorproblemen in einem gegenseitigen Abschleppdienst endetet. Die Männer bekommen davon glücklicherweise nichts mit. Am nächsten Tag fühlen sie sich extrem vernachlässigt und quengeln rum, dass sie auch mal „Gassi“ wollen. Selbstverständlich müssen sie einen draufsetzen und kommen erst gegen 4 Uhr wieder zurück. Im Gegensatz zu uns brauchen sie dannn auch noch den nächsten Tag um wieder gerade aus schauen zu können. 😉

Bequia gehört zu St. Vincent und wir klarieren hier ein, da das Büro in der Wallilabou Bay geschlossen hatte. Hier werden noch alle Namen mit Passnummer in einem riesigen Buch per Hand von einem wichtigen Beamten eingetragen. Es hat irgendwie etwas Feierliches an sich.

In Saint Lucia hatten wir insgesamt drei Mal ein- und ausklariert. Auch wenn man den Inselstaat nach einigen Tagen wieder neu betritt, geht das Prozedere incl. Kosten wieder von vorn los. Dazu gehört auch, dass eine gelbe Quarantäneflagge gehisst wird, sobald man sich in einem neuen Land befindet. Die bleibt solange bis man einklariert ist und wird dann gegen die hiesige Landesflagge ausgetauscht. Erst dann darf man offiziell das Land betreten. Wenn man nur vor Anker liegt und nicht wirklich an Land geht, reicht die Quarantäneflagge.

Mustique 24. Januar

Unser nächstes Ziel heißt Mustique und ist eine Privatinsel. Der Name lässt nicht wie evtl. vermutet auf Mystisches rückschließen, sondern kommt von Mücken. Ca. 90 Villen stehen dort versteckt in einer wunderbaren Vegetation. Hier könnte man aus Versehen Mick Jagger oder Brian Adams treffen. Das normale Volk darf sich aber nur auf ausgewiesenen Wegen aufhalten und muss dafür ordentlich bezahlen. Wir kommen relativ spät abends an und fahren früh morgens wieder, bevor die Ranger zum Kassieren kommen. Wir treffen keine Promis, dafür Anja und Ralph von der LAMITYE, was für uns völlig ausreichend ist. 😉

In einem von den zwei Restaurants der Insel, sitzen wir bis tief in die Nacht hinein, freuen uns und klönen zusammen. Dieses Wochenende findet ein Bluesfestival statt und wir kommen in den Genuss der ersten Bands. Mücken gib es kaum, wie auch glücklicherweise bisher nicht auf den meisten der Karibischen Inseln, dafür Fledermäuse, die bis ins Boot hineinfliegen. Ich bin froh, dass Micha ihr im Weg steht, als die Erste DAPHNE inspizieren möchte. Sie macht sofort kehrt und findet prompt wieder raus, bevor ich überhaupt mitbekomme was los ist.

Tobago Cays 25. Januar

So richtig karibisch wird es dann in den Tobago Cays. Ein hufeisenförmiges Riff hält die Brandung draußen und sorgt für ein ruhiges Ankern. Das Wasser ist türkisfarben, kleine menschenleere Strände, Schnorcheln mit bunten Fischen, Stachelrochen, Schildkröten und unserem ersten Hai. Dafür keine Infrastruktur, man muss für einige Tage alles dabeihaben. Eigentlich sollte es ein Baguette-Boot geben wie in Martinique aber zwei Tage kommt niemand, so dass ich gezwungen bin zu backen. Als ich fertig bin, kommen dann sogar zwei Boote und wollen Baguette, Bananabrot usw. verkaufen. ☹

Die einzige Location ist am Strand, eine riesige offene Küche, wo „Big Mama“, Fish, Chicken und Lobster satt anbietet. Ein Muss für jeden der dort hinkommt. Mittlerweile trudeln auch die GENTOO, die WOLO und weitere „Kinderboote“ ein, sodass wir beschließen dieses Highlight mit allen gemeinsam zu genießen. Micha verhandelt knallhart mit Big Mama, die ihm relaxt im Liegen zuhört und lässig feilscht.  Wir treffen uns zum Abend mit 12 Erwachsenen und 5 Kindern zu einem wunderbaren Lobster-Essen. Besteck und Getränke werden mitgebracht, so halten sich die Kosten in Grenzen. Letztlich trickst uns Big Mama doch aus, und liefert uns in Anbetracht der Mengen zwei Lobster weniger als ausgehandelt – angeblich weil sie so groß sind. Da wir fast satt sind und schon einige Wein getrunken haben, nehmen wir es mit karibischer Gelassenheit. 😉

So verbringen wir einige Tage in diesem wunderbaren Paradies. Die Kommunikation zwischen den Booten am Ankerplatz, funktioniert entweder über rufen und gestikulieren, schwimmen oder mit dem Dinghi. Ich leihe mir ein SUP (Stand-Up-Paddle) von der SERENETY und versuche mich einige Zeit damit. Es ist eine super Ergänzung, weil man damit auch mal ganz unkompliziert, ohne Motor und Dinghi klar zu machen zu anderen Booten oder an Land gehen kann. Wenn man sich geschickt anstellt, wird man nicht mal nass. 😉 Als ich es zurückbringe, habe ich die Idee anschließend zurückzuschwimmen.  An sich ein guter Plan, es ist heiß, das Wasser ist schön und angenehm und ihr Boot ist ca. 100 Meter entfernt. Hinzupaddeln ist wunderbar, zurück zu bekomme ich ein Problem. Die Strömung ist derart stark, dass ich trotz kräftiger Züge nur Zentimeterweise vorwärtskomme. Als der Gedanke hochkommt, dass ich es nicht schaffen könnte, steigt langsam Panik in mir auf, meine Kräfte lassen nach, mein Kopfkino setzt sich weiter in Gang. Ich schaue nach Micha und sehe ihn nicht. Er sitzt wohl unter Deck und schneidet konzentriert Videos oder ähnliches. Aber ich habe Glück, er hört mich und kommt mich mit dem Dinghi abholen. Es wäre ja nicht wirklich etwas passiert. Ich hätte mich wieder zur SERENETY zurücktreiben lassen können, aber diesen Sog zu spüren war schon krass.

Wirklich beeindruckend war auch das Schnorcheln. Wir haben unseren ersten kleinen Riffhai gesehen.  Von mir aus müssen sie auch nicht größer werden. Viele schöne, bunte Fische und gigantische Korallenformationen. Es war wie Schwimmen in einem großen Aquarium. Am meisten erschreckt habe ich mich aber vor den Stachelrochen, die manchmal sogar zu zweit ankamen. Sie sind so groß und schwarz und ihr Stachel ist nicht ungefährlich.

Am Morgen als wir die Tobago Cays verlassen wollen, lesen wir, dass unseren Finnen von der EA das Dinghi weggerissen ist. Ein Alptraum jedes Seglers, denn ohne geht hier gar nichts mehr. Zum Dinghi gehört natürlich noch der Motor, also mal eben 3.000-4.000,– € weg. Wir machen uns mit 4 Booten auf den Weg und suchen an den gegenüberliegenden Inseln die Küsten ab. Leider ohne Erfolg. Sie müssen sich wohl oder übel auf Grenada etwas Neues kaufen. Zusammen mit den anderen Booten sammeln wir etwas Geld, um wenigstens etwas zu helfen.

Manchmal reicht ein falscher Handgriff und schon ist es passiert. Wie auch zwei Mal schon bei uns. Micha legt den kleinen Dinghi-Anker so unglücklich auf die Leine mit der das Dinghi fest gemacht ist. Als etwas Wind aufkommt, spannt sich die Leine und schleudert den Anker vor meinen Augen ins Wasser. Oder wir wollen uns an einer Boje mit einer Leine festmachen. Dazu muss ich sie durchfädeln und die beiden Enden am Boot befestigen. Wir hatten aber noch etwas Fahrt, so dass ich nicht schnell genug mit meinem Ende die Klampe belegen konnte und das andere Ende leider auch nicht fest war. Ruckzuck war die ganze Leine im Wasser und versank. Jedes Mal in ca. 7 Meter Wassertiefe. Dank eines Bootshaken und Michas Tauchkünsten wurde aber beides wieder nach oben befördert. Natürlich nicht ohne lautstarkes Fluchen.

Union Island 30. Januar

Weiter geht’s nach Union Island. Hier müssen wir wieder Wasser tanken und fallen fast nach hinten um. Wasser scheint fast teurer zu sein als Bier. Haben wir bisher zwischen 2 und 6 Euro für das Füllen unseres Wassertanks bezahlt, so sind es jetzt 50 €. Dazu kommt, dass wir demnächst nicht mehr so einfach an Häfen bzw. Wassertankstellen rankommen werden. Dann wird es nicht nur teuer, sondern auch noch kompliziert, denn wir müssten Wasser in Kanistern von Land transportieren. Das wäre eine schwere Schlepperei und könnte sich zu ganzen Tagesaufgaben entwickeln.  Außerdem trinken wir jetzt unser Wasser dank der Filter, so haben wir kein Plastikmüll mehr und müssen den Einheimischen nicht das knappe Wasser wegkaufen. Ein Grund mehr, der für die Anschaffung eines Wassermachers spricht. Neben dem Bimini ebenfalls in Trinidad erhältlich. In Union Island laufen wieder so viele Hunde frei herum, dass ich mich etwas unwohl fühle. Sie sind aber sehr friedlich und lassen uns in Ruhe. Erstaunlich ist auch, dass man nicht einen Hundehaufen auf den Straßen sieht.

 

Sandy Island 02. Februar

Bevor es weiter nach Grenada geht, ankern wir noch vor Sandy Island, einer winzigen kleinen Insel, wie sie unserer Vorstellung nach, karibischer nicht sein kann. Die Pelikane stürzen wie Pfeile ins Wasser und lassen sich von Nahem sehr schön beobachten. Schnorcheln und Fotoshooting auf Crusoes Island. Abends treffen wir noch Siri aus Berlin. Sie ist seit 5 Jahren auf unterschiedlichen Booten unterwegs und hat ihr bürgerliches Leben vorerst in Deutschland an den Nagel gehängt. Im Moment ist sie Skipperin auf dem Kat Hector. Wir fahren zum Sundowner noch rüber und klönen mit ihr, Achim und seiner Crew.

 

Guyano – Grenada 04. Februar

Auf dem Weg nach Grenada machen wir Zwischenstopp in Guyano, einem kleinen Fischerdorf.  Als einziger Segler zwischen lauter Fischerbooten, schert sich niemand weiter um uns. Zur Dämmerung kommt Leben in den Hafen und die meisten fahren raus zum Angeln. Wir hofften noch etwas Fisch kaufen zu können aber die vollen Boote kommen erst am Morgen zurück. Beim Landgang sehen wir, wie Kakaobohnen getrocknet werden und kommen mit Thomas ins Gespräch. Sein Großvater wurde noch im 19. Jahrhundert aus dem Kongo als Sklave hier her verschleppt. Wir unterhalten uns sehr nett und dürfen Fotos machen.

Michas Blick wird danach auf ein offenes Ladenbüro gelenkt, was sich als Wahlkreisbüro eines Abgeordneten entpuppt. Der Wahlkreismitarbeiter Carlton winkt uns freundlich heran und informiert uns umfangreich über Grenadas Geschichte, Tourismus und Politik. Wir freuen uns, dass wir hier wieder so netten und interessierten Menschen begegnen.

Grenada – Einklarierungsbüro

Dennoch, die Einklarierung in Grenada möchte ich nicht ganz unerwähnt lassen. Ein ca. 25-Jähriger Beamter, in perfekt gekleideter Uniform mit Rasterzöpfen, empfängt mich extrem lustlos in seinem eiskalt klimatisierten Büro. Er deutet mir, ohne mich eines Blickes zu würdigen durch Kopfbewegung an, dass ich mir irgendwelche Formulare nehmen möchte und sie bitte draußen ausfüllen soll. Ich traue mich nicht zu fragen, ob ich die richtigen gegriffen habe und hoffe, es möge so sein. Nachdem ich vorsichtig wieder reinkomme, nimmt er, ohne hochzusehen einen seiner Kopfhörer ab und hängt ihn sich übers Ohr. Nur sehr ungern hebt er den Blick vom Musikvideo und schiebt sein iPhone etwas zur Seite, um sich meinen Formularen zu widmen. Mit abweisendem Gesicht und gerunzelter Stirn überprüft er die Angaben, sodass ich jeden Moment erwarte wieder rausgeschickt zu werden und alles noch einmal von vorn anzufangen. Mein Blick streift während diesen etwas angespannten Minuten ein Qualitätszertifikat an der Wand, welches garantiert, dass die Mitarbeiter hier jederzeit ihr Bestes geben. Schließlich fragt er mich mit auf das Blatt gehefteten Blick etwas, was ich nur schlecht verstehe und nachfragen muss. Er wiederholt es genauso undeutlich und ohne die geringste Mühe, dass ich ihn diesmal besser verstehe. Ich bleibe bemüht tapfer und so schaffen wir diese Prozedur tatsächlich gemeinsam 😉 Er zückt seinen Stempel, kassiert mich ab, immernoch ohne aufzublicken und ich spüre förmlich die Erleichterung, als er mich ohne meinen Gruß zu erwidern, wieder frei lässt.

 

St. Georges – Grenada 05. Februar

In St. Georges, der Inselhauptstadt landen täglich, wie an fast allen Karibikinseln, mindestens ein Kreuzfahrschiff. Manchmal auch mehr. Man kann sie kaum übersehen, die Stadt ist dann kurzzeitig überfüllt mit hektisch fotogrfierenden Menschen. Auch wir sind unterwegs, weil St. Georges doch einiges zu bieten hat, wie diese schöne Festung mit einem atemberaubenden Blick. 😉 

Hier treffen wir dann wieder unsere Finnen Jarmo und Teja mit ihrer Tochter Helmi von der EA. Sie ankern fast neben uns, haben mittlerweile ein neues Dinghi erstanden und können wieder frei von Bord an Land gehen. Außerdem ist die SERENETY mit ihren 3-jährigen Zwillingen hier. GENTOO und WOLO haben Grenada ausgelassen und sich direkt auf den Weg Richtung ABC-Inseln gemacht. Anneli und Volker von der ESCAPE sind auch auf Grenada, allerdings an einer anderen Ecke. Doch wir haben uns schon von unterwegs aus verständigt, dass das wir uns in jedem Fall sehen wollen. Das setzen wir gleich in die Tat um und unternehmen zwei wunderschöne Tage mit ihnen, wobei wir die ganze Insel gemeinsam erkunden. Volker steuert uns kühn und ausdauernd durch Grenadas Linksverkehr. Wir besuchen mit den Beiden das schönste Schokoladencafé der ganzen Insel und kosten unter anderem lekeres Muskateis.

Die Insel ist bekannt für den Muskatnussanbau und Produktion. Unsere eingeschränkte Sicht über Muskat weitet sich erstaunlich. In diversen Fabriken erfahren wir eine Menge darüber, wie Ernte, Verarbeitung und Rezepturen. Aber auch mit Kakao und Schokolade kennen sie sich bestens aus und machen seit Jahrhunderten den feinsten Rum. Wir bekommen neben köstlichen Proben, Einblicke in die traditionelle Herstellung und frühere Arbeitsweisen, die teilweise noch sehr gepflegt werden. Nach der Schokoladenfabrik besuchen wir noch schnell eine weitere Rumdestillerie. Und weil es schon fast Feierabend ist und wir noch etwas neugierig auf dem Gelände umherstreifen, werden wir ganz spontan und unkompliziert in eine Betriebsfeier eingeladen.

Wahrscheinlich im Hinblick auf den morgigen Unabhängigkeitstag ist ganz Grenada schon in Partylaune. Bei der öffentlichen Ansprache, des Salesmanagers, werden wir sogar ausgiebig und ganz offiziell begrüßt. Es gibt kurze Reden mit Danksagung, Auswertung usw. also fast alles wie bei uns. Nebenbei läuft wieder die lautstarke Soca-Musik. 😊 Wir werden herzlich eingeladen mit zu essen, zu trinken und zu feiern. Bei einem Becher Rumschokolade auf Eis, sprechen wir mit einigen Mitarbeitern und zufällig auch mit der Chefin, von der wir dann noch einiges mehr erfahren.

Einen ausführlichen Bericht davon findet Ihr im Blog der SY ESCAPE

Am 07. Februar begeht Grenada seinen 49. Independence Day (von Großbritannien). Auch unsere kleine German Community ist dabei und unterstützt die Einheimischen kräftig beim Feiern. Sie sind sehr stolz darauf und auf ihr kleines Inselparadies, deshalb werden wir heute häufig über diesen Tag aufgeklärt. Die Stimmung ist super und wir freuen uns mit den Menschen hier.

Im Hafen von St. Georges liegt ein alter Frachtensegler der unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Michael erinnert sich dunkel, dass es darüber mal einen Bericht gab und tatsächlich, es ist das selbe Schiff.  Wir besuchen „Tres Hombres“ sogar und bekommen einen ausführlichen Rundgang sowie einen sehr schönen Einblick in den Alltag der Crew. Wer mehr erfahren möchte: Micha hat einen ausführlichen Bericht geschrieben, wie Rotwein aus Frankreich oder auch Muskatnüsse und Rum aus der Karibik, völlig ohne fossile Brennstoffe über den Atlantik geschippert werden. 

Micha hat hierüber einen interessanten Beitrag geschrieben.

So langsam heißt es Abschiednehmen, die meisten treffen wir jetzt vorerst zum letzten Mal. Die LAMITYE und die ESCAPE bleiben in der Karibik und wollen zur Hurrikane-Saison nach Norden. Im Juni sollte man vor den Hurrikans entweder ganz im Süden der Karibik bzw. bis hoch in die USA ausgewichen sein. Die GENTOO und die WOLO hoffen wir am Panamakanal wieder zu treffen, um mit ihnen weiter durch den Pazifik zu segeln. Die EA macht im Mai die Nordatlantikroute wieder zurück nach Finnland. Die SERENETY will sich noch nicht ganz festlegen, wie es bei ihnen genau weiter geht.

Am Sonntag telefoniere ich wieder mit meinen Eltern, die meine Reise sehr tapfer und interessiert begleiten. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Als ich dann mit meinem Vater spreche, merke ich doch wieder die etwas besorgten Gedanken, die er sich macht, ohne es direkt auszusprechen. Unter anderem reden wir über seinen bevorstehenden 80. Geburtstag und plötzlich schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich an diesem Tag doch gerne bei ihm sein will. Eigentlich fast unmöglich und dann noch nicht mal vernünftig geplant.  Als Micha dann beiläufig sagt: „Na dann guck doch mal nach Flügen“ ist es um mich geschehen, es gibt kein Halten mehr. Ich finde etwas für den nächsten Tag, also Dienstag früh um 6 Uhr und wäre Mittwoch nach ca. 24 Stunden gegen 12 Uhr da. Allerdings mit viermal Umsteigen. Selbst das schreckt mich nicht mehr. Ich telefoniere als erstes mit meinen Kindern, die ganz aus dem Häuschen sind, also – ich buche. 😉

Heimflug  11.  Februar

Wecker klingelt um 3:30 Uhr, Micha bringt mich mit dem Dinghi in den Hafen, dort steht der gestern verabredete Taxifahrer und bringt mich zum Flughafen. Ich denke; die unsichersten Verkehrsmittel habe ich jetzt hinter mir, weil ich nun von einem in den andern Flieger steige und die Piloten ja wissen was sie tun und alles weitere übernehmen. Als erstes soll es von Grenada Richtung Süden nach Trinidad gehen, von wo aus ich den Anschluss nach Miami bekomme. Dort habe ich 5 Stunden Aufenthalt um dann nach Lissabon und weiter nach Tegel zu fliegen.

Ich betrete den übersichtlichen Flughafen von Grenada. Es ist noch kaum jemand hier und ich denke; was mach ich denn jetzt anderthalb Stunden bloß. 5 Minuten später nachdem ich mein Ticket der Check-in-Lady übergeben habe, weiß ich es.  Sie erklärt mir, recht gleichgültig, dass ich ein Problem habe; ein großes. Ich werde gefragt ob ich ein Visum für die USA habe? Nein! Oder wenigstens ESTA? Was? Nein, warum? Wozu, ich will doch nur nach Deutschland? Tja, dann könne sie mich nicht einchecken und war schon im Begriff sich dem zweiten und neben mir einzigen Passagier für diesen Flug zu widmen. Äh, Moment das kann doch jetzt nicht alles gewesen sein?

Doch, erklärt sie mir im schnellen karibischen Slang-Englisch. Evtl. könne man noch ESTA (provisorisches Transitvisa) versuchen zu machen. Sie weiß aber nicht, ob das ausreicht und ob sie mich damit in Mami einreisen lassen.

Ich bin wie paralysiert und sage nur: Okay, mache ich, ohne zu wissen was ich eigentlich tun soll. Ich verdränge den Gedanken, dass ich das Problem damit eventuell nur nach hinten verschiebe. Hier könnte ich einfach mit dem Taxi zurück zum Boot fahren. Es ist geplant, dass Micha alleine nach Trinidad segelt, aber erst wenn er das Okay von mir bekommen hat, dass ich wirklich weg bin. In Miami könnte ich unter Umständen wirklich nicht mehr weiter bzw. komme auch nicht mehr weg……

Meine Überlegung wird von der Mitarbeiterin unterbrochen, die mich aufgefordert, mein iPhone klar zu machen, um die Prozedur zu beginnen. Also auf dem kleinen Bildschirm Tausende von Informationen und Identifikationsnummern eingeben. Nicht ohne mir immer mal zwischendurch zu versichern, dass ich diesen Flug sowieso nicht mehr bekomme. Denn wir müssten noch auf die Bestätigung warten, die zwischen  20 Minuten und 2 Stunden dauern kann. Stoisch tippe ich ein was ich weiß, wie Namen und Anschrift der Eltern, des Arbeitgebers und Fragen ob man schon einmal in einem Gefängnis war oder vor hat, eine Straftat zu begehen….

Ab und zu nimmt sie mir mein iPhone mit hochgezogenen Augenbrauen aus der Hand, wenn ich mich gar zu sehr anstelle und ist mit ihren 10 cm Fingernägeln immer noch schneller als ich. Mir fällt zwischendurch der Film „Terminal“ mit Tom Hanks ein, wo ein Mann drei Jahre auf dem Flughafen lebt. So wie ich jetzt wahrscheinlich in Miami. Nach circa einer Stunde sind wir durch und in 30 Minuten ab jetzt geht der Flieger. Es beginnen die 20 Minuten oder die zwei Stunden Wartezeit auf die Bestätigung. Der internationale Flughafen von Grenada ist nicht größer als eine Turnhalle und ich kann das Flugzeug auf der Rollbahn stehen sehen. Der zweite Passagier ist längst abgefertigt und ich fühle mich sehr verlassen. Mir ist zum Heulen zumute und um mich abzulenken, bete ich zum Universum, dass es heute nur 20 Minuten dauert. Gelegentlich kommt sie nach vorn und schaut abwechselnd auf ihren Bildschirm und dann kopfschüttelnd auf die Uhr. Das geht ganze 15 Minuten so, bis ihr Gesicht das erste Mal heute ein kleines Lächeln zeigt. Das kann nur eines bedeuten denke ich und die Hoffnung kommt wieder. Nun hat sie der Ehrgeiz gepackt 😉 und nun möchte auch sie, dass ich den Flug noch bekomme. Hecktisch gibt sie mir noch einen kleinen Zettel mit Flugnummer und zum hundertsten Mal Name und Anschrift usw. genau in Kästchen schreiben. Reißt ihn mir dann wieder aus der Hand, weil sie meine Daten mittlerweile schon besser kennt als ich und schreibt selbst. Dann ab durch den Sicherheitscheck und ich glaube es kaum; 5 Minuten vor Abflug darf ich noch ins Flugzeug springen und wirklich mit. 😊😊 Die Tür war noch nicht richtig zu, da rollen wir schon los. In Deutschland unvorstellbar. Die Situation davor hätte man wahrscheinlich professioneller behandelt aber das hätte mir dann 5 Minuten vor Abflug auch nichts mehr genutzt. Ein großes Dankeschön an die karibische Gelassenheit. 😉

Vor dem Start gilt es aber noch ein kleines Problem zu lösen. Micha hatte ich zwischendurch geschrieben, dass er bitte noch nicht lossegeln soll, weil es sein kann, dass ich wieder zurück zum Boot komme. Im Flieger gab es dann natürlich kein WiFi mehr und ich habe ja keine Datenkarte im iPhone. Heute kann mich aber nichts mehr schrecken und ich frage meinen Sitznachbarn, der gerade mit seinem Handy beschäftigt ist. Kein Problem, ich darf Micha schreiben, dass alles noch geklappt hat. Der wundert sich zwar über die Absendernummer, versteht ansonsten aber die Nachricht. Uns fällt ein riesiger Stein vom Herzen. Der Rest der Reise geht ohne Probleme weiter. In Miami wird nichts beanstandet. Ich lande auf die Minute pünktlich, 24 Stunden später am 12. Februar in Tegel und werden von meinen beiden Kindern abgeholt. Ab jetzt habe ich genau 5,5 Tage Zeit. Meine Eltern wissen noch nichts davon und werden riesig überrascht. 😉

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Abschnitt 11    Karibik: Saint Lucia, Martinique, Dominica

Nach drei Wochen, auf das einfachste reduzierte Dasein, empfängt uns die Karibik in Saint Lucia mit ihrer ganzen exotischen Vielfalt. Schwüle, Hitze, fremdartigen Gerüche, üppige Vegetation und die Menschen mit ihrer ungewohnten Sprache und Kultur. Die eigentliche Urbevölkerung ist kaum wahrnehmbar und nur noch an vereinzelten Orten anzutreffen. Hier sind die meisten Menschen Nachfahren schwarzafrikanischer Sklaven.

Noch am Abend unseres Eintreffens geht es auf die ARC-Willkommens-Party. Hier tauchen wir von Null auf Hundert in den Trubel ein, treffen alle unsere Segelfreunde gesund und munter wieder und feiern gebührend unser Ankommen.

Noch haben wir keine Ahnung, wie hier alles so funktioniert. Viele Inselstaaten in der Karibik haben East-Caribbean-Dollar (EC$), im Verhältnis zum Euro ca. 3:1. Die Geldbeschaffung gestaltet sich komplizierter als erwartet, da die Kreditkarte zunächst nicht funktioniert. Erst nach längeren, teuren Telefonaten – so einfach geht das ja nicht mehr – stellt sich heraus, dass sie gesperrt wurde, wegen verdächtigem Abhebungsversuch in der Karibik 😉 und das Kreditinstitut ist so vorsichtig, dass wir auch danach vor jeder Geldabhebung immer recht umständlich wechselnde Sicherheitsfragen beantworten müssen.

So versuchen wir erst einmal mit Euro klar zu kommen und zahlen natürlich wie die meisten naiven Touristen dabei drauf. Dazu kommt, dass hier ohnehin einfach alles super teuer ist. Im Minimarkt am Hafen fallen wir fast nach hinten um. Es gibt fast nichts und was es gibt, ist superteuer. Ein Tüten-Toastbrot kostet  21 EC, also 7€, aber immerhin Multigran, was unserem Vollkorn entfernt ähnlich kommt. Wir fragen uns wie die Einheimischen mit den Lebensmittelpreisen klarkommen. Aber es hilft nichts, wir brauchen etwas zum Essen. In zwei Tagen kommen Michas Mama und unsere Kinder aufs Boot und außerdem ist gleich Weihnachten.

Der hiesige Supermarkt ist einfacher mit dem Dinghi zu erreichen, deshalb fahren Danny (GENTOO) und ich so dort ran, sonst müssten wir uns ein Taxi nehmen. Erleichtert stellen wir fest, dass es hier einiges mehr gibt, wenn auch teuer und sehr amerikanisch, so wie das Brot.

Martinique

Nach zwei Tagen heißt es dann schon wieder Segel hoch um die Familie von Martinique abzuholen, die nächste Insel nördlich, ca. 30 Seemeilen entfernt. Eigentlich ein Katzensprung, wenn es nicht mit 5 -6 Beaufort blasen würde. Jetzt haben wir den Passat nicht mehr von Achtern, sondern seitlich, was wesentlich ungemütlicher ist als bei der Atlantiküberquerung.

Martinique ist wieder etwas europäischer, es gehört schließlich zu Frankreich. Der Supermarkt ist ein Segen im Gegensatz zu Saint Lucia. Freudig bestaunen wir die französischen Produkte, wie seltene Kostbarkeiten. Vor allem – und da sind die Franzosen konsequent – feinstes Baguette. Weihnachten ist gerettet 😉

Saint Lucia

Mit Elke und den Kids fahren wir selig vereint am nächsten Tag wieder zurück nach Saint Lucia um an der ARC Abschlussveranstaltung, inklusive Preisverleihung teilzunehmen. Eigentlich fehlt uns mal eine Erholungszeit und der DAPHNE diverse Instandhaltungsarbeiten. Wir versuchen wenigstens die Segel runter zu holen, um sie überarbeiten zu lassen. Die Genua ist kein Problem aber ein Beschlag des Großsegels hat sich so festgefressen, dass Micha schon wieder am „Jammern“ ist. Auch mit bestem Werkzeug, ist einfach nichts zu machen. Also ziehen wir es wieder hoch und verschieben das Problem auf später.

Die Abschlussveranstaltung  verläuft für uns sehr überraschend. Wir gewinnen den 3. Platz in unserer Gruppe und anschließend sogar noch den 1. Platz bei den 2-Personen-Crews. Micha war erstaunt, dass es nur 7 weitere Zweier-Teams gab. Hatte ich es doch von ihm zuvor so verkauft bekommen, als ob die Mehrzahl so den Atlantik überqueren würden. 😉

Danach ist die ARC nun wirklich vorbei. All die schönen Partys, die vielen Infos so auch das Gefühl der großen Familie. Der Hafen wirkt auf einmal ruhig und verlassen. Viele Büros und Bungalows sind wie ausgestorben, die letzten Boote brechen in verschiedene Richtungen auf. Man kann niemand mehr um Rat fragen, jetzt müssen wir auf eigenen Füßen stehen.

Als Micha für Daphne den Strom bezahlen will staunt er nicht schlecht über die angeblich 60 verbrauchten Kilowattstunden. Nur für einmal kurz Batterien vollladen. Soviel verbrauchen wir zu Hause nicht in einer Woche. Nach längerem Grübeln und hin und her diskutieren, stellt sich heraus, dass beim Zähler ein Komma fehlt. Gleichgültig wird die Rechnung auf ein Zehntel reduziert – die nächsten Boote erwartet vermutlich ähnliches. In diesem Stil ging es bei der Immigration weiter. Die Beamtin dort ließ uns wie überflüssiges Strandgut neben ihrem Schreibtisch stehen und bearbeitete wortkarg unsere Formulare. Neben ihr an der Wand sehen wir zufällig eine bunte Visitenkartensammlung und geben ihr zaghaft unsere Karte von der DAPHNE. Auf einmal erscheint ein bezauberndes Lächeln in ihrem Gesicht und sie ist wie ausgewechselt. Manchmal kann es so einfach sein…. 😉

Als letzte Aktivität in Saint Lucia gehen wir mit der SY ESCAPE noch auf den empfohlenen, legendären „Fridays Jump“, wo Gott und die Welt auf der Straße sein soll. So ist es tatsächlich, man kann es kaum beschreiben. Das sehr einfache Hafenviertel, verwandelt sich in der Dunkelheit zu einer Partymeile. Alle privaten Häuser öffnen ihre Vorgärten, Wohnzimmer usw. und funktionieren sie zu kleinen Bars, Küchen, Tavernen oder ähnlichen kreativen Örtlichkeiten um. Die „Locals“ kochen ihre traditionellen Gerichte, bieten Getränke feil und mischen ihren traditionellen Rum-Punch. Man schiebt und drängelt sich durch die Straße und an die Stände ran. Das alles begleitet von dröhnender Musik, die zur Nacht hin noch lauter und härter wird. Am Ende der Straße stehen riesige Boxen und angeheizt von einem DJs, steht, trinkt und tanzt man sich durch die Menge. Wie wir langsam mitbekommen, ist der Soca die karibische Standardmusik meist begleitet von einem gewöhnungsbedürftigen anzüglichen Tanz. Eine erste Kostprobe davon bekamen wir schon in Las Palmas, als uns eine Delegation aus Saint Lucia besuchte, um uns auf die Karibik einzustimmen. So richtig werden wir ihn aber erst nach dem Karneval in Trinidad verstanden haben. 😉

Dominica

Nun machen wir uns ebenfalls auf den Weg, denn Elke und die Kinder wollen, genauso wie wir, endlich die Karibik sehen. Am 23. Dezember fahren wir nach Dominica hoch, die Insel nördlich über Martinique und landen am 24. 12. gegen 17 Uhr vor Roseau, der Inselhauptstadt. Kolumbus betrat die Insel an einem Sonntag, daher der Name.

Wir kommen Dienstag an, dafür aber Heiligabend.  Anstatt Stall mit Krippe erwartet uns eine Ankerboje. Weihnachtsstimmung will nicht so richtig aufkommen angesichts der Temperaturen und des karibischen Flairs. Das empfohlene „Anchorage-Hotel“, wo wir hofften unser Weihnachtsessen einnehmen zu können, ist wie fast jedes zweite Haus nur noch eine Ruine. Der Hurrikan „Maria“ hatte vor zwei Jahren für schwere Verwüstungen gesorgt, die man bis heute nicht aufgearbeitet bekommen hat. So bleiben wir an Bord, mit meinem Plan B: eingekochtes Gulasch (noch aus Las Palmas), Rotkohl von Aldi aus Portugal und spanischen Kartoffeln. Fast ein richtiges Weihnachtsessen 😉 mit anschließender bescheidener Bescherung.

 

Am ersten Weihnachtsfeiertag machen wir einen Inselausflug mit „Seacat“, einem Local-guide, den wir nur wärmstens empfehlen können. Die beste Gelegenheit in kurzer Zeit möglichst viel kennenzulernen, besteht darin sich einen Guide zu nehmen. Unser erster Ausflug auf Saint Lucia vor einer Woche war eine ziemliche Enttäuschung, da er stark von dem was vorher  besprochen wurde abwich. Wir wurden an alle Souvenirstände herangefahren, die die Insel hergab. Die versprochenen Wasserfälle hat der Fahrer just vergessen und verweigerte uns auch einen kurzen Bummel durch die Inselhauptstadt Castries. Stattdessen hielten wir vor den Schwefelbädern, wo wir ausdrücklich nicht hinwollten. Und auf einmal hatte er es dann total eilig. Aus der vereinbarten Ganztagestour wurde nur ein halber Tag. ☹ So schauen wir jetzt hoffnungsvoll aber doch etwas nervös der Tour mit Seacat entgegen.

Eigentlich gehen wir ja gern auf eigene Faust los. Dazu braucht man dann aber die notwendigen Infos, Was, Wann und Wo. Es dauert hier immer recht lange sich zu orientieren, da es keine oder kaum Touri-Hinweise, Fahrpläne oder sonstige relevanten Informationen gibt. Internet haben wir auch noch nicht wirklich gut verfügbar. Ohne wenigstens ein bisschen Ahnung von irgendetwas zu haben, ist der heutige Reisende ziemlich überfordert. Und das auf jeder Insel wieder neu. 😉 Außerdem bedeutet jeder neue Stopp auf einer Insel, man kommt in einem anderen Land an und ist immer wieder gezwungen neu ein- und auszuklarieren, was manchmal Stunden dauert. Unsere Hoffnungen werden aber diesmal mehr als übertroffen.

„Seacat“ macht mit uns eine super interaktive Tour. Wir kosten Kakao und Kaffeebohnen direkt vom Strauch, Hendrik pflückt mit ihm Sternfrüchte und Pampelmusen vom Baum. Mittags schwimmen wir in einem eiskalten schmalen Canyon zu einem Wasserfall. Danach sind wir eigentlich schon platt, wandern aber noch für ca. 2 Stunden um den größten Süßwassersee der Insel. Und allen voran Elke, mit ihren über 70 Lenzen. Dann dürfen wir entscheiden ob wir zunächst essen oder einen Wasserfall hochklettern wollen. Alle maulen und wollen essen. Ich setze mich durch, weil ich das Koma danach schon voraussehe. Und das war gut so. Der Wasserfall war fantastisch aber auch anstrengend und das Essen danach umso besser.😉 

Martinique

Die Tage mit der Familie plätschern schneller weg als uns lieb ist und so sind wir schon wieder auf dem Weg nach Martinique. Am 30. 12. 19 heißt es für die Drei wieder aufzubrechen nach Deutschland. Wir liegen für einen Tag im Hafen von Le Marin um sie von Bord zu lassen und endlich mit einigen Arbeiten am Boot zu beginnen. Dazu gehören immer noch das Großsegel endlich mit professioneller Hilfe vom Mast zu bekommen und zur Segelmacherin bringen, diverse Verschleißteile überprüfen sowie Ersatzteile, Fett- und Schmierstoffe kaufen.

Dann heißt es, raus in die Bucht zu unseren ARC-Booten, die dort schon einige Zeit vor Anker liegen.  Schließlich ist morgen auch schon Silvester. Es ist geplant, ganz in Ruhe am Strand zu grillen. Eine schöne Runde aus 8 Booten, alle außer wir mit 1 – 2 Kindern. Jeder bringt was mit, so wie zuhause und um 0 gibt es für alle eine Wunderkerze, das war’s. 😊 auf einmal ist 2020.

Wir kommen endlich zur Ruhe, das erste Mal seit zwei Monaten und wollen eine Woche bleiben. Unser Körper merkt das auch und wir werden etwas krank. Also kränkeln wir etwas rum, wobei draußen das pralle Leben weiter geht. Durch die ARC- und Deutschland-Fahnen kommt gefühlt jeden Tag mindestens ein Besucher vorbei und lädt zum Sundowner aufs Boot ein. Apropos: pünktlich um 18 Uhr geht hier die Sonne rasant schnell unter. Wir sind es ja eigentlich gewohnt bei diesen Temperaturen bis 22 Uhr draußen im Hellen zu sitzen. Ein Effekt, der sowohl für Ausflüge, als auch für Ankerplatzsuche nicht zu unterschätzen ist.  Wir werden regelmäßig von der schnell einsetzenden Dunkelheit überrascht.

Nach einer Woche können wir dann wieder mitmischen und wollen natürlich auch noch etwas von der Insel sehen. Dafür mieten wir uns für einige Tage ein Auto und machen sehr schöne Touren aber auch Jagd auf Ersatzmaterial, Proviant usw. Wir essen Fischcurry auf der GENTOO, mischen Pina Colada im Thermomix der ESCAPE und treffen uns abends auf der finnischen EA mit der WOLO und GENTOO. Aber auch Dinge die schon länger aufgeschoben wurden, werden abgearbeitet, wie Michas Zahnarzttermin, den er erfolgreich auf Französisch vereinbart und sich ihm auch tapfer unterzieht. Im Hafen fällt uns zufällig eine Karte in die Hände mit einigen eingezeichneten Wanderwegen, von denen wir einige wagen. Dabei geht es durch abenteuerliche Flußläufe, an die schroffe Ostküste mit wilden Mangrovenwäldern, durch Tunnel hin zu Wasserfällen in den Regenwald und das alles ohne Hinweisschilder und deutschen Absicherungen😉. Die Mangrovenwälder haben uns sehr beeindruckt. Sie wachsen bis zum Meer runter und vereinnahmen ganze Strände. Ihnen scheint das Salzwasser nichts auszumachen.

In diesen 4 Tagen sehen wir die verschiedensten Gesichter von Martinique. Wir waren auch im wunderschönen Jardin de Balata, dem botanischen Garten, in einer Rumfabrik und sind in der französischen Hauptstadt Fort-de-France fast in eine Demonstration mit Tränengaseinsatz geraten. Die Unruhen aus Frankreich kommen bis hierher und sorgen sogar für leere Regale in den Supermärkten. Sonntags sind auf allen karibischen Inseln, die wir bisher besucht haben, die Bürgersteige hochgeklappt. Der verwöhnte Europäer wundert sich, wieso nichts aber auch gar nichts geöffnet ist. Man bekommt nicht mal eine Tasse Kaffee. Dafür stehen wir aber auch nicht im Stau so wie an den Wochentagen.

Die SY APHRODITE – auch eine Najad, mit Cordula und Andreas kommt in die Bucht von Saint Anne gefahren und hält neben uns. Sie sind schon seit einigen Jahren in der Karibik, immer für 6 Monate unterwegs und kennen sie in und auswendig. Bei einigen Sundownern bekommen wir zahlreiche gute Tipps und Unterstützung hinsichtlich Bootsausrüstung oder sehenswerten Zielen. So entsteht der Plan nach Trinidad runter zu fahren, weil man dort sehr gut und günstig etwas am Boot bauen kann. Wir haben schon länger zwei Projekte im Kopf; ein festes Sonnensegel (Bimini) und nun doch den viel diskutierten Wassermacher. Man braucht hier einfach einen guten Sonnenschutz und Wasser zu besorgen wird immer komplizierter und teurer.

Wir feiern den Geburtstag von Andreas am Strand mit einem eindrucksvollen Barbecue. Es werden sogar Pommes per portabler Gas-Fritteuse frisch zubereitet. Und wieder neue Leute 😊, unter anderem Yachties die mit ihren Booten aus Kanada, USA und der Türkei hergesegelt sind. Der Einfachheit halber hat man Andreas eine „60“ aus Luftballons gebastelt, die 59 war zu kompliziert zu formen. 😊

Wir genießen die Zeit mit den neuen und alten Freunden und werden nebenbei mit einer Menge Infos versorgt. Ankerplatzbekanntschaften sind die beste Möglichkeit sich über zukünftige Routen und Touren zu informieren. Außerdem gibt es noch Facebookgruppen von Seglern für die einzelnen Inseln, wo man sich viele interessante Tipps holen kann. Von Ausflügen über Reparaturen, Verschenken/Verkaufen, welcher Laden was hat und wo es gute Angebote gibt etc. Dann gibt es noch auf Inseln mit vielen Dauerliegern wie Martinique und Grenada einmal wöchentlich das „Cruisers Radio“, wo man mithören aber sich auch aktiv mit Vorschlägen reinschalten kann. Nach und nach verstehen wir das Prinzip hier und es erleichtert das Zurechtfinden. Zum Beispiel: Je ärmer die Insel, desto besser ist der ÖPNV organisiert. 

Bei so viel Input und Möglichkeiten, sich die Karibik anzuschauen geraten wir wieder in eine kleine Sinnkrise. Sollte man doch länger hierbleiben? Viele von „unseren Yachties“ steigen für immer aus und haben damit alle Zeit der Welt. Jeder fährt hier seinen eigenen Lebensplan und so müssen auch wir abwägen, ob wir vielleicht noch eine Saison hier in der Karibik dranhängen oder doch wie geplant durch den Panamakanal gehen. Diese und ähnliche Überlegungen begleiten uns in den folgenden Wochen noch sehr häufig. Und natürlich auch, dass wir absehbar viele unserer befreundeten Yachten nicht mehr sehen werden. Man wird doch sehr schnell warm mit den meisten und wir fühlen uns beinah schon ein bisschen heimisch in unserem Wasserdorf. Eher Kleinstadt muss man schon sagen – mit uns liegen ca. 500 Boote in der Bucht. Auf jeden Fall, hat man im Dunkeln Probleme sein „Haus“ zu finden. Morgens kommt fast zuverlässig ein Baguette-Boot vorbei. Zwei junge super freundliche Franzosen verkaufen dazu noch Croissants und Pain au Chocolat. Es gibt sogar ein Katamaran der Pizza bäckt und anbietet. In den Genuss sind wir leider nicht gekommen – waren zu viel unterwegs auf Sundownern.  Ganz nebenbei vergehen auf einmal 3 Wochen. Eigentlich könnte man hier ein Jahr verbringen, ohne dass es langweilig wird. Aber wir haben ja Termine. 😉

Auf Martinique ist zwischenzeitlich das Denguefieber ausgebrochen. Überall wird darüber aufgeklärt und gewarnt. Es wird durch Mücken übertragen, die auch am Tage stechen. Leichte Panik bricht aus, weil Martinique, speziell die Bucht Saint Anne, wo wir liegen die Hochburg sein soll. Bei längerem drüber Nachdenken wird aber klar, Martinique ist EU und Denguefieber ist meldepflichtig. Deshalb gibt es vermeintlich mehr Fälle als auf den anderen karibischen Inseln. Für die schwülwarmen Temperaturen gibt es erstaunlich wenig Mücken hier. Dennoch wenn eine sticht, dann juckt es meist 14 Tage. 

Saint Lucia

Es geht schließlich nach drei Wochen weiter Richtung Süden. Mal wieder mit Stopp auf Saint Lucia. Zum dritten Mal hier ein und ausklarieren.  Eigentlich wollten wir nur unseren bei der ARC gewonnenen Gutschein einlösen. Nachdem uns der Taxifahrer aber einen halben Monatslohn abnehmen möchte und das Einlösen dort auch schon wieder kompliziert und mit weiteren Kosten verbunden sein soll, beschließen wir es mit karibischer Gelassenheit zu nehmen und verzichten darauf. Da wir ja nun mit diversen Infos versorgt wurden, entscheiden wir auf eigene Faust los zu gehen.

Die Bushaltestelle haben wir bald gefunden und steigen in einen recht vollen Kleinbus mit 15 Plätzen. Dicht gedrängt fahren wir mit ohrenbetäubenden Soca für insgesamt 3 Euro nach Castries.  Der Ausflug in die Inselhauptstadt ist total schön. Wir streifen durch die Straßen, besuchen die Markthallen und kaufen ein bisschen Gemüse. Die Häuser sind meist zwei/dreigeschossige Stein- aber auch Holzhäuser und ähneln einem kunterbunten Misch verschiedener Baustile. Ihr Zustand ist häufig sehr gewagt. Die deutschen Baubehörde hätte hier arge Bauchschmerzen.  

Überhaupt hatte ich mir die Karibik ganz anders vorgestellt, eben etwas klischeehaft, zugegebenermaßen. Die weißen Sandstrände mit Palmen usw. muss man schon eine Weile suchen. Die Menschen wohnen in einfachen Hütten oder kleinen Bungalows, die häufig sehr ambitioniert angefangen wurden, mit schönen Farben manchmal sogar mit Säulen und Stuck. Dann scheint aber meist Geld oder Zeit ausgegangen zu sein. Die kreolische Küche beschränkt sich oft auf Hühnchen mit Gemüse, was bei den Locals, in ihren Garküchen recht gewöhnungsbedürftig aussieht aber immer ziemlich gut schmeckt. Relaxte Reggaemusik ist eher selten, sondern meist mit harter Soca-Musik vermischt. Sie ist fast überall lautstark zu hören, in Supermärkten, Bussen, Ankerbuchten usw. Die Menschen begegnen uns häufig eher gleichgültig.

Auf Dominica, Martinique sowie den nächsten Inseln empfanden wir die Menschen zugänglicher und freundlicher. Mit Saint Lucia werden wir irgendwie nicht so richtig warm. Warum bleibt uns ein Rätsel. Vielleicht liegt es ja an dem Prinzip der ARC, wo 3.000 Menschen sich innerhalb von 2 Wochen auf die Insel stürzen. Auch wir Segler gehören halt an manchen Stellen schon zum Massentourismus.

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